# taz.de -- Fußball zu Pandemie-Zeiten: Vom großen Kick der Krise
       
       > Worüber wir reden, wenn wir uns in diesen Tagen über Sport unterhalten.
       > Es geht um Verantwortung und um Prioritäten.
       
 (IMG) Bild: Verstoß gegen Quarantäne-Bestimmungen? Luca Jovic von Real Madrid droht eine Anzeige
       
       Auf die Fifa ist noch Verlass. Sie tröstet uns. Ab Samstag stellt sie
       [1][legendäre WM-Spiele auf ihre Website]. Die werden wir natürlich alle
       anschauen, weil ja sonst nichts läuft. Der Ligasport ist von der Bildfläche
       verschwunden und lässt ein Publikum zurück, das den Sportentzug erst noch
       verkraften muss. Der Eventfußball hat sich als Unterhaltungsclown verzipft,
       wird nicht mehr gebraucht, weil anderes jetzt wichtiger ist.
       
       Trotzdem hält die Öffentlichkeit an ihrer Fußballobsession fest, um eine
       Leerstelle zu füllen; um den Phantomschmerz des vorübergehenden Verlustes
       erträglicher zu gestalten. Corona ist dafür wunderbar geeignet, es ist
       neben allen furchtbaren Folgen, die Sars-CoV-2 zeitigt, auch ein
       boulevardeskes Virus.
       
       Wir reden in diesen merkwürdigen Tagen eher nicht über die
       Supermarktkassiererin, die ohne Maske und Handschuhe acht Stunden in ihrem
       Kassenkobel sitzt und auch den letzten von 400 Kunden noch freundlich
       begrüßt. Wir reden eher nicht über die Altenbetreuerin, die bei ihren
       Leutchen im Heim übernachtet, um sie optimal zu betreuen und keine
       gefährliche Mikrobenlast in die Einrichtung einzuschleppen. Wir reden eher
       nicht über den Paketzusteller, der gleichfalls völlig ungeschützt an
       Dutzenden Türen klingelt und wie immer seine Pakete schleppt.
       
       Wir reden über Fußball.
       
       Wir reden mit einem Schauder des Entsetzens über [2][Luka Jović], den
       millionenschweren Fußballer von Real Madrid, der nach Serbien, in seine
       Heimat, reist und dort die 14-tägige Quarantäne bricht, sich angeblich in
       Clubs herumtreibt. Der Staatsanwalt wolle sich um den Fall kümmern, heißt
       es. Jović hat sich vor seinem Flug testen lassen. Er war negativ. Es stellt
       sich die Frage nach den Privilegien von Profifußballern in Zeiten des
       Notstands. Haben sie leichteren Zugang zu Tests, während der Kassiererin
       gesagt wird, sie hätte keinen Anspruch, weil sie keinen Kontakt zu einem
       Positiven und nur ein leichtes Hüsteln hätte?
       
       ## Traingsbetrieb, Spieltage, Egoismus
       
       Wir regen uns über den FC Augsburg auf und AS Rom, Mannschaften, die in den
       kommenden Tagen ihren Trainingsbetrieb wieder aufnehmen wollen,
       wohlwissend, dass sie einen Wettbewerb, von dem keiner weiß, wann er wieder
       anläuft, verzerren. Wir regen uns über den Egoismus eines Aki Watzke auf
       und die Kurzsichtigkeit der Deutschen Fußball-Liga.
       
       Wir reden über Fußball.
       
       Wir reden über die Halsstarrigkeit der russischen und türkischen
       Fußballligen, und wir reden nun auch über einen Fußball, der sich mit den
       Problemen der Niederungen herumschlagen muss: mit Arbeitnehmernöten, mit
       fristlosen Kündigungen und Kurzarbeit. Die Fans schauen auf die oft
       gescholtenen „Millionarios“ wie Bunte-Leser auf den blaublütigen
       Wildpinkler und dürfen sich mit ihrem Schicksal nicht so allein fühlen.
       
       Wir reden über Fußball.
       
       Wir reden darüber, weil wir nicht anders können. Weil sich im Fußball
       Zeitgeschehen verdichtet. Weil er Arten und Unarten, Menschliches und
       Allzumenschliches stärker herausstellt. Und wir reden nicht nur über die
       Verantwortungslosigkeit von Kickern, das Negative, sondern auch von
       Vorbildern, die verstanden haben, um was es jetzt geht.
       
       ## Spenden versus Privilegien
       
       Da gibt es zum Beispiel Profis von [3][Borussia Mönchengladbach] und
       Eintracht Frankfurt, die auf einen Teil ihres Gehalts verzichten wollen. Es
       gibt einen Franck Ribery, der 50.000 Euro an italienische Krankenhäuser
       spendet. Diese Spieler haben verstanden, dass sie neben ihren Privilegien
       auch ihren Kontostand checken müssen.
       
       Spieler wie Luka Jović, also die Crème de la Crème des internationalen
       Riesengeschäfts Fußball, stehen in der Pflicht. Sie müssen teilen. Sie
       müssen vorbildhaft vorangehen. Sie müssen Charakter zeigen.
       
       Ist schwer, schon klar, aber deswegen reden wir ja über Fußball.
       
       20 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://de.fifa.com/worldcup/news/die-fifa-offnet-ihr-video-archiv-um-den-fussball
 (DIR) [2] https://www.sportbuzzer.de/artikel/luka-jovic-quarantane-unterbrechung-arger-serbien-vater-real-madrid-reaktionen/
 (DIR) [3] https://www.sportbuzzer.de/artikel/luka-jovic-quarantane-unterbrechung-arger-serbien-vater-real-madrid-reaktionen/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Völker
       
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