# taz.de -- Corona und unterwegs: Last Exit Austria
       
       > Gerade noch stoned am Strand, dann voller Ungewissheit. Protokoll einer
       > schwierigen Rückreise aus Ägypten in Zeiten der Coronakrise.
       
 (IMG) Bild: Nichts wie weg und schnell zum letzten Flieger
       
       Montagabend: 9. März 2020, Ras-Abu-Ghalum-Nationalpark, Sinai, unweit von
       Dahab, Ägypten. 
       
       Vollmond. Ich sitze am Roten Meer, Sterne am Himmel, es ist ein milder
       Abend fast ohne Wind, der sonst fast immer hier heftig weht, und schlürfe
       mein aus Dahab mitgebrachtes Dosenbier.
       
       David Oshra und Olga gesellen sich zu mir. Das Meer rauscht, wir sitzen am
       Strand, Joints werden herumgereicht. Alle Israelis scheinen zu kiffen.
       
       Sonntag, 8. März, 9 Uhr, Busbahnhof East Delta, Dahab. 
       
       Ich und wohl auch viele andere aus Europa machen sich schon seit Tagen
       Gedanken, ob sie nach Israel zurückkommen. Schon seit letzten Dienstag
       dürfen Deutsche, Schweizer, Österreicher, Franzosen und Spanier nicht mehr
       nach Israel einreisen. Aber darf man von dort aus zurückfliegen, wenn man
       aus Ägypten zurückkommt. Gemeinsam mit Françoise aus Frankreich und Tina
       aus Guatemala fahre ich Richtung Taba, der Grenze nach Israel. Ich möchte
       noch 2 Tage in Tarabin, Nuveiba, 60 km vor der Grenze bleiben. Die beiden
       anderen fahren weiter bis zur Grenze.
       
       Jürgen schickt mir aus Deutschland die Nachricht, dass der erste Deutsche
       in Hurghada, Ägypten gestorben ist. Ich solle möglichst bald nach Israel
       fahren. Dafür war es jedoch bereits zu spät. Israel hatte seine Grenzen für
       alle Nichtisraelis bereits geschlossen.
       
       Montag, 9. März, Tarabin, Soft Beach Camp. Sinai, Ägypten. Morgens bricht
       dann alles über mich herein. Was tun? Die Grenze nach Israel geschlossen,
       also Rückflug aus Ägypten. Das Internet ist hier zu langsam, um irgendeinen
       Flug buchen zu können. Also bucht Jürgen in Deutschland für mich einen Flug
       nach Frankfurt ab Sharm El-Scheich für den nächsten Tag. Alles gut? Ich
       denke schon. Warum nicht?
       
       Dienstagabend, 10. März, Dahab, Auski Camp, Sinai, Ägypten. 
       
       Angeblich fährt morgens um 8 Uhr ein Bus nach Sharm el Sheike.
       
       Mittwochmorgen, 11. März, Dahab um 6 Uhr morgens. 
       
       Unruhiges Wetter. Zu Fuß zum Busbahnhof. Der Bus, der um 8 Uhr fahren
       sollte, fährt um 9 Uhr. Ankunft 10.30 Uhr am Flughafen Sharm el-Sheik. Alle
       Passagiere stehen schon brav in der Schlange für den Check-in nach
       Frankfurt. Von meiner Airline Holiday Europe habe ich vorher auch noch nie
       gehört. Mal sehen.
       
       Es gibt Probleme. Der Mann beim Einchecken schaut auf meinen Pass und auf
       meinen Einreisestempel. Ein höher gestellter Mitarbeiter wird gesucht und
       dann wird der Flughafenchef angerufen. Unglaublich, nach langem Hin und Her
       darf ich nicht mitfliegen, da ich von Israel eingereist bin und auch über
       denselben Grenzübergang wieder zurückreisen muss. Ich muss eine Erklärung
       unterschreiben, dass mir die Ausreise verweigert worden ist. Mein Pass und
       Visum wird auch noch kopiert. Aber die Grenze ist doch zu?
       
       Ich habe zwar ein Rückflugticket ab Eilat, aber wie soll ich dorthin
       ausreisen? Nach Kairo darf ich mit meinem Visum nicht. Die Grenze nach
       Jordanien ist auch geschlossen. Jemand sagt mir, wenn man mit dem Taxi von
       der israelischen Grenze direkt zum Flughafen Eilat fährt, darf man 6
       Stunden vor dem Abflug in Israel einreisen.
       
       Also zurück Richtung Israel wieder am Roten Meer entlang. Mit Taxi, Lkw und
       zu Fuß – Busse fahren heute nicht mehr – nach Tarabin, Nuveiba. Um über die
       Grenze nach Israel zu kommen, braucht man neuerdings ein ausgedrucktes
       Flugticket. Ticket auf dem Handy reicht nicht. Einen Drucker hier zu
       finden, ist auch keine Kleinigkeit.
       
       Donnerstag, 12. April 2020, 
       
       5.30 Uhr, stehe ich an der Straße. Tatsächlich nimmt mich ein Minibus mit.
       Nachdem der erste Fahrer 100 Dollar für 60 km haben wollte, bot mit der
       zweite Fahrer an, mich kostenlos mitzunehmen. Er setzt mich 10 km vor der
       Grenze ab. Will jetzt doch Geld, aber ich habe nur noch 100 ägyptische
       Pfund und meine Kreditkarte. Zusammen mit einem russischen Paar bin ich
       schon um 7.30 Uhr an der Grenze.
       
       Vor zwei Tagen ist mein ägyptisches Visum abgelaufen. 1.530 Pfund Strafe.
       87 Euro. Zum Glück funktioniert der Geldautomat. Der Chef findet das
       richtige Fomular nicht. Super. 30 Minuten auf meinen Stempel gewartet.
       
       Israel ist hermetisch abgeriegelt. Ich werde einzeln hinter der Glasscheibe
       von den israelischen Grenzern interviewt. Habe ich Geschenke angenommen?
       Habe ich Ägypter kennengelernt? Instagram? Telefonnummern ausgetauscht? Ich
       verneine alles.
       
       Die Israelis haben eine mobile Krankenstation hier eingerichtet.
       Blutproben. Es wird auch ein Coronaschnelltest dabei durchgeführt. Gibt es
       den überhaupt? Negativ, nach zwei Stunden. Ab 17 Uhr wird auch diese Grenze
       endgültig für alle geschlossen werden.
       
       Wir werden mit dem Taxi direkt zum Flughafen Eilat befördert. Der
       Taxifahrer glaubt, dass der CIA oder der Mossad Corona in China verbreitet
       hat.
       
       Am Flughafen eine lange Schlange. Bei der Kontrolle noch mal die üblichen
       Fragen. Instagram? Kontakt mit Ägyptern? Wo habe ich gewohnt, habe ich
       Geschenke von Ägyptern angenommen und mitgenommen und so weiter.
       
       Gerade noch rechtzeitig zum Flug. Gerade so. Das Flugzeug startet 45
       Minuten vor der Abflugzeit.
       
       Der Flug geht nach Bratislava. Ich hatte eine Nachricht bekommen, dass
       heute die Grenze nach Österreich bereits geschlossen ist. Rückreisende
       müssen sich in Quarantäne begeben. Ich soll ein Taxi direkt zur Grenze
       nehmen.
       
       Auf dem Flughafen Bratislava tragen fast alle Masken. Fiebertest: alles
       okay. Ich steige in das Taxi ein, zu dem ein Flughafenmitarbeiter mich
       begleitet hat, und steige wieder aus. Es fährt noch ein Bus zum Bahnhof.
       Züge fahren nicht mehr nach Wien, aber es gibt noch einen Flixbus. Ich
       schaffe es wirklich bis nach Wien.
       
       Buche den Nachtbus nach Frankfurt für Samstag.
       
       Sonntag, 15. März, 2 Uhr nachts an der Grenze nach Bayern. Alle Passagiere
       müssen aussteigen und ihren Pass abgeben. Mir ist sehr kalt. Auf die
       Toilette darf man auch nicht. Einige Passagiere werden ewig interviewt und
       es gibt Leibesvisitationen. Auch bei mir. Kann man denn Corona in der
       Hosentasche finden? Alle müssen wieder einsteigen, warten und dann wieder
       aussteigen. Erst dann bekommen wir unsere Pässe zurück.
       
       De facto Ausgangssperre, aber das blüht uns vermutlich allen in der
       nächsten Zeit, auch in Frankfurt.
       
       22 Mar 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uwe Bulthaup
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Reiseland Ägypten
 (DIR) Reiseland Israel
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Lesestück Recherche und Reportage
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Corona-Krisengebiet Südtirol: Die letzten Gäste
       
       In Südtirol vertreibt das Coronavirus den Tourismus. Eine Woche in in der
       nun abgeschotteten italienischen Provinz.
       
 (DIR) Luftfahrt-Drehkreuz Frankfurt: Cancelled
       
       Leere Terminals, stillgelegte Flugzeuge, verunsicherte Beschäftigte: Corona
       hat die Luftfahrtbranche in die größte Krise ihrer Geschichte gestürzt.