# taz.de -- Aktivist über Grundeinkommen: „Es würde die Angst nehmen“
       
       > Jomi Wagner engagiert sich für ein bedingungsloses Grundeinkommen in
       > Schleswig-Holstein. Er glaubt, davon könne die Gesellschaft profitieren.
       
 (IMG) Bild: Will den Menschen die Angst nehmen: Jomi Wagner
       
       Hamburg taz | Er hat schon in Marokko und Nepal gelebt. Zurzeit wohnt Jomi
       Wagner mit seiner Frau Isabel in [1][Nortorf], einem Örtchen im Zentrum von
       Schleswig-Holstein. Das Paar schreibt Bücher, außerdem ist Jomi – eine
       Abkürzung seiner Vornamen Johannes und Michael – Wagner als freiberuflicher
       [2][Lektor und Coach tätig] und managt eine Band. Ein bedingungsloses
       Grundeinkommen wäre „für unser Lebensmodell total sinnvoll“, sagt der
       34-Jährige. Schließlich weiß er nie, wie viel Geld er im nächsten Monat
       verdient oder ob er im kommenden Jahr vielleicht etwas ganz anderes tut.
       
       Jomi Wagner ist Koordinator der Kampagne [3][„Expedition Grundeinkommen“
       für Schleswig-Holstein], die einen befristeten Feldversuch fordert. Käme
       das Grundeinkommen, würde sich „praktisch an meinem Leben nicht viel
       ändern“, sagt er. Doch die Gesellschaft könne profitieren, wenn alle genug
       Geld für ein Leben oberhalb der Armutsgrenze hätten: „Es würde den Menschen
       die Angst nehmen.“
       
       Die Frage sei, „in was für einer Gesellschaft wir leben wollen“, meint
       Wagner. „Wenn ich morgens aus dem Haus gehe, will ich Leute treffen, die
       nur aus Angst vor Armut zur Arbeit gehen oder weil sie aus Freude an der
       Tätigkeit unterwegs sind?“
       
       Materielle Sicherheit könne Kreativität und Schwung freisetzen, glaubt
       Wagner. Dabei sieht er durchaus den Staat in der Pflicht. „Das Grundgesetz
       verspricht die Würde des Menschen. Doch für Würde und Teilhabe braucht es
       ein armutsfestes Grundeinkommen.“
       
       Der gebürtige Rendsburger hat in Heidelberg Germanistik und Geschichte auf
       Lehramt studiert. Neben dem Studium begann er, sich für studentische
       Belange zu engagieren, 2011 beteiligte er sich an dem Versuch des Vereins
       [4][„Mehr Demokratie“], Volksbegehren auch bundesweit zuzulassen. Seine
       angefangene Doktorarbeit ließ er sausen, stattdessen ging er auf Reisen und
       schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch. „Natürlich weiß man theoretisch,
       dass viele Menschen auf der Welt ohne soziale Absicherung und von der Hand
       in den Mund leben – aber das tatsächlich zu erfahren, ist etwas ganz
       anderes.“
       
       Die Idee des Grundeinkommens sah Wagner, der einige Jahre im Kieler Landtag
       als Mitarbeiter der Piraten-Abgeordneten [5][Angelika Beer] tätig war,
       lange „eher skeptisch“, wie er sagt. Vielleicht rührte sein Zögern auch
       daher, dass er die Debatte von zu Hause kennt: Sein Vater ist der ehemalige
       Grünen-Politiker [6][Arfst Wagner], der 2008 eine Bürgerinitiative für das
       bedingungslose Grundeinkommen gründete.
       
       Von 2015 bis 2017 war Wagner senior mit Ruth Kastner Landesvorsitzender der
       Grünen in Schleswig-Holstein. In diese Zeit fielen die Verhandlungen für
       die derzeitige Jamaika-Regierung – im Koalitionsvertrag findet sich der
       Hinweis aufs Grundeinkommen. Er habe das „hineinverhandelt“, sei aber
       später aus der Umsetzung „kaltgestellt worden“, sagte Arfst Wagner der taz.
       2018 trat er aus Protest aus der Partei aus, für das Grundeinkommen
       [7][engagiert er sich weiter].
       
       Über die aktuelle „Expedition Grundeinkommen“ seien sich Vater und Sohn
       einig, sagt Jomi Wagner, sie fänden den Ansatz beide gut. „Hier geht es
       darum, Modelle auszuprobieren, um auf Basis von Erkenntnissen zu sehen,
       welche Auswirkungen es hat.“ Der Vorschlag, zu dem nun Unterschriften
       gesammelt werden, lautet, Testregionen im Land auszusuchen, in denen
       Grundeinkommen vergeben werden. Die Teilnehmer*innen sollten regelmäßig
       befragt werden, um vergleichbare Ergebnisse zu erhalten. Dies sei ein
       „wissenschaftlicher Ansatz, kein sozialer“, sagt Wagner.
       
       Die Regierungsparteien in Kiel gehen zurzeit freilich einen anderen Weg:
       Sie gründeten ein [8][„Zukunftslabor“], in dem Expert*innen die
       verschiedene Arten „sozialer Sicherungssysteme“ diskutieren. „Alte Studien
       erneut auszuwerten und darüber zu sprechen, bringt doch gar nichts“, ärgert
       sich Jomi Wagner.
       
       Auch andere Befürworter*innen des Grundeinkommens sind enttäuscht. So
       bewarb sich Flensburg mit Unterstützung fast aller Fraktionen des Stadtrats
       darum, Modellregion zu werden. [9][Das Land lehnte mit Hinweis auf das
       Zukunftslabor ab].
       
       Hätte die „Expedition Grundeinkommen“ Erfolg, ginge es schneller – über
       8.600 Menschen in Schleswig-Holstein haben bisher unterschrieben, 24.000
       müssten es werden. Ob diese Zahl erreicht werden kann, ist allerdings
       fraglich – die Corona-Krise bringt auch bei der Unterschriftensammlung die
       Pläne durcheinander.
       
       Mehr zum bedingungslosen Grundeinkommen und seinem Potential für die
       Bewältigung von Krisen lesen Sie in der taz am Wochenende oder [10][hier].
       
       10 Apr 2020
       
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 (DIR) [1] https://www.amt-nortorfer-land.de/unsere-gemeinden/nortorf.html
 (DIR) [2] https://jomi-wagner.de/
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 (DIR) [4] /Mehr-Demokratie/!t5008923
 (DIR) [5] /Das-Ende-einer-Politkarriere/!5400010
 (DIR) [6] http://www.arfst-wagner.de/
 (DIR) [7] /Debatte-Grundeinkommen/!5563736
 (DIR) [8] https://www.isoe.org/projekte/laufende-projekte/zukunftslabor-schleswig-holstein-wissenschaftliche-koordination/
 (DIR) [9] https://www.grundeinkommen.de/23/06/2018/schleswig-holsteins-regierung-erteilt-bge-versuch-in-flensburg-eine-absage-2.html
 (DIR) [10] /Unser-eKiosk/!114771/
       
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 (DIR) Esther Geißlinger
       
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