# taz.de -- Flüchtling verbrannte im Gefängnis Kleve: Eine brisante Notiz
       
       > Amad A. saß unrechtmäßig in Haft und starb dort. Eine Notiz legt nahe,
       > dass die Polizei schon vor dem Tod des Kurden von der Verwechslung
       > wusste.
       
 (IMG) Bild: JVA Kleve. Hier starb Ahmad A
       
       Bochum taz | Im Fall des [1][in seiner Zelle verbrannten] und zuvor
       wochenlang unrechtmäßig inhaftierten syrischen Flüchtlings Amad A.
       verdichten sich die Hinweise, wonach der Kurde Opfer von institutionellem
       Rassismus bei der Polizei geworden ist. Die Staatsanwaltschaft Kleve hat
       deshalb erneut Ermittlungen gegen einen Kriminalpolizisten aufgenommen – im
       Raum steht der Verdacht der Freiheitsberaubung. „Die Untersuchungen laufen
       seit Montag“, bestätigte der Sprecher der Behörde, Oberstaatsanwalt Günter
       Neifer, der taz.
       
       Zuvor war ein Vermerk aufgetaucht, der den Verdacht nahelegt, dass eine
       Staatsanwältin aus Braunschweig den Beamten Frank G. schon mehr als sieben
       Wochen vor dem tödlichen Zellenbrand darauf hingewiesen habe, dass mit dem
       Mann aus dem kurdischen Syrien der Falsche in der Zelle sitzt. Amad A. sei
       „nicht identisch“ mit dem von ihr Gesuchten, notierte die Staatsanwältin
       nach einem Telefonat mit dem Polizisten G. am 27. Juni 2018. Der WDR
       berichtete zuerst darüber
       
       Die Worte „nicht identisch“ sind in der Verfügung, die der taz vorliegt,
       unterstrichen. Schließlich sei Amad A. ausweislich von Polizeifotos
       „jedenfalls arabischer Herkunft“. Der von ihr gesuchte Amed G. stamme
       dagegen „aus Schwarzafrika“.
       
       Die Verwechselung des Kurden mit einem Mann aus Mali beschäftigt bereits
       seit Ende 2018 einen Untersuchungsausschuss im NRW-Landtag. In dem wurden
       [2][zahlreiche Unstimmigkeiten] bekannt. Verhaftet wurde Amad A. im Juli
       2018 in der Kleinstadt Geldern am Niederrhein. Laut Zeugenaussagen hatte
       die Tochter eines örtlichen Verkehrspolizisten zuvor ihren Vater auf dessen
       Diensthandy angerufen – und berichtet, der damals 26-Jährige habe sie an
       einem Baggersee sexuell belästigt.
       
       ## „Eine neue Dimension“
       
       Zwar erhärteten sich die Vorwürfe nicht, inhaftiert blieb Amad A. aber
       trotzdem. Erklärt wurde dies mit der fälschlichen Zusammenführung von zwei
       Datensätzen aus zwei Polizeidatenbanken: Nur deshalb soll der
       Bürgerkriegsflüchtling aus Aleppo für den Malier Amed G. gehalten worden
       sein, der von den Staatsanwaltschaften Hamburg und Braunschweig wegen
       Diebstahls und nicht bezahlter Geldstrafen gesucht wurde. Amad A. blieb
       also in der Justizvollzugsanstalt Kleve in Haft, bis im September 2018 in
       seiner Zelle ein Feuer ausbrach, das er selbst gelegt haben soll.
       
       Der unrechtmäßig Inhaftierte wurde dabei so schwer verletzt, dass er daran
       starb. Die Familie des Kurden zweifelt dagegen an der Suizid-These. „Mein
       Sohn saß in Syrien drei Jahre aus politischen Gründen im Gefängnis“, hatte
       der Vater Malak Zaher A. im März bei einer Pressekonferenz erklärt. „Er ist
       dabei gefoltert worden. Warum sollte er sich danach in Deutschland
       umbringen?“ Auch gegen eine erste Entscheidung der Staatsanwaltschaft
       Kleve, die Ermittlungen wegen Freiheitsberaubung gegen Polizeibeamte
       einzustellen, haben die Eltern von Amad A. Beschwerde eingelegt.
       
       Durch die Wochen vor dem tödlichen Feuer durch die Braunschweiger
       Staatsanwältin schriftlich festgehaltene offensichtliche Verwechselung
       erneut alarmiert sind auch die Mitglieder des Untersuchungsausschusses im
       Landtag.
       
       Sowohl die Oppositionsfraktionen aus Sozialdemokraten und Grünen wie die
       schwarz-gelben Regierungsfraktionen haben zwei neue Beweisanträge gestellt.
       „Durch den Vermerk der Staatsanwältin bekommt der Fall eine neue
       Dimension“, sagt SPD-Fraktionsvize Sven Wolf. „Warum ist nichts passiert,
       warum hatten die Hinweise keine Folgen?“, fragt auch der rechtspolitische
       Sprecher der Grünen, Stefan Engstfeld.
       
       Ab dem 9. Juni wird der Kriminalpolizist Frank G. deshalb erneut vor dem
       Ausschuss vernommen. Gehört werden soll auch die Braunschweiger
       Staatsanwältin – ebenso wie einer ihrer Kollegen, der ebenfalls auf die
       unerklärliche Verwechselung hingewiesen haben könnte. Der Vermerk aus
       Braunschweig sei auch für die Regierungsfraktionen „natürlich ein
       Aufreger“, sagt der CDU-Obmann im Ausschuss, Oliver Kehrl – und versichert:
       „Wir sind die ersten, die das aufklären wollen.“ Von der im Januar
       erhobenen Forderung, die parlamentarische Untersuchung einzustellen, will
       er nichts mehr wissen. Die, sagt der Christdemokrat „gab den damaligen
       Sachstand wieder“.
       
       26 May 2020
       
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