# taz.de -- Corona im Gazastreifen: Das Virus bricht die Blockade
       
       > In Gaza sind die ersten an Covid-19 erkrankt. Die hohe Bevölkerungsdichte
       > und ein marodes Gesundheitssystem lassen nichts Gutes erahnen.
       
 (IMG) Bild: Palästinensische Freiwillige desinfizieren eine Strasse in Rafah
       
       Tel Aviv taz | „Die Angst hier ist wie im Krieg“, schreibt der Fotoreporter
       Mohammed Zaanoun der taz, „nur dass der Mörder unbekannt ist.“ Dabei hatte
       sich Zaanoun bis vergangenes Wochenende wie viele andere im Gazastreifen
       noch an die Hoffnung geklammert, dass der isolierte Küstenstreifen von der
       Coronakrise verschont bleiben würde.
       
       Denn kaum ein Gebiet ist so isoliert wie der von der Hamas regierte
       Gazastreifen, der sich [1][seit 2007 unter israelischer Blockade] befindet.
       Nur zwei Grenzübergänge in Gaza sind für den Personenverkehr vorgesehen:
       der Eres-Übergang nach Israel, den nur wenige Palästinenser*innen mit einer
       Ausnahmegenehmigung passieren können, und der Rafah-Übergang nach Ägypten.
       
       Doch mittlerweile sind die ersten zwei Coronafälle in Gaza bekannt
       geworden: Pakistan-Rückkehrer, die über den Rafah-Grenzübergang von Ägypten
       in den Gazastreifen einreisten, sind positiv getestet worden. Seitdem ist
       die Angst groß.
       
       Zaanouns Fotos zeugen von der Veränderung, die mit Bekanntwerden der zwei
       Coronainfizierten am Sonntag auf den Straßen stattgefunden hat. Zwar hatte
       die Hamas-Regierung bereits vor zwei Wochen Ausgangsbeschränkungen
       erlassen. Märkte, Restaurants, Cafés und Moscheen sind geschlossen; auch
       die Freitagsgebete sind abgesagt. Doch seit Sonntag sind auch die Straßen
       wie leergefegt, wie Zaanouns Fotos zeigen. Und selbst Packeseln werden
       Mundschutzmasken aufgesetzt.
       
       ## Quarantäne in Schulen und Hotels
       
       „Glücklicherweise waren die beiden Infizierten seit ihrer Einreise in
       Quarantäne“, sagt Gerald Rockenschaub, Leiter der
       Weltgesundheitsorganisation (WHO) für die palästinensischen Gebiete. Er
       unterstützt derzeit das Hamas-Gesundheitsministerium in der Coronakrise mit
       medizinischem Rat. „Das Risiko, dass sich das Virus von ihnen weiter
       ausbreitet, ist minimal.“ Die beiden Infizierten befinden sich derzeit in
       einer Quarantänestation am Grenzübergang Rafah.
       
       Seit dem 15. März müssen sich Personen, die einen der beiden Grenzübergänge
       passieren, in eine 14-tägige Quarantäne begeben. Insgesamt befinden sich
       rund 1.300 Menschen in Quarantäneunterkünften, einige von ihnen in Rafah,
       andere in zu Quarantänestationen umfunktionierten Schulen oder Hotels, die
       über den Gazastreifen verteilt sind. Weitere rund 2.100 Personen in dem
       Gebiet sind in häuslicher Quarantäne.
       
       „Die Hamas-Regierung kommt aufgrund der Blockade kaum hinterher, die
       Menschen in den Quarantäneunterkünften mit Nahrung zu versorgen“, sagt
       Mariam Puvogel, Büroleiterin der Hilfsorganisation Medico International in
       Israel und Palästina, gegenüber der taz. „Mitunter kommen
       Familienmitglieder, um Lebensmittel vorbeizubringen. Das stellt natürlich
       ein Infektionsrisiko dar.“
       
       Sollte es in dem eng besiedelten Gazastreifen zu einer Verbreitung des
       [2][Coronavirus wie in Italien] oder Spanien kommen, wären die Auswirkungen
       fatal. „Die Lebensbedingungen sind ohnehin schon hart“, schreibt Zaanoun,
       „es fehlt an den einfachsten Dingen.“ Im Durchschnitt hat ein Haushalt im
       Gazastreifen nur sechs bis acht Stunden Strom am Tag. Hinzu kommt die hohe
       Bevölkerungsdichte: Gaza-Stadt ist dreimal so dicht bevölkert wie Berlin.
       Zaanoun lebt mit seiner zwanzigköpfigen Familie in Gaza-Stadt, in einer
       Wohnung von 150 Quadratmetern.
       
       ## 50 bis 60 Beatmungsgeräte in Gaza
       
       Die Menschen im Gazastreifen wissen, wie schlecht das Land medizinisch
       versorgt ist. Seit Jahren warnen Hilfsorganisationen, dass das
       Gesundheitssystem des Gazastreifens am Rande des Zusammenbruchs steht. Es
       fehlt an medizinischem Personal und Ausrüstung.
       
       Nach Angaben des WHO-Direktors im Gazastreifen, Abdelnaser Soboh, verfügt
       das Gebiet mit seinen knapp 2 Millionen Einwohner*innen nur über 50 bis 60
       Beatmungsgeräte und rund 2.500 Krankenhausbetten insgesamt. Zum Vergleich:
       Hamburg hat bei einer ähnlichen Einwohnerzahl rund 12.000
       Krankenhausbetten.
       
       In Rafah wurde vergangene Woche ein Feldkrankenhaus aus Zelten und
       Containern aufgebaut, mit weiteren Betten für die Intensivversorgung. Doch
       sollte es tatsächlich zu einem Ausbruch kommen, wäre das kaum ausreichend.
       Benötigt würde dann weitere Unterstützung von der internationalen
       Gemeinschaft, sagt Gerald Rockenschaub von der WHO: „Es braucht Testkits,
       medizinische Ausrüstung und Schutzausrüstung für das Gesundheitspersonal.“
       
       24 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Judith Poppe
       
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