# taz.de -- Reformbedarf in der Liga: So kann's nicht weitergehen!
       
       > Der Geisterspielbetrieb macht so manche Fehlentwicklung in der
       > Fußball-Bundesliga sichtbarer, zum Beispiel die Ungleichheit zwischen den
       > Vereinen.
       
 (IMG) Bild: Fehlendes Ritual: Wenn die Ränge leer bleiben und der Stadionfan seine Identität verliert
       
       Ein Fernsehzuschauer gewöhnt sich an Vieles, etwa daran, jeden Sonntag
       einen miesen „Tatort“ zu schauen. Also schaut er trotz anfänglichen
       Gemotzes jetzt halt Fußballspiele, die sich in leeren Stadien vollziehen.
       Für Stadionfans sieht die Sache anders aus, denen bricht eine Kultur, ein
       einzigartiges Erlebnis und möglicherweise ihre Identität weg. Manche
       brüllen jetzt vor dem Fernseher, weil es ihnen wirklich um ihr Leben geht.
       Die meisten sind indes unterhaltungsorientierte Fernsehfußballfans –
       nothing wrong with that – aber ihr persönlicher Verlust ist gering im
       Vergleich zu den Stadionfans, das sollte man sich selbst einfach mal klar
       machen.
       
       Am Ende dieser epidemischen Corona-Saison kann man sagen: Das bürokratische
       „Hygiene“-Konzept der Bundesliga hat viel besser geklappt als erwartet.
       Eine Mehrheit findet es jetzt okay, dass ohne Zuschauer gespielt wird.
       Vielleicht weil sie inzwischen kapiert haben, dass es nicht die
       kapitalistische Pervertierung des Fußballs ist, sondern der unternehmerisch
       angemessene Anspruch, viele Clubs vor dem Ende zu bewahren. Eines kann man
       mit Sicherheit sagen: Der Fußball funktioniert auch in leeren Stadien.
       Damit meine ich das Spiel als solches. Und es funktioniert für mich auch,
       diesen Fußball anzusehen, bei dem sich völlig neue Fragen stellen. Etwa:
       Hilft es den Freiburger Spielern, wenn sie plötzlich hören, was ihr Trainer
       ihnen zuschreit? Und wie geht er damit um, wenn er sich jetzt selbst
       versteht?
       
       ## Gute und schlechte Rituale
       
       Es war faszinierend, wie die Bayern gegen Dortmund mit ihren hohen Außen
       bereits am BVB-Strafraum so pressten, dass sich selbst der technisch
       beschlagene Tempofußball der Borussen kaum befreien konnte. Ganz großer
       Fußball. Das allerdings markiert das Topniveau der Bundesliga, und
       vermutlich ist es schon so, dass es bei geringerem Niveau und geringerer
       emotionaler Anteilnahme einem Teil der Fernsehzuschauer schneller
       langweilig wird, als wenn Leute stellvertretend für einen im Stadion
       sitzen. Das Spiel funktioniert, aber die Massenfaszination nicht, wenn das
       Ritual fehlt. Das kann man in einer Zwischenphase trennen, aber dauerhaft
       nicht, sonst verliert das Spiel seine gefühlte Wichtigkeit.
       
       Und so ist das Spielen ohne Stadionzuschauer ja auch gedacht. Als
       Überbrückung. Womit wir zu einem anderen Ritual kommen, und das besteht
       darin, dass am Ende jeder Bundesligasaison immer die Bayern Meister sind.
       Zu diesem Ritual gehört, dass im Herbst und Winter jemand anderes führt.
       Dann wird ein paar Wochen gejauchzt, dass es diesmal anders laufe, aber ab
       Mitte des zweitens Saisondrittels ziehen die Bayern davon. Das
       auszurechnen, bedarf es keines Algorithmus.
       
       Man darf nur nicht verdrängen, dass die Platzierungen der Tabelle in einem
       Sample (sagen wir zehn Jahre) identisch sind mit denen der
       [1][Personalausgaben-Tabelle]. Die Champions League hat einen
       faszinierenden Wettbewerb der Allerbesten gebracht, aber den nationalen
       Wettbewerb schwer beschädigt. Bayern hat dort inzwischen über [2][eine
       Milliarde Euro eingenommen] und mit riesigem Abstand das meiste Geld,
       Dortmund mit riesigem Abstand nach oben und unten das zweitmeiste. Die
       leeren Stadien haben die Ungleichheit noch vertieft, weil individuell
       besser besetzte Teams davon offenbar profitieren. Also: Es war und ist
       richtig, in leeren Stadien zu spielen, damit es weitergehen kann. Aber so
       wie vor Corona kann es nicht weitergehen.
       
       21 Jun 2020
       
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