# taz.de -- Champions League: 15 Minuten des Exorzismus
       
       > Manchester City gewinnt bei Real Madrid endlich wieder ein großes Spiel.
       > Die taktische Vorgabe dafür, auf großen Fußball zu verzichten, ist neu.
       
 (IMG) Bild: Lob für Zurückhaltung: Pep Guardiola (l.) richtet sein Team nach dem Gegner aus
       
       Plötzlich war es totenstill im Estadio Santiago Bernabéu, nur aus einer
       dunklen Ecke im Oberrang kamen die Jubelschreie der Fans von Manchester
       City. Quasi aus dem Off – so wie auch dieses Tor der Engländer im
       Champions-League-Achtelfinale bei Real Madrid in der 78. Minute durch
       Gabriel Jesus. Der 1:1-Ausgleich fiel gegen das Skript der Geschichte, das
       zuvor akkurat befolgt worden war: Rekordchampion gegen Parvenü, ohne
       wirklich besser zu spielen, führte Real. Same old story, so schien es.
       
       Doch nachdem die ewigen Europacup-Versager von Trainer Pep Guardiola ihren
       Dämonen den ersten Stoß versetzt hatten, gab es kein Halten mehr. Wenig
       später verwandelte Kevin de Bruyne einen Elfmeter, dann provozierte Jesus
       eine Rote Karte für Sergio Ramos, und am Ende dieser Viertelstunde des
       Exorzismus hätte City das Spiel klarer gewinnen können als 2:1.
       
       „Für uns ist ein Sieg im Bernabéu eine große Genugtuung“, sagte danach
       der Trainer eines Vereins, der in der Champions League trotz
       [1][Milliardeninvestitionen aus Abu Dhabi] nie mehr als das Halbfinale
       (2016) erreichte. „Hoffentlich hilft er uns, in der Zukunft daran zu
       glauben, dass wir in jedem Stadion so spielen können.“
       
       Das ersehnte Statement auf europäischer Bühne war zuvorderst eines für
       Guardiola, der wegen seiner Vergangenheit beim FC Barcelona und seines
       Eintretens für die katalanische Unabhängigkeit nicht unbedingt zu den
       Lieblingen des Bernabéu zählt: Vor Anpfiff erhielt er das größte
       Pfeifkonzert des gesamten Abends. Nur zu gern hätte man Guardiola hier
       wieder scheitern gesehen, so wie 2014 im Halbfinale mit den Bayern und wie
       danach Jahr für Jahr. Je schlechter es lief, desto mehr verstrickte er sich
       in bisweilen übertriebenen Coaching-Interventionen. Oft schien er die
       eigene Mannschaft mehr zu verunsichern als den Gegner.
       
       „Selbst wir Spieler wissen bis Anpfiff manchmal nicht wirklich, was wir tun
       sollen“, bestätigte der überragende Kevin de Bruyne auch, nachdem es
       diesmal gutgegangen war. Im Bernabéu verblüffte Guardiola konkret durch
       die Positionierung des einzigen Stürmers Jesus auf Linksaußen und generell
       durch eine in der ersten Halbzeit sehr konservative Ausrichtung, die
       offenbar auch von seinen Erfahrungen mit der Madrider Konterstärke beim
       2014er Desaster (0:1, 0:4) genährt war.
       
       ## Gelöster Guardiola
       
       City wirkte nicht wie ein Guardiola-Team, und weil ein gealtertes Real ohne
       Cristiano Ronaldo auch nicht mehr kann wie einst, war die Partie ein
       rechter Langweiler, bis die Madrilenen nach einem Ballverlust Citys durch
       Isco zur Führung kamen (60.). Zu diesem Zeitpunkt hatte Guardiola bereits
       auf eine mutigere Herangehensweise umgestellt, und die bedeutete eben auch
       Fehler.
       
       Guardiola konnte endlich mal wieder als Gewinner eines großen Spiels den
       Pressesaal betreten. Er wirkte entsprechend gelöst, gab extensive Einblicke
       in seinen Matchplan und verteidigte seine Methode, die Taktik in großen
       Matches am Gegner auszurichten. „Ich habe die Pflicht, meinen Spielern zu
       sagen, was passieren wird.“ Im vorliegenden Fall sei es nun mal so, dass
       Madrid in der Mitte sehr aggressiv und erfolgreich gegen den Ball arbeite.
       „Und dann musst du das Spiel in die Breite ziehen.“ Daher Jesus auf
       Linksaußen – wobei die Tore erst fielen, als er mit dem eingewechselten
       Raheem Sterling einen echten Flügelstürmer dorthin stellte.
       
       Egal, „ich bekomme jetzt die Komplimente, weil wir gewonnen haben“,
       erkannte Guardiola. Der Part der Kritik ging dafür an sein Gegenüber
       Zinédine Zidane, insbesondere wegen seiner Missachtung von [2][Toni Kroos].
       Dass er den Deutschen anfangs auf der Bank ließ, war noch nachvollziehbar;
       nicht aber, dass er ihn nicht mal brachte, als der Spielverlauf geradezu
       nach ihm schrie, weil Real die Kontrolle verlor und keine Passwege mehr
       fand.
       
       Die Stimmung im Bernabéu nach dem Schlusspfiff konnte fatalistischer kaum
       sein. Niederlagen von Real verlieren ihren Besonderheitswert, besonders in
       großen Spielen und besonders zu Hause. Vor wenigen Wochen nahm auch Real
       Sociedad San Sebastián im spanischen Pokal die einstige Festung (4:3), in
       der Liga kommt ausgerechnet jetzt am Sonntag mit zwei Punkten Vorsprung der
       FC Barcelona. Mithin: Lionel Messi, und der hat ihnen in der Vergangenheit
       noch mehr Schmerz bereitet als Guardiola.
       
       27 Feb 2020
       
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