# taz.de -- Bitte Abstand halten: Corona!: Kein Ausdruck von Reife
       
       > Abiturienten ziehen Arm in Arm feiernd durch die Parks, Eltern begrüßen
       > sich auf Kindergeburtstagen mit Küsschen: Ist Abstand halten so schwer?
       
 (IMG) Bild: Zu nah? Berliner*innen im Volkspark Schöneberg am Montag
       
       Eine Straßenecke knapp 200 Meter von einem Gymnasium im Südwesten der
       Stadt: 30, 40 junge Menschen, kostümiert, Arm in Arm, Flaschen in der Hand,
       laut „Abitur“ rufend.
       
       Eigentlich ein schöner Anblick – junge Leute, die den letzten Schultag vor
       ihren ebensolchen Prüfungen feiern. In Zeiten von Corona aber ein
       trauriger, der von absoluter Ignoranz zeugt. Schon mehrere Tage liegt der
       dringliche Aufruf der Kanzlerin zurück, auf Sozialkontakte zu verzichten.
       Schier fusselig haben sich Mediziner und Politiker den Mund geredet, um
       klarzumachen: Es braucht keine Symptome, um Virenträger zu sein, jeder und
       jede kann unbewusst andere anstecken, bitte auf Abstand gehen.
       
       Doch nun eben „Hurra, Abitur“ und Umarmen. Eine Reifeprüfung soll das
       Abitur sein, doch man ist geneigt, dieser Gruppe die Reife abzusprechen.
       Eine Reife nämlich, die mehr ist als eine Mindestpunktzahl für die
       Abiturzulassung: eine, die das Denken über den eigenen Tellerrand und die
       eigene Gesundheit hinaus umfasst und einen Wert wie Solidarität beinhaltet.
       
       Es sind auch die, die tags zuvor die Liegewiese im Volkspark Friedrichshain
       dicht gedrängt bevölkerten, es sind die Eltern, die beim Abholen ihrer
       Kinder vom Geburtstag noch immer nicht darauf verzichten, die Gastgeber zu
       umarmen. Die maximal ironisch-distanziert den Handschlag durch einen
       Ellenbogen-Check ersetzen und immer noch von „übertriebenen Maßnahmen“ und
       „Panikmache“ reden. Oder die, die die nun geschlossene Kneipe verließen und
       nebenan im Späti in Gruppen weiter tranken.
       
       Haben die alle keine Eltern oder Großeltern, die mal kränkeln? Oder eine
       alte Nachbarin, die jeden Winter flachliegt? Jene Menschen also, die man
       als Erste mit den Füßen voran zur Tür heraustragen wird, wenn sich Corona
       nicht eindämmen lässt? Theoretisch ja, emotional offenbar nicht.
       
       ## Kein Riesenopfer
       
       Und das betrifft sichtlich nicht nur jene Schülergruppe, die Menschen im
       Park und die ironischen Kindergeburtstagseltern, sondern viele, viele mehr.
       Sonst hätte sich Bundespräsident Steinmeier jetzt nicht genötigt gesehen,
       in einer Videobotschaft Solidarität mit Alten und Schwachen einzufordern –
       „sagen Sie nicht: Ich bin jung und stark, mich trifft das nicht!“
       
       Selbst wenn das alles am Ende nicht helfen sollte – ist es so ein
       Riesenopfer, für zumindest die Möglichkeit, dass es Leben rettet, die große
       Party zwei, drei Monate zu verschieben oder sich mal nur zuzuwinken und auf
       zwei Meter Abstand zu bleiben?
       
       Andere Dinge sind tatsächlich schmerzlich – Verdienstausfall vor allem.
       Aber gerade der ist noch schmerzlicher, wenn er vergebens ist, weil
       konterkariert durch das, was sich eben an der Schule, im Park oder beim
       Kindergeburtstag gezeigt hat: fehlende Reife und keine Einsicht, dass „Wir
       Berliner schaffen das“ nicht heißt, seinen individuellen way of life
       einfach weiter durchzuziehen.
       
       17 Mar 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Alberti
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Abitur
 (DIR) Frank-Walter Steinmeier
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Einkaufen
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Sandra Scheeres
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Abitur in der Coronakrise: Ungeprüft ins Leben?
       
       Die diesjährigen Abiturient:innen könnten ihr Abitur ohne Prüfungen
       bekommen. Auch wenn sich das viele wünschen, eine gute Idee ist es nicht.
       
 (DIR) Shutdown wegen Corona-Pandemie: Berlin ist nicht ganz dicht
       
       Nur noch Supermärkte und Läden des täglichen Bedarfs wie Baumärkte sind ab
       Mittwoch geöffnet. Eine Stadtbegehung.
       
 (DIR) Wien in Zeiten der Corona-Krise: Gesperrte Schönheit
       
       Kein Kaffeehaus geöffnet, Schloss Schönbrunn geschlossen, Touristen
       vereinsamt: Wie Wien im Kampf gegen das Virus den Ausnahmezustand probt.
       
 (DIR) Studium in der Corona-Pandemie: Auslandssemester von zu Hause
       
       Wegen der Corona-Epidemie müssen viele Studierende ihren Austausch
       abbrechen. So auch Politikstudentin Marlene Joger, die nun wieder zu Hause
       sitzt.
       
 (DIR) Datenschutz in der Corona-Krise: Dem Virus auf der Spur
       
       Könnten Handy-Ortungen und Funkzellenabfragen auch in Deutschland ein
       probates Mittel sein, um das Coronavirus einzudämmen?
       
 (DIR) Senat verschärft Kampf gegen Corona: Spielplätze bleiben offen
       
       Berlin will ein Corona-Krankenhaus mit 1.000 Betten bauen. Viele Geschäfte
       werden geschlossen. Spielplätze hingegen werden nicht gesperrt.
       
 (DIR) Corona in Berlin und das Schulsystem: „Es fehlen die Lernorte“
       
       Nicht alle SchülerInnen haben zu Hause gute Lernbedingungen. Die
       Schulschließung verstärke deren Benachteiligung, erklärt eine Neuköllner
       Lehrerin.
       
 (DIR) Europa im Corona-Schock: Gemeinsam durch die Krise
       
       Das Corona-Virus legt die europäischen Hauptstädte lahm, Grenzen werden
       geschlossen. Wie gehen die Menschen damit um? Ein Blick in vier Metropolen.
       
 (DIR) Corona: Geschlossene Schulen in Berlin: Erste Prüfungen verschoben
       
       Die Tests zum Mittleren Schulabschluss sollen statt am 21. April erst im
       Mai stattfinden. Abitur-Termine bleiben unverändert.