# taz.de -- Erzählungen aus Irland: Traurige junge Frauen
       
       > Kaputtheit, die sich selbst feiert: Nicole Flatterys Erzählungen „Zeig
       > ihnen, wie man Spaß hat“ schildern das Leben in den Wüsten des
       > Neoliberalen.
       
 (IMG) Bild: Neoliberale Trümmerwelten, Ort fast egal: Niedergebrannte Tankstelle im Iran
       
       Im Eimer sein geht also auch auf Irisch. Nicole Flattery ist
       Schriftstellerin, Jahrgang 1980 und Irin, und sie schreibt Kurzgeschichten,
       wie man sie eher aus neuen nordamerikanischen Schreibschulen kennt. Es gab
       insbesondere in den letzten fünf Jahren zahlreiche US-amerikanische
       Autorinnen, die einen geschliffenen Stil pflegten und dabei vom kaputten
       Leben erzählten, mal hart, mal einfühlsamer, man denke an Mary Miller,
       Elizabeth Ellen oder [1][Kristen Roupenian], die mit einer Geschichte über
       Belästigung im Zuge der #MeToo-Debatten erfolgreich wurde.
       
       Nicole Flattery reiht sich da aufs Beste ein; das Irische muss man dabei
       schon suchen in den acht Kurzgeschichten, die nach der Erstveröffentlichung
       im letzten Jahr jetzt auch auf Deutsch unter dem Titel „Zeig Ihnen, wie man
       Spaß hat“ vorliegen (weitgehend solide Übersetzung: Tanja Handels).
       
       Es geht also hübsch kaputt zu in einer Welt, die aus prekären Jobs an
       Tankstellen, in Büros oder aus nur halb freiwilligen Abenteuern auf den
       Teppichböden des Sprechstundenzimmers eines Universitätsprofessors
       bestehen. Eine Welt, wie man sie nur allzu gut kennt. Eine Zwischenwelt
       voller toter Unorte, bei der es auch fast egal ist, wo genau sie
       stattfindet, ob in Irland, Frankreich oder eben den USA; das einzige, was
       nach Europa klingt, sind vielleicht die Referenzen, die Namen von Autoren
       und Filmemachern aus dem letzten Jahrhundert, die Flattery hie und da mal
       droppt. Ansonsten stellt man sich am besten junge Frauen in der Wüste des
       Neoliberalismus vor, dann hat man die Szenerien gut verortet. Wobei es so
       explizit, so politisch natürlich nicht zugeht bei Nicole Flattery.
       
       Dabei ist dieses Kaputte nicht nur im Außen, sondern vor allem auch im
       Innen zu finden. Im Inneren ihrer durchgehend weiblichen Hauptfiguren, die
       alle verschiedene Namen tragen und durchaus durch verschiedene Umständen
       vagieren. Allein, es bleibt sich am Ende alles gleich: Das Leben ist hart,
       aber trist. Die Bemühungen, Liebe zu finden oder Anerkennung oder etwas
       dazwischen, landet meist in diesem Dazwischen. Also irgendwo im Nichts.
       
       Die Protagonistinnen sind gezeichnete, narzisstisch oder sonst wie gestörte
       Figuren, die von sich selbst zwar viel Oberfläche wahrnehmen, in Sachen
       Analyse aber lieber vorsichtig bleiben, schließlich lieben sie auch alle
       ihr Symptom. Es ist also eine Kaputtheit, die sich selbst liebt und feiert,
       und zwar anhand schön geschliffener Sätze, die gern einmal auf
       schwarzhumorige Pointen hinauslaufen.
       
       ## Spiegel-Spiel in der weltenden Welt
       
       Beispiele? Bitte: „Ich hielt mich für einigermaßen tolerant anderen
       Menschen gegenüber […] Die jungen Leute nahm ich mit, um meine
       Unifreundinnen zu treffen, schöne, traurige junge Frauen, die sich wie
       Witwen anzogen und behaupteten, die Welt habe sie brutal zerdrückt wie
       Streichholzschachteln. […] Die Männer […] beteiligten sich nie am Gespräch.
       Sie sahen mich einfach nur an, als wäre das ihre Aufgabe.“
       
       Die Männer kommen bei Flattery insgesamt aber gar nicht mal so schlecht
       weg. Und das, obwohl sie meistens schwach und mindestens so verpeilt sind
       wie die Protagonistinnen, die wiederum durch die Geschichten hinweg die
       Schwäche haben, sich zu ähnlich, oder schöner ausgedrückt: sich zu
       selbstähnlich zu sein.
       
       Schwache Frauen mit begrenzten Selbstwertgefühlen, aber Erfahrungen von
       Entgrenzung in jeder möglichen Dimension treffen auf schwächliche Männer,
       Väter, Kollegen, Chefs, die ebenso auf unsicheren Füßen zu stehen scheinen
       und sich eher wie Blinde auf hohen Brücken durch die Welt bewegen. Man
       trifft sich, nutzt sich ein bisschen aus, scheitert in Sachen
       Kommunikation, bewegt sich wieder voneinander weg. Man kennt das: Leben im
       21. Jahrhundert (wobei soziale Medien, dies nur nebenbei, in diesem
       durchaus rasch lesbaren Buch keine besondere Rolle spielen).
       
       In der zentralen, auch längsten Geschichte, „Abtreibung: eine
       Liebesgeschichte“, werden zwei davon sogar ineinander, miteinander
       gespiegelt. Lucy ist Natasha und umgekehrt, großen Unterschied macht dieses
       „Spiegel-Spiel“ (Heidegger) nicht. Nicole Flatterys junge Frauen sind
       verspult, in sich gefangen, irgendwie unglücklich, ohne Ahnung von den
       tieferen Gründen. Macht aber nichts, liest sich vielleicht auch deswegen so
       geil.
       
       16 Feb 2020
       
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