# taz.de -- Streit um Corona-Ursprung: Kampf ums Narrativ
       
       > Die USA und China überziehen sich in der Coronakrise gegenseitig mit
       > Vorwürfen. Sie stellen damit Machtstreben über den Schutz von
       > Menschenleben.
       
 (IMG) Bild: Ein freiwilliger Helfer bei einer Zeremonie für medizinisches Personal
       
       In westlichen Ländern blickten Anfang Januar [1][einige mit Schadenfreude
       auf China], als sich dort das Coronavirus zu verbreiten begann. Als auch
       noch offensichtlich wurde, dass dortige Behörden zunächst weniger das Virus
       bekämpften als vielmehr die Mediziner, die als Erste davor warnten, zogen
       manche schon eine Parallele mit Tschernobyl.
       
       So wie der Atom-GAU den Machtverlust der Kommunistischen Partei
       beschleunigte, hätte das Virus ähnliche Folgen für China haben können. Doch
       Peking hat nach anfänglicher Vertuschung das Virus inzwischen mit großer
       Kraftanstrengung in den Griff bekommen. Inzwischen geriert sich das
       autoritäre China durch öffentlichkeitswirksame Hilfslieferungen in vielen
       Ländern sogar als Freund in der Not.
       
       Umgekehrt wurde in westlichen Ländern das Virus zunächst nur als
       chinesisches oder asiatisches Problem gesehen. Doch als es sich auch in
       Europa und Nordamerika ausbreitete, waren viele Gesundheitssysteme schlecht
       aufgestellt. Und viele westliche Politiker gefährdeten in der ihnen eigenen
       Überheblichkeit ihre Bevölkerung, weil sie diese in falscher Sicherheit
       ließen und zu spät und inkonsequent handelten.
       
       [2][Heute ächzt die ganze Welt unter der Pandemie], kämpfen Mediziner um
       das Leben Infizierter und fürchten viele um ihr wirtschaftliches Überleben.
       Doch Legenden werden bereits gestrickt. Denn das Narrativ der Pandemie wird
       nicht nur die Sicht auf die Katastrophe, ihre Verursacher und Helden
       prägen, sondern auch mit entscheiden, wer davon profitiert. In der
       strategischen Rivalität zwischen den USA und China ist Corona längst zum
       Schlachtfeld geworden.
       
       Doch statt gemeinsam den Feind der Menschheit zu bekämpfen, werden
       Verschwörungstheorien lanciert. So adelt der wahlkämpfende US-Präsident
       Trump plötzlich eine schon bisher von Experten für nicht plausibel
       gehaltene Theorie über ein Labor in Wuhan als Ursprungsort des Virus;
       chinesische Diplomaten kontern mit abstrusen Vorwürfen über nach Wuhan
       gereiste US-Militärs als Überträger des Virus. Der Umgang mit der Pandemie
       lässt das Verhältnis zwischen Washington und Peking auf einen Tiefpunkt
       sinken und die bisher eng miteinander verflochtenen Ökonomien wieder
       auseinanderrücken.
       
       ## Keine gute Figur der WHO
       
       Bei der Krisenbewältigung bleiben Transparenz und Kooperation zum Nutzen
       aller auf der Strecke. Das Virus stärkt die Nationalismen – dabei wäre die
       Zusammenarbeit über Grenzen hinweg gerade jetzt massiv nötig. Die WHO hat
       in der Krise bisher keine gute Figur gemacht, doch ist ein Erfolg ihrer
       Arbeit dringend notwendig.
       
       Natürlich ist die Frage nach den Ursachen der Krise und den Fehlern im
       Umgang damit relevant – dann aber bitte von Anfang bis Ende. Wer sich jetzt
       nur einzelne Aspekte herausgreift, statt unabhängige Untersuchungen und
       Transparenz zu fördern, lenkt vom eigenen Versagen ab und stellt Ideologie
       und Machtstreben über den Schutz von Menschenleben. Das gilt für China wie
       die USA gleichermaßen.
       
       21 Apr 2020
       
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