# taz.de -- Italien kritisiert Niederlande: „Mangel an Ethik und Solidarität“
       
       > Der Streit über den Rettungschirm ESM und Corona-Bonds verschärft sich.
       > Zwischen Rom und Den Haag nimmt die Spannung zu.
       
 (IMG) Bild: Seine Politik wir als „kleinlicher nationaler Egoismus“ verurteilt: Ministerpräsident Mark Rutte
       
       Amsterdam taz | Garant für Haushaltsdisziplin und Hüter der schwarzen Null
       – so sehen die Niederlande sich gern selbst. Im europäischen Rahmen sind
       die calvinistischen Kaufleute aus Den Haag zum treuesten Bundesgenossen
       Berlins geworden. Speziell in der [1][Eurokrise] galten der liberale
       Ministerpräsident Mark Rutte und der damalige Finanzminister Jeroen
       Dijsselbloem (Partij van de Arbeid) als verlässliche Vertreter des
       Austeritätsdogmas. Mancherorts nahm man sie als eifrigste Umsetzer
       deutscher Vorgaben wahr.
       
       Mehrere prominente italienische Politiker haben nun jedoch die Niederlande
       als treibende Kraft dieses Ansatzes ausgemacht. Als “kleinlichen nationalen
       Egoismus“ verurteilen sie die Weigerung Den Haags, von der [2][Coronakrise
       massiv getroffenen Ländern wie Italien und Spanien] einen leichteren Zugang
       zu europäischen Notfallfonds zu gewähren. Beim Sondergipfel der Staats- und
       Regierungschef letzte Woche kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung
       zwischen Spanien und Italien einerseits sowie Deutschland, den
       Niederlanden, Österreich und Finnland andererseits.
       
       Mit einer ganzseitigen Anzeige in deutschen Tageszeitungen wandten sich
       italienische Politiker, angeführt vom sozialdemokratischen EU-Abgeordneten
       Carlo Calenda und den Ministerpräsidenten der Emilia-Romagna und Liguriens,
       am Dienstag an die “lieben deutschen Freunde“. Sie fordern [3][Deutschland]
       auf, seinen Platz unter den “Institutionen mit den Werten von Freiheit und
       Solidarität“ wieder einzunehmen. Den Niederlanden werfen sie einen “Mangel
       an Ethik und Solidarität“ vor sowie ein Fiskalsystem, das “den wichtigen
       europäischen Ländern Steuereinnahmen entzieht“.
       
       Die Konfliktlinien dieses Streits stimmen mit denen der Eurokrise
       weitgehend überein. Es geht um den Zugang zum Europäischen
       Stabilitätsmechanismus (ESM), jenem 410 Milliarden Euro schweren
       Rettungsschirm, sowie der Einführung von Corona-Bonds, gemeinschaftlichen
       Anleihen der EU-Länder. Damit sollen auch hoch verschuldeten Staaten, die
       sich an Finanzmärkten kaum noch Geld leihen können, zur Virusbekämpfung
       zusätzliche Mittel offenstehen. Das unterstützen auch Frankreich, Belgien
       und Luxemburg.
       
       ## Konflikt auf den Punkt gebracht
       
       Regierungschef Mark Rutte betonte letzte Woche, Mittel aus dem ESM seien an
       Bedingungen gebunden. Das Argument, den einheimischen Steuerzahlern keine
       vermeintlich fremden Schulden aufzubürden, spielte zu Zeiten der Eurokrise
       in niederländischen Wahlkampagnen eine wichtige Rolle.
       
       Mit dem offenen Brief an Deutschland und der Aufforderung, die Seiten zu
       wechseln, werden die italienischen Unterzeichner kaum Gehör finden. Wohl
       bringen sie einen innerhalb Europas stets heftiger werdenden Konflikt auf
       den Punkt: “Die EU hat heute nicht die Mittel für eine gemeinsame Reaktion
       auf die Krise. Wenn sie aber jetzt nicht beweist, dass sie existiert, wird
       sie aufhören zu bestehen.“
       
       31 Mar 2020
       
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 (DIR) Tobias Müller
       
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