# taz.de -- Geschichte des Begriffs „Mainstream“: Anarchopunks und Frei.Wild
       
       > Das Wort „Mainstream“ kam als rebellische Kampfvokabel in die Welt. Heute
       > wird es vor allem von rechts attackiert.
       
 (IMG) Bild: Die Band Frei.Wild – ein vermeintliches Opfer des linksliberalen Mainstreams
       
       Es ist vielsagend, dass das Wort „Mainstream“ heute im Wesentlichen durch
       sein Gegenteil definiert ist. Der Duden [1][definiert] den Begriff als:
       „(oft abwertend) vorherrschende gesellschaftspolitische, kulturelle o. ä.
       Richtung: sich vom Mainstream absetzen“. Weiterhin wird dort auf die
       Herkunft des Begriffs aus der Popkultur des 20. Jahrhunderts verwiesen,
       auch dort wurde der Mainstream – erst im Jazz, später im Pop – als das zu
       Glatte, Unwiderständige zumeist negativ definiert: Als das, mit dem man
       nichts zu tun haben wollte also.
       
       Bei den Verschwörungstheorien ist oft von den Mainstreammedien die Rede.
       Dabei ging es ursprünglich darum, der Marktkonzentration im Mediensektor
       etwas entgegenzusetzen. Die Ablehnung der Massenmedien steht seit der
       Nachkriegszeit in durchaus linker Tradition: Von den Untergrund-Magazinen
       der Counterculture bis zu NGO-Blogs von heute könnte man von einer stetigen
       Zunahme linker Alternativmedien sprechen. Auch die taz ist – zu einer Zeit,
       in der es in der BRD drei Programme gab und weit weniger überregionale
       Medien – aus dem Geist heraus gegründet worden, Gegenöffentlichkeit
       herzustellen.
       
       Heute aber gibt es den medialen Mainstream in dieser Form gar nicht mehr.
       Wer oder was sollte das auch sein? Die knapp eine Million
       Instagram-Follower des Influencers [2][Rezo]? Die 4 Millionen, die
       abendlich das „heute-journal“ schauen? Die 479.000 Youtube-Abonnenten von
       eines Ken Jebsen?
       
       Medien sind hierzulande heute partikularer, pluraler und dezentraler als je
       zuvor, und gleichgeschaltet sind sie allein deshalb nicht, weil die
       Aufmerksamkeitsökonomie die Prinzipien Rede und Gegenrede, These und
       Gegenthese quasi ständig einfordert. Falls es doch noch so etwas wie einen
       medialen Mainstream gibt, so kann der heute in Echtzeit überprüft werden –
       und wird dies auch. Natürlich gibt es auch heute noch starke Verlagshäuser,
       aber an Gegenöffentlichkeit mangelt es keineswegs.
       
       Einen gesellschaftlichen Mainstream kategorisch abzulehnen, ist dagegen
       schon deshalb unsinnig, weil dieser ja ständig im Wandel ist. Der
       Mainstream an sich ist nichts Böses, im Gegenteil. Irritierend wäre es
       eher, wenn jemand politische Ideale hätte und nicht dafür einträte, dass
       sie irgendwann den Mainstream erreichen sollen. Heute ist es zum Glück –
       mehr oder weniger – Common Sense, dass die Erde keine Scheibe ist, dass der
       Klimawandel vom Menschen verantwortet wird, dass Homosexualität keine
       Krankheit ist und Feminismus auch nicht.
       
       Kein Wunder, dass ein solcher Mainstream heute vorrangig von rechts
       attackiert wird. Die Schlachten um die Deutungshoheit des Begriffs zeigen
       sich auch in der Popkultur: Im Punk richteten sich einst noch
       anarchistische und linksradikale Bands wie Crass gegen den Mainstream,
       warfen Gruppen wie The Clash vor, viel zu sehr im Mainstream aufzugehen.
       Punkbands arbeiteten sich am männlichen, weißen Mainstream-Rock ab.
       
       Heute hingegen ist der Mainstream im (internationalen) Pop fast
       flächendeckend divers, queer, vielfältig – und Rechte arbeiten sich daran
       ab. So gerieren sich Künstler wie Andreas Gabalier („Man hat es nicht
       leicht auf dieser Welt, wenn man als Manderl noch auf Weiberl steht“) und
       Frei.Wild als vermeintliche Opfer des linksliberalen Mainstreams. Wie
       fragil der Terminus ist, zeigt sich dann auch wieder dadurch, dass diese
       selbst wiederum Massen erreichen.
       
       Was in jüngster Zeit gesellschaftlicher Mainstream war? Nun, es war
       Mehrheitsmeinung, seine eigenen Grundrechte zurückzustellen, um eine
       schwächere Bevölkerungsgruppe zu schützen. Solidarität war Mainstream.
       Dagegen ist erst mal wenig einzuwenden.
       
       23 May 2020
       
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 (DIR) [1] https://www.google.com/search?client=firefox-b-d&q=Duden+mainstream
 (DIR) [2] https://www.youtube.com/channel/UCLCb_YDL9XfSYsWpS5xrO5Q
       
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