# taz.de -- Corona-Pandemie in Frankreich: Ex-Ministerin will gewarnt haben
       
       > Die französische Ex-Gesundheitsministerin kritisiert: Ihre Warnungen
       > wurden nicht ernst genommen. Die Regierung gerät in Erklärungsnot.
       
 (IMG) Bild: Ihr Warnruf verhallte angeblich ungehört: Agnes Buzyn
       
       Paris taz | Selbst in der Coronakrise kommt in Frankreich die politische
       Kontroverse nicht zum Erliegen. Ein brisantes Interview der früheren
       Gesundheitsministerin Agnès Buzyn, die bei [1][den Kommunalwahlen am 15.
       März] als Spitzenkandidatin der Regierungspartei La République en marche
       (LREM) angetreten ist, wirft einen Schatten auf die Staatsführung. Sie
       hatte an der Durchführung dieser Wahlen in ganz Frankreich festgehalten und
       sich dabei auf das wissenschaftliche Gutachten ihrer Experten berufen.
       
       Buzyn musste als Ersatz für den ursprünglichen, dann aber wegen eines
       Sexskandals ausgeschiedenen LREM-Spitzenmann [2][Benjamin Griveaux]
       einspringen. Am vergangenen Sonntag landete sie in Paris abgeschlagen auf
       dem dritten Platz. Die Stichwahlen sind auf frühestens Ende Juni vertagt
       worden.
       
       Im Nachhinein gesteht sie, dass sie als Verantwortliche für
       Gesundheitspolitik und vor ihrer Kandidatur sehr früh die dramatische
       Situation kommen sah: „Als ich das Ministerium verließ, weinte ich, weil
       ich wusste, dass uns ein Tsunami erreichen würde. Ich ging in dem
       Bewusstsein, dass die Wahlen nicht stattfinden würden.“
       
       Doch der Wahlgang wurde durchgeführt. Buzyn hatte sich keine Illusionen
       gemacht: „Von Beginn an dachte ich nur noch an das Coronavirus. Wir hätten
       das alles stoppen müssen, so war es eine Maskerade. Es war ein Albtraum.
       Ich ging mit Angst zu jeder der Wahlveranstaltung.“
       
       ## Nicht unter Druck gesetzt
       
       Sie betont aber, man habe sie nicht unter Druck gesetzt, als sie der
       Kandidatur zustimmte. Bisher lässt sie offen, ob sie auf der LREM-Liste
       beim zweiten Durchgang gegen die Sozialistin Anne Hidalgo und die
       Konservative Rachida Dati antritt. Sie bedauert jedoch, den Ausdruck
       „Maskerade“ gebraucht zu haben.
       
       Sie macht der Regierung und dem Staatschef im Gespräch mit Le Monde aber
       viel gravierendere Vorwürfe als die Durchführung der Wahlen. Sie
       beansprucht für sich, wegen des Covid-19 sehr früh Alarm geschlagen, damit
       aber kaum Gehör gefunden zu haben.
       
       Das Paradoxe an dieser Selbstrechtfertigung ist, dass Agnès Buzyn noch als
       Ministerin am 24. Januar im Fernsehen erklärt hatte: „Das Risiko einer
       Ausbreitung des Coronavirus in der (französischen) Bevölkerung ist sehr
       gering.“
       
       Die Oppositionsparteien haben sofort reagiert und verlangen aufgrund dieser
       Enthüllungen eine offizielle Stellungnahme der Staatsführung zu Buzyns
       Aussagen. Jean-Luc Mélenchon von der linken France insoumise ist
       „konsterniert“: „Stimmt das, was sie sagt? Wenn ja: Warum wurde nichts
       unternommen?“
       
       ## Gravierender Fehler
       
       Der Grüne David Belliard fordert eine parlamentarische Untersuchung, wenn
       die Covid-19-Krise überstanden ist: „Wenn es wahr ist, was Buzyn sagt, dann
       liegt ein gravierender Fehler der Staatsspitze vor.“
       
       Die Konservative Nadine Morano meinte: „Dieses Geständnis ist fürchterlich.
       Sie (Buzyn) wusste, dass der Tsunami kommt, und die Regierung hat nicht die
       nötigen Maßnahmen ergriffen, das wird wie der ganze Rest in Macrons Bilanz
       festgehalten werden.“ Die Regierungssprecherin Sybeth Ndiaye wollte die
       Äußerungen der Ex-Ministerin nicht kommentieren.
       
       18 Mar 2020
       
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