# taz.de -- Kämpfe und Waffenflüge: Libyens Krieg geht weiter
       
       > Auch nach der Berliner Konferenz wird gekämpft, das Waffenembargo wird
       > gebrochen. UN-Experten haben verdächtige Flugbewegungen registriert.
       
 (IMG) Bild: Nachschub brauchen die Kämpfer immer: Zerschossenes Militärfahrzeug an der Front bei Tripolis
       
       Tunis taz | Trotz der [1][Berliner Libyen-Konferenz] vom 19. Januar und der
       dort getroffenen Selbstverpflichtung aller ausländischen Parteien, das
       geltende UN-Waffenembargo einzuhalten, läuft der militärische Nachschub an
       die libyschen Kriegsparteien unkontrolliert weiter.
       
       Nach Erkenntnissen von UN-Experten, mit denen die taz sprach, landeten seit
       der Konferenz mehrere Boeing-747-Frachtmaschinen in der vom aufständischen
       General [2][Chalifa Haftar] kontrollierten ostlibyschen Cyreneika-Provinz,
       es kommen auch weiterhin Flüge der libyschen Fluggesellschaft Libyan
       Airlines außerhalb des Flugplans nach Tripolis, wo die international
       anerkannte Einheitsregierung von Premier Fajis al-Sarradsch residiert.
       
       Insgesamt, so die Experten, flogen Passagiermaschinen der Libyan Airlines
       vor und nach der Konferenz elf Mal außerplanmäßig von Istanbul in die
       Hauptstadt Tripolis und in die Hafenstadt Misrata, die beiden Hochburgen
       der Sarradsch-Regierung. Die private Airline Libyan Wings flog fünf Mal
       außerplanmäßig. Mindestens zwei dieser Flüge, so die UN-Experten, fanden
       nach der Berliner Konferenz statt.
       
       Neu ist, dass die Transpondersignale einiger Maschinen kurz vor dem
       Eintritt in den libyschen Luftraum verschwinden. Man sei gebeten worden,
       diese Flüge nicht öffentlich anzuzeigen, so die Macher der
       Flugüberwachungsplattform „Italmilradar“, die regelmäßig Flüge aus Syrien,
       den Arabischen Emiraten und der Türkei nach Libyen erfasst und auch
       Privatmaschinen auf Wunsch nicht anzeigt.
       
       ## Syrische Rebellen setzen sich nach Italien ab
       
       Nach Auswertung von selbst gefilmten Videos syrischer Kämpfer, auch an Bord
       einer Libyan-Airlines-Maschine, gehen die UN-Experten davon aus, dass
       mittlerweile rund 2.000 syrische Freiwillige auf Seiten der
       Einheitsregierung in Tripolis kämpfen.
       
       Anwohner der Küstenstadt Zuwara bestätigen gegenüber der taz, dass rund 50
       syrische Freiwillige an einem militärischen Training an der
       tunesisch-libyschen Grenze teilnehmen. Marineoffiziere aus Zuwara
       behaupten, dass sich 17 der eingeflogenen Syrer mit Schmugglerbooten nach
       Italien abgesetzt hätten.
       
       General Haftar, der mit seiner Libyschen Nationalarmee (LNA) und
       Verbündeten [3][den Großteil Libyens kontrolliert] und Tripolis erobern
       will, setzt nach Recherchen der UN-Ermittler mehrere hundert sudanesische
       Söldner der ehemaligen regimetreuen Janjaweed-Miliz aus Darfur ein, die
       mittlerweile als „Rapid Support Force“ zu Sudans Streitkräften gehört,
       sowie regierungstreue Kämpfer aus dem Tschad.
       
       ## Luftabwehrraketen und Drohnen
       
       Mangels libyscher Freiwilliger setzen sowohl Haftar als auch die
       Verteidiger von Tripolis auf Drohnen und Kampfflugzeuge, um den Gegner in
       Schach zu halten.
       
       Auf dem Flughafen Tripolis-Maitiga unter Regierungskontrolle wurden
       mutmaßlich aus der Türkei gelieferte Hawk-Luftabwehrraketen stationiert.
       Auf libyschen sozialen Medien geteilte Videos zeigen nach Meinung des in
       Malta basierten Militärexperten Babak Taghvaee die Stellungen der auch von
       der Nato genutzten Radaranlagen und Raketenlafetten, die nur von
       Spezialisten bedient werden können.
       
       Gegen die Drohnen und Raketen der Regierungsseite sind laut dem letzten
       UN-Expertenbericht auf dem von Haftar kontrollierten Militärflughafen
       Al-Khadim in der Nähe des ostlibyschen Bengasi Drohnen aus den Vereinigten
       Arabischen Emiraten und russische Raketensysteme stationiert.
       
       Satellitenaufnahmen von Hightechausrüstung aus Haftars Hauptquartier
       Al-Marj zeigen überdies, dass der General mit türkischen Luftschlägen
       rechnet: Es stehen dort Hawk-Luftabwehrraketen aus Russland und den
       Emiraten.
       
       Südlich der Hauptstadt Tripolis kam es in den letzten Tagen immer wieder zu
       kleineren Gefechten. Am Dienstag versuchte nach Angaben der Webseite
       Libyaobserver ein LNA-Stoßtrupp, die Ortschaft Abu Grain bei Sirte zu
       erobern, um auf Misrata vorzurücken, wurde jedoch zurückgeschlagen.
       
       ## Deutschland strebt neue UN-Resolution an
       
       Vor diesem Hintergrund soll in dieser Woche erstmals das in Berlin
       vereinbarte Militärkomitee der beiden libyschen Bürgerkriegsparteien in
       Genf zusammentreffen – das erste konkrete Resultat der Gespräche in Berlin.
       
       Beide Seiten haben jeweils fünf Offiziere benannt, die zukünftig über
       vertrauensbildende Maßnahmen sprechen sollen. Ziel ist die Unterzeichnung
       eines langfristigen Waffenstillstandes an den Frontlinien in Westlibyen.
       
       Die [4][55 Punkte] der Abschlusserklärung der Berliner Konferenz – die
       übrigens von den 16 Konferenzdelegationen nicht unterzeichnet worden ist –
       sollen in Kürze dem UN-Sicherheitsrat zur Bestätigung vorgelegt werden.
       Außenminister Maas und der EU-Außenbeauftragte Josep Borell forderten am
       Montag bei einem Treffen in Berlin, dass danach Verstöße gegen das
       Waffenembargo mit Sanktionen belegt werden sollen.
       
       Maas schlug zudem eine neue Resolution gegen Waffenlieferungen nach Libyen
       vor, obwohl die [5][UN-Resolution 1973] vom März 2011, zu Beginn des
       Aufstandes gegen Gaddafi, diese bereits verbietet. Deutschland leitet seit
       dem letzten Jahr das Libyen-Sanktionskomitee des Sicherheitsrates, blieb
       jedoch weitgehend untätig.
       
       28 Jan 2020
       
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 (DIR) [5] https://www.un.org/securitycouncil/s/res/1973-(2011)
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Mirco Keilberth
       
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