# taz.de -- ZahnärztInnen in der Pandemie: Bohren in Coronazeiten
       
       > Die Zahl der Zahnarztbesuche ist in den letzten Wochen massiv
       > zurückgegangen. Bei den meisten Behandlungen besteht aber kein Grund zur
       > Sorge.
       
 (IMG) Bild: Zahnbehandlung im Outer Space? Nein, nur unter Corona-Bedingungen
       
       Berlin taz | Arztbesuche in Coronazeiten sorgen für ganz unterschiedliche
       Erfahrungen: Manche PatientInnen schwärmen von leeren Wartezimmern, andere
       wiederum berichten vom Gegenteil, weil eine Praxis ihre Sprechzeiten
       reduziert hat oder wegen Quarantänefällen ganz geschlossen ist. Klar ist:
       Eingriffe im Krankenhaus, die nicht unaufschiebbar sind, finden seit Wochen
       nicht statt, um Kapazitäten bei Personal und Betten zu schonen. Hier soll
       jetzt langsam wieder etwas Normalität einkehren.
       
       Weniger im Fokus stehen die fast 5.000 Zahnärztinnen und Zahnärzte der
       Stadt. Aber auch hier hat das Coronavirus zugeschlagen: Viele ZahnärztInnen
       berichten von massiven Terminabsagen durch PatientInnen im März und April,
       diesmal wohl nicht aus Angst vor dem Bohrer, sondern davor, sich mit dem
       Virus anzustecken. Das betrifft vor allem Zahnarztbesuche, bei denen nicht
       akute Schmerzen der Grund sind. Die Zahnersatz-Behandlungen sind nach
       vorläufigen Zahlen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) Berlin im
       April um rund 40 Prozent eingebrochen.
       
       Genaue Zahlen, wie viele Praxen wegen Sars-CoV-2 schließen mussten oder
       eingeschränkte Sprechstunden anbieten, hat die KZV nicht: „Wenn Praxen
       vorübergehend schließen, erfahren wir das – aber nicht, ob es wegen Corona,
       einer sonstigen Erkrankung oder einfach wegen Urlaub geschieht“, erklärt
       eine Sprecherin. Dass viele Zahnärztinnen ihr Angebot vorübergehend
       reduzieren mussten, diesen Eindruck kann sie aber bestätigen.
       
       „Eine Zurückstellung von zahnmedizinischen Behandlungen ist grundsätzlich
       problematisch“, sagt dazu der Vorstandsvorsitzende der KZV, Jörg Meyer. Aus
       zahnärztlicher Sicht könne man von einer Behandlung nur dann vorläufig
       absehen, wenn ausgeschlossen werden kann, dass sich das Problem nicht
       verschlimmert und auch keine Chronifizierung droht. „Das ist immer eine
       Einzelfallentscheidung, und die muss im Sinne des Patienten getroffen
       werden“, so Meyer.
       
       ## Lieber verschieben
       
       Etwas anders sieht es bei den Prophylaxeterminen aus, zu denen jede und
       jeder eigentlich mindestens einmal im Jahr im Zahnarztsessel Platz nehmen
       sollte. Denn bei der „professionellen Zahnreinigung“ wird heute meist mit
       Ultraschall und einem Wasser-Pulver-Strahl gearbeitet. Dadurch bilden sich
       Aerosole, also feine Nebel, in dem auch Virentröpfchen schweben könnten.
       Die Zahnärztekammer empfiehlt ihren Mitgliedern zurzeit, solche Methoden zu
       vermeiden – aber auch so bleibt die Aerosolbildung nicht gänzlich aus.
       
       „Für die Behandelnden ist die Infektionsgefahr bei der professionellen
       Zahnreinigung höher, deshalb sagen wir, das sollte man verschieben“, sagt
       KZV-Vorstand Jörg Meyer. Ein zeitlich begrenzter Aufschub der Prophylaxe
       sei in den allermeisten Fällen kein Problem: „Wenn Sie den Termin drei,
       vier Monate verschieben, entsteht dadurch noch keine Akutsituation.“
       
       Wird die professionelle Zahnreinigung dennoch durchgeführt, gilt hier
       mittlerweile wie bei allen anderen Zahnbehandlungen die höchste
       Sicherheitsstufe. Mund-Nasen-Schutz und Einweghandschuhe sind in den Praxen
       schon seit Langem eine Selbstverständlichkeit, nun wird den Behandelnden
       auf Grundlage von Erkenntnissen des Robert Koch-Instituts (RKI) das Tragen
       einer FFP2- oder FFP3-Atemmaske und eines Gesichtsvisiers aus Plexiglas
       empfohlen.
       
       Letzteres halten nicht alle für praktikabel, schließlich ist klare Sicht
       bei der kleinteiligen Arbeit im Mundraum besonders wichtig: „Mit dem Visier
       kann ich einfach nicht richtig arbeiten“, sagt ein Dentist, der anonym
       bleiben möchte. „Und ich gehe davon aus, dass ich mich früher oder später
       mit Corona infizieren werde.“
       
       Ein Risiko, das aus Sicht der Berliner Zahnärztekammer (ZÄK) niemand
       eingehen muss: „Die zahnärztliche Arbeit ist unter Beachtung aller
       Hygienemaßnahmen durchführbar“, teilt die Kammer auf Anfrage mit. Auch sei
       eine Behandlung unter diesen Bedingungen für viele ÄrztInnen gar nichts
       Neues: „Bereits vor der Coronapandemie gab es besondere Fälle, bei denen
       die Zahnarztpraxen ihre ohnehin sehr hohen Hygienestandards ähnlich wie bei
       den Covid-19-Fällen aufstocken mussten.“ Das betreffe PatientInnen mit
       Tuberkulose oder multiresistenten Erregern.
       
       Wer nachgewiesenermaßen Covid-19-PatientIn ist und ein akutes Zahnproblem
       hat, kann sich übrigens [1][an eine sogenannte Corona-Schwerpunktpraxis
       wenden].
       
       Wann wieder wie früher gebohrt, gefüllt und geschliffen wird, ist offen.
       Konsequenzen hat das aber nicht nur für die Zahngesundheit, sondern auch
       für die wirtschaftliche Situation von ZahnärztInnen und deren Angestellten.
       Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und die Kassenzahnärztliche
       Bundesvereinigung (KZBV) haben sich Anfang der Woche bitter beklagt, dass
       die Bundesregierung die Zahnarztpraxen in der Coronakrise nicht ausreichend
       schütze.
       
       „Die erheblichen Einnahmeverluste bei hohen weiterlaufenden
       Betriebsausgaben und immensen Investitionskosten können viele Praxen nicht
       länger schultern“, heißt es in einer Stellungnahme der BZÄK, „insbesondere
       für junge Praxen mit hohen Krediten wird diese Situation mittlerweile
       existenzbedrohend.“
       
       Dass die Zahnmedizin in der
       „Sars-CoV-2-Versorgungsstrukturen-Schutzverordnung“ des
       Bundesgesundheitsministeriums zu kurz kommt, sagt auch Berlins KZV-Vorstand
       Meyer. Der „Schutzschirm“, der aufgespannt werden sollte, bestehe nun
       lediglich aus einem Überbrückungskredit für 2020, den die Praxen über zwei
       Jahre zurückzahlen müssten. „Die Kassen beteiligen sich damit nicht an den
       Risiken der Pandemie, die Zahnärzte werden im Regen stehen gelassen“, so
       Meyer.
       
       7 May 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.kzv-berlin.de/patienten/notdienst/coronavirus-notdienst/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Claudius Prößer
       
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