# taz.de -- Übergriffe in Mali und Burkina Faso: Kopfschüsse gegen den Terror
       
       > Im Krieg gegen Islamisten in Mali und Burkina Faso nehmen extralegale
       > Hinrichtungen und Armeegewalt zu. Staat und Volk trauen einander nicht.
       
 (IMG) Bild: Schnellschüsse? Im Armeelager Koulikoro in Mali, wo die Bundeswehr Soldaten ausbildet
       
       Cotonou taz | Im Geschäftsviertel von Malis Hauptstadt Bamako sitzt Abdoul
       Aziz Diallo in seinem Büro. Der frühere Präsident der Vereinigung der
       Peul-Volksgruppe in Mali überwacht auf einem Bildschirm, wer das Gebäude
       betritt. Er ist misstrauisch geworden. Mitten im Gespräch zieht er sein
       Smartphone aus der Tasche und zeigt Fotos. Ermordete Frauen und Kinder sind
       darauf zu sehen.
       
       Immer wieder kommt es zu schweren [1][Massakern in Zentralmali]. „Mit
       Satelliten kann man die Region doch gut überwachen“, ist Diallo sich
       sicher. Dennoch verhindere niemand die Ausbreitung der Gewalt.
       
       Die Menschenrechtslage in Mali hat sich in den ersten drei Monaten dieses
       Jahres „sehr verschlechtert“. So lautet das Fazit eines zehnseitigen
       Berichts der [2][UN-Blauhelmmission in Mali (Minusma)]. 598 Vorfälle wurden
       in diesem Zeitraum registriert, gut 61 Prozent mehr als zwischen Oktober
       und Dezember 2019.
       
       Verantwortlich sind erst an dritter Stelle islamistische Gruppen. An erster
       Stelle stehen lokale Selbstverteidigungsmilizen, an zweiter, noch vor den
       islamistischen Terroristen, Malis Streitkräfte.
       
       Malis Armee war demnach zwischen Januar und März diesen Jahres für 101
       Hinrichtungen ohne Strafverfahren und Urteil verantwortlich. 34 weitere
       lastet der Bericht der Armee Nigers an, die im Rahmen der multinationalen
       Sahel-Eingreiftruppe G5-Sahel ebenfalls in Mali im Einsatz ist.
       
       Das ist der Hintergrund, vor dem das Mandat der Bundeswehrausbilder für
       Malis Armee verlängert und auf weitere Länder ausgedehnt werden soll.
       Staatliche Gewalt gibt es nicht nur in den traditionellen Konfliktgebieten
       im Norden und im Zentrum Malis. In Kayes, im äußersten Westen des Landes
       nahe der Grenze zu Senegal, wurden vor zwei Wochen vier Menschen bei einer
       Demonstration getötet. Die Opfer sollen von der Polizei gejagt worden sein.
       
       ## In Gewahrsam der Gendarmerie erschossen
       
       Verstärkt in der Kritik stehen auch die Streitkräfte in Burkina Faso. In
       Tanwalbougou nahe der Stadt Fada N’Gourma im Osten des Landes wurden am 11.
       Mai zwölf Männer hingerichtet, die sich im Gewahrsam der Gendarmerie
       befanden – ohne gerichtliche Untersuchung und Strafverfahren. Sie wurden in
       Plastiksäcken aufgebahrt und dann in einem Massengrab verscharrt.
       
       Angehörige der Toten berichteten nach der Aufbahrung, alle Leichen hätten
       Kopfschusswunden gehabt. Inzwischen nannte Präsident Roch Marc Christian
       Kaboré den Vorfall „inakzeptabel“. Die Morde sollen untersucht werden.
       
       Ein Einzelfall war das nicht. Bereits am 9. April wurden in der Stadt Djibo
       im Nordwesten von Burkina Faso 31 Personen in staatlichem Gewahrsam
       hingerichtet, wenige Stunden nach ihrer Festnahme. Laut Human Rights Watch
       waren sie unbewaffnet.
       
       Der Vorwurf der Behörden bei solchen Festnahmen lautet immer: Es könnten
       Terroristen sein. Beweise fehlen aber oft. Im Fall von Djibo kommt dazu:
       Die Ermordeten waren offenbar allesamt Peul – [3][Fulani] heißt diese
       Volksgruppe in anglophonen Ländern wie Nigeria –, die in der ganzen
       Sahelregion als islamistische Terroristen abgestempelt werden. Häufig
       finden extralegale Tötungen im Rahmen von Militäroperationen statt.
       
       Es haben sich in der Region verschiedene bewaffnete Gruppen etabliert. Als
       besonders einflussreich gilt die „[4][Gruppe für die Unterstützung des
       Islams und der Muslime“ (JNIM)]. Aber auch Partner des IS operieren hier
       längst. Dazu kommen lokale Konflikte und [5][kaum kontrollierbare
       Selbstverteidigungsmilizen], die auf ethnischer Grundlage gegen
       vermeintliche Feinde vorgehen. Es ist eine asymmetrische Konfliktsituation,
       für die Armeen nicht ausgebildet sind.
       
       ## Die ausländischen Truppen sind kein Schutz
       
       „Die Sicherheitslage hat sich seit 2012 immer mehr verschlechtert“, sagt in
       Bamako Baba Dakono vom Institut für Sicherheitsstudien (ISS). „Vor allem
       die Gewalt im Jahr 2019 und Anfang 2020 zeigt, dass sich die vielen
       Anstrengungen kaum auswirken.“ Dabei sind [6][zahlreiche ausländische
       Eingreiftruppen] vor Ort: die UN-Mission, zwei EU-Missionen, G5-Sahel und
       die französische Antiterroroperation Barkhane mit 4.700 Soldat*innen.
       
       Für mehr Sicherheit sorgen diese Missionen nach Einschätzung der
       Bevölkerung nicht. Im aktuellen „Mali-Mètre“ der Friedrich-Ebert-Stiftung
       stimmten gut 54 Prozent der Befragten der Aussage zu, die UN-Mission
       schütze die Bevölkerung nicht vor Gewalt. Gut 65 Prozent waren sehr
       unzufrieden mit dem Antiterrorkampf von Barkhane. Befragt wurden landesweit
       in Mali 2.186 Personen.
       
       Es ist nicht nur ein Sicherheitsproblem, meint Dakono: Die Bevölkerung
       traut allgemein staatlichen Stellen nicht. „In vielen Regionen war der
       Staat lange abwesend. Und selbst wenn er vor Ort war, war das eher
       symbolisch und wurde immer wieder infrage gestellt.“ Sind keine offiziellen
       Strukturen vorhanden, können diese von Milizen ersetzt werden. Die
       versprechen Schutz und sind sichtbar.
       
       [7][Die EU-Trainingsmission EUTM] hat eigenen Angaben zufolge seit ihrem
       Beginn im Jahr 2013 rund 15.000 Militärangehörige in Mali ausgebildet. Dazu
       gehören Lehreinheiten zu Menschenrechten und humanitärem Völkerrecht.
       
       In Mali stellt sich jedoch immer wieder die Frage, wie groß das Interesse
       der malischen Armee an dieser Zusammenarbeit tatsächlich ist. Von
       internationalen Partnern hieß es im Jahr 2018, man wisse nicht einmal, wie
       viele Soldat*innen Malis Streitkräfte zählen. Es könnten 20.000 aber auch
       30.000 sein. Eine Präzision gibt es auch Anfang 2020 nicht. Je höher die
       Zahl ist, desto mehr Sold muss gezahlt werden und desto mehr kann auch
       veruntreut werden.
       
       26 May 2020
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katrin Gänsler
       
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