# taz.de -- Mehr Erkrankungen in China: Coronavirus immer aggressiver?
       
       > Die Zahl der Infizierten steigt drastisch – weil jetzt auch
       > wahrscheinlich Erkrankte mitgezählt werden. Das ist aber sinnvoll, sagen
       > Experten.
       
 (IMG) Bild: Schutz vor Coronavirus und Regen: Menschen in Hongkong
       
       Peking taz | Es war nur eine Frage der Zeit, bis [1][mit dem Austausch
       zweier Parteikader] die politische Säuberungswelle in China losgehen würde.
       Das Kalkül hinter der prominent in den Staatsmedien berichteten Maßnahme:
       Peking möchte die Schuldfrage für den Virusausbruch vor allem auf der Ebene
       der Lokalregierung belassen.
       
       Doch schon bald könnte die Krise auch die Führung in die Bredoullie
       bringen. Schließlich befindet sich das Land noch immer im Stillstand: Zwar
       wurden einige Fabriken mittlerweile wieder eröffnet, um die Unterbrechung
       von Lieferketten im Zaum zu halten und die Versorgung medizinischer
       Ausrüstung zu gewährleisten.
       
       Doch viele Schulen und Universitäten, der Dienstleistungssektor generell
       und auch viele mittelständische Betriebe sind nach wie vor geschlossen. Vor
       allem die Verdienstausfälle für die Abermillionen Landarbeiter dürften für
       Unmut und Frust sorgen.
       
       Auch die anhaltende Quarantäne zehrt an den Nerven. Die drastischsten
       Einschränkungen hat die Stadt Shiyan in der [2][Provinz Hubei] ausgegeben:
       Dort dürfen sämtliche Bewohner bis auf einige Ausnahmen nicht einmal mehr
       ihre Wohnungen verlassen. Solche Maßnahmen können auch als vorauseilender
       Gehorsam der Lokalregierung verstanden werden, die von Peking verordnete
       Virusbekämpfung mehr als ernst zu nehmen.
       
       ## Dramatischer Anstieg aufgrund veränderter Zählweise
       
       Dabei scheint die Lage in Hubei immer bedrohlicher. Nur wenige Stunden vor
       diesen personellen Konsequenzen vermeldeten die Gesundheitsbehörden eine
       Hiobsbotschaft: 14.840 Menschen sollen sich innerhalb der letzten 24
       Stunden mit dem Erreger infiziert haben – also fast zehnmal so viele wie
       noch am Tag zuvor.
       
       Allerdings hängt der massive Anstieg vor allem mit einer geänderten
       Zählweise zusammen. Benjamin Cowling, Epidemiologe von der Universität
       Hongkong, erklärt das so: Bei Epidemien würde zwischen drei Kategorien an
       Patienten unterschieden: Verdachtsfälle, wahrscheinliche Fälle und klinisch
       bestätigte Fälle.
       
       Seit Donnerstag würden nun auch sämtliche wahrscheinlichen Fälle zu den
       Infizierten gezählt. Denn immer mehr Bewohner Wuhans, die sich ganz
       offensichtlich angesteckt haben, zeigten dennoch bei Tests negative
       Resultate.
       
       „Die Schlüsselfrage ist, wie schwerwiegend die Infektionen des neuen
       Coronavirus tatsächlich sind“, sagt der Forscher. Vergleichswerte sind für
       die Experten das Sarsvirus mit niedriger Übertragungs- und hoher Sterberate
       und die herkömmliche Grippe, die hochansteckend aber meist nicht sonderlich
       gefährlich ist. „Das neue Coronavirus liegt in etwa in der Mitte zwischen
       diesen beiden Extremen“, sagt Cowling.
       
       ## Chinas Regierung agiert nervös
       
       Sein Universitätskollege John Nicholls sagt: „Wir haben keinen blassen
       Schimmer über die tatsächliche Zahl der Infizierten, weil eine Dunkelziffer
       nur leichte Symptome zeigt und nicht getestet wurde.“ Auch wenn beide
       Mediziner grundsätzlich zufrieden sind mit der Informationspolitik der
       chinesischen Behörden, bleiben doch viele Fragen unbeantwortet – etwa,
       warum sich bislang derart viele Krankenhausmitarbeiter angesteckt haben.
       
       Bislang hielten die Behörden in Wuhan jene Statistik unter Verschluss, doch
       die Hongkonger Zeitung South China Morning Post hat nun veröffentlicht,
       dass sich allein in Wuhan bis Mitte Januar über 500 Krankenpfleger und
       Ärzte angesteckt hätten und weitere 600 als Verdachtsfälle gelistet werden.
       Krankenhäuser wurden von der chinesischen Regierung angewiesen, die Zahl
       nicht zu veröffentlichen – vermutlich, um die Moral der unter immenser
       Arbeitslast stehenden Mediziner nicht zu schwächen.
       
       Wie nervös die chinesische Regierung ist, zeigt auch die Festnahme zweier
       Bürgerjournalisten in Wuhan: Diese hatten unter anderem Videoaufnahmen von
       Krankenhäusern veröffentlicht, auf denen auf den Boden herumliegende
       Leichensäcke zu sehen waren. Zunächst wurden die beiden nur verhört, nun
       aber sollen sie laut Medienberichten nicht mehr erreichbar und festgenommen
       worden sein.
       
       13 Feb 2020
       
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