# taz.de -- Neue Partei von Ali Babacan: Alternative für die Türkei
       
       > Eine Gruppe von AKP-Abspaltern um Ali Babacan will eine Alternative zur
       > Regierungspartei anbieten. Das könnte Erdoğan tatsächlich gefährlich
       > werden.
       
 (IMG) Bild: Ali Babacan
       
       Istanbul taz | Lange hat es gedauert, jetzt ist es so weit. Mitten in der
       außenpolitischen Krise um Syrien und [1][mit der EU] setzt ein ehemaliger
       enger Mitstreiter von Präsident Recep Tayyip Erdoğan den türkischen
       Alleinherrscher auch innenpolitisch unter Druck. Ali Babacan, einst Außen-
       und Wirtschaftsminister sowie Vize-Ministerpräsident, gründet eine neue
       Partei. Sie soll eine Alternative anbieten für Konservative und Liberale,
       die mit dem autoritären Regime Erdoğans unzufrieden sind.
       
       Die Partei, die „Demokratie und Aufschwung“ heißen soll, ist eine Gründung
       aus der AKP Erdoğans heraus. Babacan und etliche andere ehemals führende
       Leute der Präsidentenpartei haben die AKP im letzten Jahr verlassen, weil
       sie mit der Politik Erdoğans nicht mehr einverstanden sind.
       
       Unter ihnen ist auch [2][der deutsch-türkische Politiker Mustafa
       Yeneroğlu], ehemals im Vorstand der AKP, der insbesondere in Deutschland
       lange den Kopf für die aggressive Politik Erdoğans hingehalten hat und
       besonders in der deutsch-türkischen Krise 2017 als Erdoğan-Verteidiger
       durch die Talkshows getingelt war.
       
       Doch Yeneroğlu hatte schon länger Bauchschmerzen damit, die aggressive
       Politik der Staatsführung zu verteidigen, wie er in Hintergrundgesprächen
       seit Anfang letzten Jahres durchblicken ließ.
       
       Wie ihm ging es vielen in der AKP, und so heißt es denn nun auch im
       Gründungsaufruf der Partei, man wolle zurück zu den früheren Prinzipien der
       AKP, als die Partei noch für Demokratie und die Freiheit des Einzelnen
       stand. Die führenden Mitglieder der neuen Partei sind zumeist fromme
       Muslime, wollen aber eine strikte Trennung zwischen Staat und Religion, wie
       es ursprünglich auch die AKP versprochen hatte.
       
       ## Wohlstand unter Babacan
       
       Nachdem im Dezember letzten Jahres bereits [3][Ahmet Davutoğlu], ebenfalls
       früherer führender AKP-Politiker, schon eine neue Partei gegründet hatte,
       ist mit Babacan nun eine Gruppierung auf den Plan getreten, die nach
       Einschätzung der meisten Beobachter tatsächlich gefährlich werden könnte
       für Erdoğan.
       
       Babacan ist den meisten türkischen Wählern als der Vater des großen
       wirtschaftlichen Aufschwungs in den Jahren von 2002 bis 2012 in Erinnerung,
       als in der Türkei Wachstumsraten um die 10 Prozent für viele Bürger einen
       echten Wohlstandsgewinn brachten.
       
       Gerade jetzt, wo die Wirtschaftskrise die Türken mehr als alles andere
       beschäftigt, könnte Babacan zu einem Hoffnungsträger werden. Das sehen auch
       viele Industrielle so, weswegen sich Babacan und seine neue Partei der
       Unterstützung aus der Wirtschaft sicher sein kann.
       
       ## Vorgezogene Neuwahl?
       
       Erdoğan trifft die Parteigründung Babacans in einer kritischen Situation.
       Die Zustimmungswerte für ihn persönlich, aber vor allem für seine AKP
       sinken kontinuierlich, und ohne Unterstützung der Ultranationalisten von
       der MHP hätte er schon lange keine Mehrheit mehr im Parlament.
       
       Das von ihm mit der Brechstange durchgesetzte neue Präsidialsystem wird von
       mehr als der Hälfte der Bevölkerung abgelehnt, nicht nur aus ideologischen
       Gründen, sondern auch weil es nicht funktioniert. Erdoğan hat alle
       politischen Entscheidungen an sich gezogen, was dazu führt, dass sich nun
       im Präsidentenpalast die Akten stapeln und nichts entschieden wird –
       anstatt dass alles reibungsloser läuft, wie Erdoğan versprochen hatte.
       
       Babacan und Davutoğlu wollen die Präsidialverfassung wieder ändern und
       zurück zu einer parlamentarischen Demokratie. Dies sind auch die Ziele der
       Opposition von Sozialdemokraten und Kemalisten mit ihrem charismatischen
       Star [4][Ekrem İmamoğlu,] dem neuen Istanbuler Oberbürgermeister, sowie der
       kurdisch-linken HDP und der IYI-Partei.
       
       Wenn Babacan es schafft, dass einige AKP-Abgeordnete sich seiner neuen
       Partei anschließen, könnte es für Erdoğan schon bald eng werden. Schon
       jetzt wird in der Türkei ausgiebig über eine vorgezogene Neuwahl
       spekuliert. Regulär steht die nächste Parlamentswahl gleichzeitig mit der
       Präsidentschaftswahl 2023 an.
       
       11 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [4] /Kommentar-Tuerkische-Kommunalwahlen/!5605047
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
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