# taz.de -- Optionszeiten für Arbeitnehmer:innen: Arbeit neu denken
       
       > Neun Jahre für Kinderbetreuung und Selbstsorge im Berufsleben – das
       > empfehlen Forscher:innen des Deutschen Jugendinstituts und der Uni
       > Bremen.
       
 (IMG) Bild: Die neun Jahre Berufsunterbrechung hätten die Sieben Faulen gewiss auch gern gehabt
       
       Bremen taz | Bereits 2013 [1][forderte Karin Jurczyk in der taz] einen
       „atmenden Lebensverlauf“. Mit ihrem sozialpolitischen „Optionszeitenmodell“
       zeigen die Familienforscherin und Ulrich Mückenberger, emeritierter
       Professor am Zentrum für Europäische Rechtspolitik der Uni Bremen, nun eine
       Alternative zu den als normal geltenden Arbeitsverhältnissen: Ein
       Zeitbudget von neun Jahren, das flexible Unterbrechungen der Erwerbsarbeit
       zugunsten gesellschaftlich relevanter Tätigkeiten ermöglichen soll –
       finanziell abgesichert, versteht sich.
       
       Jurczyk, bis letztes Jahr Leiterin der Abteilung Familie beim Deutschen
       Jugendinstitut, und der Jurist und Politikwissenschaftler Mückenberger
       leiteten das Projekt [2][„Selbstbestimmte Optionszeiten im
       Erwerbsverlauf“], aus dem das Modell nun hervorging.
       
       „Bis heute gilt die männliche Biografie mit durchgängiger Vollzeitarbeit
       als ‚Normalbiografie‘“, [3][heißt es im Abschlussbericht]. „Die typisch
       weibliche Biografie ist dagegen von Unterbrechungen und Teilzeitarbeit als
       Abweichung von der Norm gekennzeichnet.“ Dabei erfordere nicht zuletzt der
       demografische Wandel eine „neue Normalität zwischen Care-, Erwerbsarbeit
       und Weiterbildung“, so Mückenberger.
       
       Neun Jahre – davon sechs zur Fürsorge für Kinder, Kranke und Alte, zwei zur
       Weiterbildung, eines zur Selbstsorge. Wie ein Sabbatjahr könne man sich
       letzteres vorstellen, so Jurczyk. Außer, dass es eben für alle
       gleichermaßen gilt. In den sechs Jahre Care-Arbeit ist nicht nur
       Kinderbetreuung und Pflege enthalten, auch bis zu einem Jahr Ehrenamt wird
       veranschlagt. Auch ohne Kinder ändere sich an diesem Anspruch nichts. „Auch
       in Form von Nachbarschaftspflege ist Sorgearbeit möglich.“
       
       ## Umverteilung zwischen Frauen und Männern
       
       Grundlage dieser Berechnungen sind vorrangig Erhebungen zu den derzeitigen
       Berufsunterbrechungen von Männern und Frauen. Den Durchschnittswert habe
       man dann für das Modell genutzt, unabhängig vom Geschlecht. „Wichtig ist
       uns vor allem die Umverteilung zwischen Frauen und Männern“, sagt Jurczyk.
       Die Zahlen seien Annäherungen. Bei einer Umsetzung müsse es noch einen viel
       genaueren Abgleich geben. „Das ist dann auch eine Wertefrage und ein
       gigantischer gesellschaftlicher Aushandlungsprozess.“
       
       Neben dieser flexiblen Gestaltung brauche es auch einen Ausbau der
       Infrastruktur rund um Betreuung und Pflege, die mit Teilzeitarbeit
       vereinbar ist. Jurczyk will keine „reprivatisierte Sorgegesellschaft“,
       sondern das Verhältnis von Regel- und Ausnahmebiografie umkehren. Auch
       müsse man weiter an der „Humanisierung der Arbeitswelt“ als auch an der
       Lohngleichheit arbeiten. „Unser Modell löst nicht alle Probleme.“
       
       Die Kosten für die Optionszeiten – wie hoch diese sind, weiß Jurczyk nicht
       – soll der tragen, der am meisten profitiert: Bei Care-Arbeit und Ehrenamt
       die Gesellschaft, das hieße Steuerfinanzierung. Weiterbildungen sollen
       Arbeitgeber zahlen, Selbstsorge jede:r selbst. Geringverdiener:innen sollen
       hier aber auf ein „situatives Grundeinkommen“ zurückgreifen können.
       
       Ein bedingungsloses Grundeinkommen schließt Jurczyk nicht aus. Ihr Team
       habe aber eine andere Strategie: die zweckgebundene Freistellung von der
       Erwerbsarbeit. Den Zweck gelte es nachzuweisen.
       
       Verwaltet werden sollen Nachweise und Ansprüche der Einzelnen mit
       „Aktivitätskonten“. Transparenz sei da vorrangig, so Mückenberger. „Wer
       weiß heute schon, wie lange man Bildungsurlaub genommen hat oder welche
       Bedingungen für ein Sabbatjahr gelten?“ Ansprüche müssen auch über einen
       Lebenslauf und verschiedene Arbeitgeber hinweg „portabel“ gemacht werden.
       Bei Sozialrechten wie der Rente sei dies bereits so, bei Arbeitsrechten
       selten.
       
       Die Dreiteilung des Lebenslaufs – Bildung, Beruf, Rente – „ist juristisch
       zementiert“, kritisiert Mückenberger. „Es müssen mehr Tätigkeiten als
       bisher mit in die Spannbreite der anrechnungsfähigen Versicherungsjahre
       reinfallen.“
       
       Die Umsetzung hält der Politikwissenschaftler „noch für sehr utopisch“.
       Dennoch gebe es bereits Befürworter, auch auf Arbeitgeberseite. Das Modell
       müsse Politiker:innen in kleinen Schritten „schmackhaft gemacht werden“.
       
       15 Apr 2020
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [2] https://www.dji.de/themen/familie/optionszeiten.html
 (DIR) [3] https://www.dji.de/fileadmin/user_upload/bibs2019/Optionszeiten_Abschlussbericht_DJIBroschuere_Fin.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alina Götz
       
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