# taz.de -- Neuer Bericht an den Club of Rome: Nachhaltigkeit und Lebenswohl
       
       > Die Barrieren zwischen Wissen und Handeln müssen abgebaut werden. Dies
       > fordert der Physiker und Philosoph Christian Berg in seinem Bericht.
       
 (IMG) Bild: Mit dem Auto durch den Wald, um die Schönheit der Natur zu genießen
       
       Berlin taz | Ganze Bibliotheken wurden vollgeschrieben über die Zerstörung
       der Natur durch den Menschen und die außer Balance geratene Nachhaltigkeit.
       Und nebendran gleich die nächste Bücherflucht mit klugen Werken, wie denn
       die Lösung auszusehen hätte, wie Natur- und Zukunftsverträglichkeit zu
       erreichen wären. Dummerweise gibt es zwischen beiden Wissensräumen keine
       Verbindungstüre, weshalb die realen Fortschritte in der Politik der
       Nachhaltigkeit, angeführt von der UNO-“Agenda 2030“, so gering ausfallen.
       Diese These vertritt das neue Buch des „Club of Rome“, das der deutsche
       [1][Physiker und Philosoph Christian Berg] unter dem Titel [2][„Ist
       Nachhaltigkeit utopisch?“ (Oekom-Verlag, 2020)] vor Kurzem vorgestellt hat.
       
       Eigentlich war die Präsentation in der Uni Hamburg geplant, was aber durch
       die Corona-Schließung der Hochschulen ins Wasser fiel. Kurzerhand wich man
       ins Internet aus. Der Autor dozierte online, die Presse fragte per Chat.
       Bergs zentrale Aussage – „Wir befinden uns dauernd im Krisenmodus und sind
       nur mit dem Behandeln von Symptomen beschäftigt“ – wurde somit punktgenau
       bestätigt. Was aber tun?
       
       Um an die Wurzel der Probleme zu gelangen und dort Veränderungen in Gang zu
       setzen, muss Berg zufolge die Dichotomie zwischen Problemanalyse und
       Problemlösung aufgebrochen werden, die „Barrieren“, wie er die fehlende
       Verbindungstür zwischen Wissen und Handeln nennt, überwunden werden.„Wir
       haben ein Erkenntnisproblem zweiter Ordnung“, schreibt Berg. „Uns fehlt das
       Wissen für die Umsetzung“. Es gibt viel Literatur über die Defizite der
       Nachhaltigkeit – vom Klimawandel, Ressourcenverschwendung. Artensterben
       und Meeresvermüllung. „Aber es gibt kaum systematische Analysen, warum wir
       nicht nachhaltiger sind.“
       
       Also hat sich Berg an die Arbeit gemacht und den „Bericht an den Club of
       Rome“ verfasst, ein voluminöses Opus von 459 Seiten, das nun wirklich den
       kompletten Problem- und Lösungskosmos zwischen zwei Buchdeckel bringt, um
       darzustellen, so der Untertitel, „wie wir Barrieren überwinden und
       zukunftsfähig handeln“. Von Nutzen war ihm dabei sein beruflicher
       Hintergrund, unter anderem als Nachhaltigkeitsexperte beim deutschen
       [3][Softwarekonzern SAP] (was dort „Chief Sustainability Architect“ heißt)
       oder als Honorarprofessor für Nachhaltigkeit und Globalen Wandel an der
       Technischen Universität Clausthal.
       
       In der deutschen Landesgruppe des [4][Club of Rome] gehört er dem Präsidium
       an. Im Ursachenteil wird der komplette Fehlerpark aufgelistet, der
       Nachhaltigkeit heute verhindert: falsche Marktanreize, Politikversagen,
       fehlende Governance, Systemträgheiten oder moralische Defizite. „Der
       Übergang in eine nachhaltigere Gesellschaft ist wie ein Phasenübergang in
       der Natur von vielen Parametern abhängig“, schreibt der Wissenschaftler.
       „Wenn man nur eine Barriere adressiert, und sei es noch so energisch, aber
       die vielen anderen nicht berücksichtigt, macht man die Dinge vielleicht
       noch schlimmer“.
       
       ## Komplex denken
       
       Die Klimakrise werde nicht überwunden, wenn nur die Klimakrise adressiert
       werde. Erst komplex denken, um dann systemisch zu handeln, ist Bergs
       Botschaft: „Transformationen werden möglich, wenn an vielen verschiedenen
       Stellen und Ebenen ganz unterschiedliche Akteure zusammenwirken.“
       
       Ansätze zum Umschalten sind generell Perspektivwechsel in vielen Bereichen,
       ein nachhaltiger Konsum der Verbraucher, die Betonung von
       Verursacherprinzip und Vorsorgeprinzip, wie allgemein die „Faszination für
       die Wunder und die Schönheit der Natur zu kultivieren“. Das
       Mindestkriterium für die globalen Bemühungen um Nachhaltigkeit sollte nach
       Auffassung Bergs „der Erhalt der Erde und des Menschlichen“ sein.
       
       Aus dem Englischen „The future of terra and humanity“ formt er dafür den
       neuen Begriff „Futeranity“ oder auch „Lebenswohl“. Zum Knallerwort, wie
       derzeit „Corona“, wird er wohl kaum werden. Aber die Idee ist entscheidend:
       Prinzipien nachhaltigen Handelns zu entwickeln und zu verbreiten, „mit
       denen die Komplexität der Herausforderungen reduziert und konkretes Handeln
       möglich wird“, wie Berg es formuliert.
       
       6 Apr 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.christianberg.net/zur-person/
 (DIR) [2] https://www.oekom.de/buch/ist-nachhaltigkeit-utopisch-9783962381851?p=1
 (DIR) [3] /Neue-Vorstandsvorsitzende-bei-SAP/!5629107
 (DIR) [4] /Technologien-bedrohen-Menschheit/!5470752
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Manfred Ronzheimer
       
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