# taz.de -- Verschwörungsdemonstrationen in Berlin: AfD jetzt auch für Hygiene
       
       > Innenausschuss diskutiert über illegale Versammlungen vom Wochenende.
       > Rot-Rot-Grün und CDU kritisieren die Teilnehmer. Ganz anders die AfD.
       
 (IMG) Bild: Brunnenstürmer bei der nicht angemeldeten Kundgebung am 9. Mai am Alexanderplatz
       
       Die Akzeptanz gegen die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus sinkt.
       Anfangs seien die Kontrollen der Polizei in Parks von Beifall begleitet
       gewesen, sagte Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Montag im
       Innenausschuss. Jetzt sei es umgekehrt. „Die Berliner sind der Regelungen
       überdrüssig, das ist deutlich zu sehen.“ Bei der Mehrheit der Berlinerinnen
       und Berliner sei aber nach wie vor eine große Disziplin spürbar.
       
       Die Auswirkungen der Coronakrise waren zum wiederholten Mal das einzige
       Thema im Innenausschuss. Großen Raum in der Debatte nahmen die nicht
       angemeldeten Versammlungen ein, die unter Bezeichnungen wie
       [1][„Hygienedemonstrationen“] firmieren und hinter denen sich ein krudes
       Spektrum verbirgt. Geisel sprach von einer „seltsamen Mischung aus
       Querfront von ganz rechts bis ganz links, Esoterikern und
       Verschwörungstheoretikern“.
       
       [2][Drei Kundgebungen] hat die Polizei am 8. und 9. Mai aufgelöst. Die
       Veranstaltungen bekämen immer mehr Zulauf und seien von einer hohen
       Aggressionsbereitschaft und Rücksichtslosigkeit gegenüber den eingesetzten
       Polizeibeamten begleitet. Die Einhaltung eines Mindestabstands aus
       Infektionsschutzgründen interessierte die Teilnehmer überhaupt nicht.
       
       Allein am Alexanderplatz hätten sich 1.200 Personen versammelt, darunter
       auch Hooligans des BFC Dynamo. Nach Angaben von Polizeipräsidentin Barbara
       Slowik wurden acht Polizisten bei Handgreiflichkeiten verletzt. Die Polizei
       werde die Lage genau analysieren und daraus einsatztaktische Schlüsse
       ziehen, kündigte Slowik an.
       
       Aber nicht nur der fraktionslose Abgeordnete Andeas Wild (mehr rechtsaußen
       geht im Abgeordnetenhaus nicht) zeigte Verständnis für die Demonstrationen.
       Auch die Vertreter der AfD fangen an aufzusatteln. Unter den Demonstranten
       seien doch auch vernünftige Leute, ob Infektionszahlen und die Maßnahmen
       des Senats noch im richtigen Verhältnis zueinander stünden, so der
       innenpolitische Sprecher der AfD, Karsten Woldeit.
       
       Sein Kollege Marc Vallandar, über Mikrofon von außen in den Ausschuss
       zugeschaltet, sagte, die demonstrierenden Bürger seien keine Bittsteller.
       Immerhin handelte es sich bei den Eindämmungsmaßnahmen „um schwere
       Grundrechtsverletzungen“. Die „schweren sozialen und menschlichen
       Verwerfungen“ werde man noch zu spüren bekommen.
       
       Die Reaktionen der rot-rot-grünen Innenpolitiker und auch die der CDU
       ließen nicht zu wünschen übrig. Tom Schreiber (SPD) sagte, ihn habe
       angesichts der Sprüche der Demonstranten am Alexanderplatz blankes
       Entsetzen erfasst. Die Polizisten seien als „Stasis“ bezeichnet worden. In
       dem Getümmel herauszufinden, wer der Kern dieser Bewegung sei, sei eine
       schwierige Aufgabe.
       
       Er fühle sich an das Entstehen der Gelbwesten-Bewegung in Frankreich
       erinnert, sagte Schreiber. Berechtige Fragen und Ängste würden für andere
       Zwecke instrumentalisiert. Der Verfassungsschutz als Frühwarnsystem habe da
       eine wichtige Rolle, so Schreiber. Wer sich hinter einer Gruppierung namens
       Widerstand 20/20 verberge?
       
       Niklas Schrader (Linke) und Benedikt Lux (Grüne) warfen der AfD mangelnde
       Distanzierung vor. Mehr noch, die AfD versuche daraus politisches Kapital
       zu schlagen, sagte Schrader. Ausgerechnet sein eigener Parteifreund
       Wolfgang Albers (Linke) war es dann, der – aus dem Off zugeschaltet – für
       seinen Beitrag den Beifall der AfD-Abgeordneten erntete: Diese
       Viruserkrankung müsse in die gesellschaftliche Wahrnehmung genauso
       integriert werden wie alle anderen Krankheiten, meinte Albers. „Der
       virologische Blick verengt manchmal die Sicht auf die Welt.“ Das müssten
       die Politiker bei ihren Schlussfolgerungen berücksichtigen.
       
       11 May 2020
       
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