# taz.de -- Neues Album von Trettmann: Reimen im Schwebezustand
       
       > Ein neues, nicht ganz wasserdichtes, aber tolles Album des Chemnitzer
       > Rappers Trettmann zeigt: HipHop gegen Antisemitismus ist möglich und
       > klingt gut.
       
 (IMG) Bild: Trettmann kann Schmerz vertonen, ohne peinlich rüberzukommen
       
       Der Code wurde geknackt! Auf Instagram und Twitter kursiert ein
       parodistisches Video, das zeigt, wie sich in fünf Schritten ein Song im
       Stile des Chemnitzer Rappers Trettmann und dessen Produzenten-Team
       KitschKrieg produzieren lässt. Schritt 1: Synthie. Schritt 2: HiHats.
       Schritt 3: Noch mehr Beat. Schritt 4: Piano. Schritt 5: Ein Doppelgänger
       trägt schwarzes Basecap und Sonnenbrille, ein Trettmann-Gedächtnisoutfit,
       und singt mit schwermütiger, von Autotune manipulierter Stimme „Alles hat
       ein Ende, nur die Wurst hat zwei“. Laien werden Parodie und Original
       vermutlich nicht voneinander unterscheiden. Der reduzierte Beat erinnert an
       den von Dancehall, Trap und UK-Bass durchsetzten
       KitschKrieg-Trademark-Sound und wird damit zu Trettmanns Markenzeichen.
       
       Vor Kurzem hat der 45-Jährige sein zweites Album „Trettmann“
       veröffentlicht. Das Nachfolge-Werk von „[1][#DIY]“,auf das sich 2017 viele
       HipHop-Fans einigen konnten. Es ist mit Unterbrechungen seit 74 Wochen in
       den deutschen Albumcharts platziert. Und es ist die bis heute am besten
       erzählte und am anschaulichsten beschriebene Geschichte eines Jungen, der
       noch zu DDR-Zeiten als Stefan Richter zwischen den Plattenbauten des
       Chemnitzer Fritz-Heckert-Viertels aufgewachsen ist, dort der Musik aus dem
       Westen verfiel und so der Tristesse entkommen konnte, die deutschsprachige
       Popmusik zuletzt oftmals schwerfällig klingen ließ.
       
       Trettmanns Sound zeichnet sich dadurch aus, dass er schwelgt und fliegt.
       Mit der Stimme durch Klangeffekte. Und in diesem herbeigeführten
       Schwebezustand singt Trettmann seine lakonischen Balladen in denen er nie
       ein Wort zu viel verliert.
       
       Erstaunlich: Trettmann veröffentlicht unter diesem Alias überhaupt erst
       seit vier Jahren HipHop-Tracks, vorher reiste er als DJ und Reggae-Sänger
       durchs Land. Er hat also reichlich erlebt, bevor er seine Erlebnisse
       niedergeschrieben hat. Lange hat sich der Chemnitzer durch Popgeschichte
       gegraben, bevor er wusste, wie seine eigenen Tracks klingen sollen. Die
       Frage ist nur: Was hat er nach dem großartigen „#DIY“ noch zu erzählen und
       was hat er dem, wie das Instagram-Video zeigt, leicht zu decodierenden
       Sound-Entwurf, der ihn bekannt machte, anderes hinzuzufügen?
       
       ## Lakonische Stimmung
       
       Sein neues Album gibt darauf zwei Antworten. Die Gute ist: Er hat weiterhin
       viel zu erzählen. Sein Texte wirken nachhaltiger, klingen pointierter als
       je zuvor. „Stolpersteine“ verarbeitet die Geschichte hinter einem der
       Gedenksteine für einen von den Nazis ermordeten Juden. Wichtig, dass ein
       ostdeutscher Rapper Stellung gegen Antisemitismus bezieht! Und durch die
       Reduktion seiner Story überzeugt: Wieder sorgt Trettmanns lakonische
       Stimmung für ein tiefes Verständnis darüber, was für ein Leidensweg hinter
       jedem einzelnen Stolperstein steckt.
       
       Trettmann kann Schmerz vertonen, ohne peinlich rüberzukommen. Er spricht in
       Songs über Politik, über Beziehungen, die scheitern, und über Erinnerungen,
       die lähmen. Aber am Sound hat sich – das ist die schlechte Nachricht –
       leider nur wenig verändert. Etwas Garage hier, viele einfach gehaltene
       Synth-Pads da. Hochfunktional, eingängig, auf hohem Niveau ist
       [2][„Trettmann“] produziert – aber es klingt zu vorhersehbar.
       
       Und dann ist da noch ein Beitrag des Rappers GZUZ. Der stand in der Kritik,
       weil gegen ihn unter anderem wegen häuslicher Gewalt ermittelt wird.
       Trettmann hat ihn trotzdem als Gast zum neuen Album gebeten. In Interviews
       sagte er sinngemäß, dass er häusliche Gewalt verwerflich findet, aber einen
       alten Freund nicht fallen lassen möchte. GZUZ als einen von drei Gästen
       gleichberechtigt neben zwei Frauen auf seinem Album zu platzieren, ist aber
       das falsche Signal. Es schwächt Trettmanns ansonsten starke Aussagen,
       bleibt aber der einzige Makel eines ansonsten wasserdicht konzipierten
       HipHop-Albums.
       
       15 Oct 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.youtube.com/watch?v=bVgVnmb5_8Y
 (DIR) [2] https://www.youtube.com/watch?v=M6dDVnzBRoA
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johann Voigt
       
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