# taz.de -- Neues Album von Childish Gambino: Frühjahrsputz im Großhirn
       
       > US-Schauspieler und HipHopstar Donald Glover alias Childish Gambino macht
       > mit dem Album „3.15.20“ schlaue Resteverwertung.
       
 (IMG) Bild: Läuft im Home-Office: Childish Gambino
       
       Was bedeuten ein paar Zahlenfolgen und ein weißes Cover? Donald Glover,
       US-Schauspieler und Starrapper mit Künstlernamen [1][Childish Gambino], hat
       momentan einen Lauf.
       
       Der 36-Jährige ist ein Künstler, auf den sich momentan alle einigen können.
       Egal, ob die von ihm realisierte TV-Serie „Atlanta“ mit ihm selbst in der
       Hauptrolle, für die er mit einem Golden Globe ausgezeichnet wurde, oder
       seine die gesellschaftlichen Missstände in den USA anprangernde Single
       „This Is America“ (2019), für die er einen Grammy bekam: Die Kritik ist
       voll des Lobes.
       
       Das Problem ist nur, dass so ein Everybodys-Darling-Dasein riesige
       Erwartungen schürt, die auf Dauer nur schwer zu erfüllen sind. Glover
       reagiert auf diese Erwartungen kryptisch. Zumindest auf den ersten Blick.
       Letzte Woche hat er überraschend sein neues Album „3.15.20“ veröffentlicht.
       Das Cover ist eine weiße Fläche. Ein Großteil der Songs ist mit nackten
       Zahlenfolgen betitelt. Sie stehen für die Minutenangabe, zu der die
       jeweiligen Songs in der Chronologie des Albums starten.
       
       ## Zum Luftrauslassen
       
       Vielleicht waren die visuelle Reduktion und die lakonische Betitelung der
       Songs nötig, nach all der Bildgewalt und all dem medialen Trubel um Glover:
       ein bisschen die Luft rauslassen, pffft, und kräftig durchatmen, simple
       Techniken helfen beim Runterkommen: Musikmachen als Frühjahrsputz im
       Großhirn quasi. Doch hinter der Reduktion und der durch die Zahlenfolgen
       geschaffenen Ordnung versteckt sich herrliches Chaos, unordentlicher Sound.
       „3.15.20“ ist das Gegenteil von homogen und leicht bekömmlicher Kost. Die
       Musik wirkt wie ein Sammelsurium von Experimenten Glovers aus verschiedenen
       Schaffensphasen.
       
       Einige Songs auf dem Album sind tatsächlich auch an anderer Stelle in
       anderen Fassungen veröffentlicht worden. Funk und Soul, die seine Musik
       seit Jahren als Securities verlässlich begleiten, klingen noch immer auf
       das Angenehmste an. Glover singt gerne mal mit Kopfstimme über Selbstliebe
       und klingt dabei glücklich. Oder er versucht sich am sedierten Säuseln, für
       das eigentlich sein Kollege Frank Ocean besser bekannt ist, auch da kann
       Glover punkten.
       
       Dazwischen schiebt sich aber ein Song wie „32.22“, bei dem plötzlich alle
       Sounds übersteuern, es kracht und knallt und Glover rappt über den
       Kriegszustand und darüber, dass endgültig alles abfackelt. Ist das eine
       Botschaft für die Gegenwart? Drum herum: der Tanz der Algorithmen
       („Algorythm“) inklusive der Aufforderung, dass alle ihren „body“ bewegen
       sollen. Die Themen wechseln schnell: Ernsthafte Gesellschaftskritik
       verpufft so auch mal, weil Feature-Gast 21 Savage auf „12.38“ dann doch
       lieber über Privatjets und Lamborghinis labert und dabei cool bleiben
       möchte.
       
       ## Chaotische Dramaturgie
       
       Das Tolle an Childisch Gambino ist aber: Auch bei „3.15.20“ passiert alles
       gleichzeitig, stringente Dramaturgie gibt es nicht, einen roten Faden auch
       nicht. Viele Songs werden in die Länge gezogen, klingen nur langsam ab und
       entfalten dadurch weniger Wucht als der Smasher „This Is America“.
       
       Es wirkt so, als ginge es Glover auf diesem Album allein darum, endlich mal
       wieder frei zu sein, Zeit zu gewinnen und etwas daddeln zu können. Der
       gute, saubere Spaß mündet im Finale gar in ungeahnte Albernheit, auch wenn
       es eigentlich um Glovers Kindheit geht und um sein eigenes Kind, dem er
       Aufmunterndes mit auf den Weg gibt.
       
       An anderer Stelle rappt er darüber, dass sein Bart so lang sei wie der von
       Jesus. Na ja. „3.15.20“ ist ein Album mit vielen guten Ansätzen, aber es
       ist kein neues Glover-Großereignis. Es wirkt wie eine gute Mischung aus
       Füllmaterial, das freilich immer noch besser klingt als das der Konkurrenz.
       Viel zu gut, um es einfach auf der Festplatte zu lassen. Vielleicht ist es
       auch einfach die lockere Aufwärmübung Glovers für das nächste große Ding.
       Hoffen wir, dass bis dahin die Welt nicht untergeht.
       
       2 Apr 2020
       
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