# taz.de -- UN-Beauftragter für Libyen: Der Vermittler schmeißt hin
       
       > Ghassan Salamé tritt zurück. Damit zieht er die Konsequenz aus dem
       > Scheitern des Berliner Friedensprozesses für Libyen.
       
 (IMG) Bild: Ghassan Salamé, UN-Beauftragter für Libyen, hat seinen Job geschmissen
       
       Tunis taz | Der UN-Beauftragte für Libyen, [1][Ghassan Salamé], tritt
       zurück. Er sei dem Stress nicht mehr gewachsen, verkündete der libanesische
       Diplomat am Dienstag auf Twitter. Das Büro des UN-Generalsekretariats
       bestätigte die für die libysche Öffentlichkeit völlig überraschende
       Ankündigung.
       
       „Ich habe über zwei Jahre lang versucht, die Libyer wieder
       zusammenzubringen, die ausländische Einmischung zu stoppen und die Einheit
       des Landes zu sichern“, schrieb Salamé.
       
       Im vergangenen Jahr hatte der 69-jährige Angela Merkel gebeten, sich aktiv
       in die Friedensbemühungen für Libyen einzuschalten. Der von deutschen
       Diplomaten entworfene „Berliner Prozess“ mündete schließlich im Januar 2020
       in eine [2][Libyen-Konferenz in Berlin], auf der zahlreiche Länder einem
       51-Punkte-Plan zur Befriedung Libyens zustimmten, aus dem so gut wie nichts
       geworden ist.
       
       Salamé übernahm die Leitung der UN-Unterstützungsmission für Libyen
       (Unsmil) im Juli 2017 vom deutschen Diplomaten Martin Kobler. Beide
       vereint, mit hohem persönlichen Einsatz einen Friedensprozess angestoßen,
       aber nicht zu Ende gebracht zu haben. Unter Kobler war die amtierende
       libysche Einheitsregierung von Premierminister Fajis Sarradsch in der
       Hauptstadt Tripolis ins Leben gerufen worden.
       
       Spätestens seit dem aktuellen Konflikt in Libyen, bei dem der abtrünnige
       General Chalifa Haftar große Teile des Landes unter seine Kontrolle
       gebracht hat, ist klar, an was die libyschen Kriegsparteien glauben: eine
       militärische Lösung des Libyen-Konfliktes.
       
       Die UN-Mission erscheint ähnlich machtlos wie die Sarradsch-Regierung in
       Tripolis, die zwar international anerkannt ist, aber tatsächlich nicht
       einmal ganz Tripolis kontrolliert. Wie Sarradsch sind auch Salamé und seine
       mehr als 300 UN-Mitarbeiter schon bei Fahrten durch die libysche Hauptstadt
       vom guten Willen der Milizen abhängig.
       
       Auf beiden Seiten der Front wird trotz des geltenden UN-Waffenembargos und
       der Beschlüsse von Berlin [3][aufgerüstet wie nie zuvor]. Salamé beklagte
       immerhin die Doppelzüngigkeit der internationalen Partner der libyschen
       Kriegsparteien lauter als viele andere.
       
       Zuletzt hatte seine Mission die sogenannten „5 plus 5“-Gespräche in Genf
       geleitet, die Offiziere der „Libyschen Nationalarmee“ (LNA) von Haftar und
       der mit der Einheitsregierung verbündeten westlibyschen Stadtmilizen an
       einen Tisch bringen sollte. Zwar fanden die ersten beiden Runden statt,
       doch in getrennten Räumen; zu persönlichen Treffen waren die Delegationen
       noch nicht bereit. Nach wiederholten LNA-Raketenangriffen auf den Flughafen
       von Tripolis [4][setzte Regierungschef Sarradsch schließlich die Teilnahme
       seiner Delegation aus].
       
       ## Libyen ist gespaltener denn je
       
       Mit der aktuellen militärischen Eskalation ist auch der Berliner Prozess in
       Gefahr. Denn ohne einen schriftlichen Waffenstillstand erscheint eine
       Friedenskonferenz, wie in Berlin anvisiert, unmöglich. Politiker,
       Stammesälteste, Aktivisten oder Offiziere werden in Libyen als Verräter
       gebrandmarkt, wenn sie moderate Äußerungen über die Gegenseite wagen. Wohl
       nie war Libyen gespaltener als jetzt.
       
       Salamé genoss in Libyen Respekt; er fand als ehemaliger libanesischer
       Kulturminister oft die richtige Ansprache und als Angehöriger der
       griechisch-katholischen Minderheit setzte er oft die richtigen Akzente,
       denn auch in Libyens Machtkampf geht es um Rechte von Regionen und
       Minderheiten.
       
       Doch für eine Friedenskonferenz fehlte Salamé die internationale
       Unterstützung der Staatengemeinschaft. Die Golfstaaten, Russland, die
       Türkei, Frankreich und Italien haben aus dem Streit um Afrikas größte Öl-
       und Gasvorräte einen Stellvertreterkrieg um die Macht in Libyen gemacht.
       
       Stunden bevor Salamé zusammen mit UN-Generalsekretär António Guterres am 4.
       April 2019 eine Friedenskonferenz in Tripolis verkünden wollte, startete
       Haftar seine Offensive auf die Hauptstadt. Elf Monate später hat Ghassan
       Salamé aus seiner Ohnmacht die Konsequenzen gezogen.
       
       3 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Krieg-in-Libyen/!5655810/
 (DIR) [2] /Libyen-Konferenz-in-Berlin/!5657700/
 (DIR) [3] /Kaempfe-und-Waffenfluege/!5660471/
 (DIR) [4] /Haftars-Rebellen-greifen-an/!5665110/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Mirco Keilberth
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Libyenkrieg
 (DIR) Fajes al-Sarradsch
 (DIR) Chalifa Haftar
 (DIR) Tripolis
 (DIR) Uno
 (DIR) Schwerpunkt Libyenkrieg
 (DIR) Schwerpunkt Libyenkrieg
 (DIR) Schwerpunkt Libyenkrieg
 (DIR) Libyen
 (DIR) Tunesien
 (DIR) Libyen
 (DIR) Schwerpunkt Libyenkrieg
 (DIR) Schwerpunkt Libyenkrieg
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Krieg um Libyens Hauptstadt beendet: Durchatmen und durchladen
       
       Die regierungstreuen Milizen in Tripolis feiern ihren Sieg über die
       Haftar-Rebellen. Nun tobt die nächste Schlacht: um Gaddafis Heimatort
       Sirte.
       
 (DIR) Türkisches Eingreifen in Libyen: Scheitert Haftars Krieg?
       
       Das militärische Eingreifen der Türkei stärkt die Regierung in Tripolis.
       Haftars Rebellen verlieren Städte und nun sind ihre Nachschubwege bedroht.
       
 (DIR) Schwere Kämpfe in Libyen: Regierung in Tripolis umzingelt
       
       Haftar-Rebellen schlagen den Versuch eines Befreiungsschlages durch
       Regierungsmilizen zurück. Jetzt stehen sie an der Grenze zu Tunesien
       
 (DIR) Corona in Libyen: Ein Gegner mehr
       
       Das Bürgerkriegsland ist auf die Pandemie unvorbereitet, muss aber jetzt
       damit umgehen. Vor allem die Flüchtlinge sind schutzlos.
       
 (DIR) Geflüchtete in Tunesien: Der Traum von Europa versandet
       
       Tunesien plant ein Flüchtlingslager nahe der Grenze zu Libyen. Das ist im
       Sinne der EU, die ihre Grenzauslagerung nach Afrika weiter vorantreibt.
       
 (DIR) Einsatz im Mittelmeer: Embargo gegen Libyens Warlords
       
       Die EU will mit einer neuen Militärmission die Einhaltung des
       Waffenembargos in Libyen überwachen. Kann das gelingen?
       
 (DIR) Kolumne Afrobeat: Gaddafis langer Schatten
       
       Warum schürt Frankreich den Bürgerkrieg in Libyen? Das könnte mit der
       Geschichte libyschen Schwarzgeldes in Paris zu tun haben.
       
 (DIR) Ex-UN-Beauftragter über Libyenkrieg: „Eine aktivere Haltung Europas“
       
       Die Berliner Libyen-Konferenz war ein Novum, sagt Martin Kobler. Doch die
       Beschlüsse offenbaren Lücken. Eine militärische Lösung sieht er nicht.