# taz.de -- Tesla, der Ökostrom und die Krisen: Öl war leider nie knapp
       
       > Selbst Kriege drosseln das Ölangebot nicht. Viele, allen voran Tesla und
       > die Autofahrer, glauben, dass auch Ökostrom beliebig verfügbar sei.
       
 (IMG) Bild: Verlassene Tankstelle in Silas, Saudi-Arabien
       
       Wird Öl etwa knapp? Droht eine neue Weltwirtschaftskrise? Diese Fragen
       tauchten sofort auf, als bekannt wurde, dass die [1][USA den iranischen
       General Qasim Soleimani mit einer Rakete getötet] hatten. Doch ist mit
       einer Rezession nicht zu rechnen, wenn man den Spekulanten glauben darf.
       Die Finanzanleger blieben nämlich bemerkenswert gelassen.
       
       Öl verteuerte sich zwar – aber nur um 3,5 Prozent. Offenbar erwarteten die
       Rohstoffspekulanten nicht, dass sich das Öl verknappen könnte, falls es zu
       einer Eskalation im Nahen Osten kommt. Ähnlich entspannt waren auch alle
       anderen Börsianer: Nach der US-Attacke auf Soleimani fiel der deutsche
       Aktienindex DAX nur um rund 3 Prozent und hat sich inzwischen erholt.
       
       Die Börsianer reagieren so gelassen, weil sich Geschichte wiederholt.
       Leider ist es ja nicht das erste Mal, dass es im Nahen Osten militärisch
       brenzlig wird. Erst im September 2019 [2][hatten iranische Drohnen die
       saudische Ölindustrie beschädigt], sodass plötzlich 5,7 Millionen Barrel Öl
       pro Tag auf den Weltmärkten fehlten. Auch dieser Angriff blieb ökonomisch
       folgenlos.
       
       Momentan kostet das Barrel Öl, je nach Sorte, zwischen 60 und 65,50 Dollar.
       Das ist nicht teuer, sondern erstaunlich billig. Im Jahr 2007 mussten fast
       150 Dollar pro Barrel gezahlt werden, und trotzdem boomte damals die
       Weltwirtschaft.
       
       [3][Hohe Ölpreise] sind weitaus leichter zu verkraften, als gemeinhin
       angenommen wird, weil das Geld ja nicht auf Nimmerwiedersehen verschwindet.
       Die meisten Ölländer sind dringend auf ihre Exporteinnahmen angewiesen:
       Sobald sie mehr Dollar für ihr „schwarzes Gold“ bekommen, gehen sie
       weltweit auf Shoppingtour – und entscheiden sich meist für die Güter der
       Industrieländer.
       
       Die Weltwirtschaft floriert also weitgehend unabhängig davon, wie sich der
       Ölpreis entwickelt und ob es zu militärischen Auseinandersetzungen im Nahen
       Osten kommt. Diese Nachricht ist nicht ganz so beruhigend, wie sie klingt.
       Denn sie bedeutet auch, dass es keinerlei ökonomischen Druck gibt, sich vom
       Öl zu verabschieden.
       
       Instinktiv haben das alle Autobesitzer verstanden, die munter SUVs kaufen.
       Wie das Kraftfahrtbundesamt am Mittwoch mitteilte, sind im Jahr 2019 etwa
       760.000 SUVs [4][neu zugelassen worden]. Sie alle verbrennen Öl, als ließe
       sich der Klimawandel getrost ignorieren. Umgekehrt blieben echte
       Elektroautos eine Rarität: 2019 wurden nur ganze 63.281 Pkws angemeldet,
       die ausschließlich per Batterie angetrieben werden.
       
       Aber das soll sich angeblich ändern: Tesla will [5][eine „Gigafabrik“] nahe
       Berlin bauen, wo jährlich 500.000 Elektroautos vom Band rollen sollen.
       Selbst SUVs sollen dann elektrisch fahren; „Y“ heißt dieses neue
       Tesla-Modell der Zukunft.
       
       Dieses Modell Y würde sich wie ein Sportwagen anfühlen, verspricht
       Tesla-Gründer Elon Musk: In nur 3,5 Sekunden lässt sich der Wagen auf 100
       Kilometer pro Stunde beschleunigen, in der Spitze schafft er 240
       Stundenkilometer. Natürlich wären derartige Eigenschaften völlig
       überflüssig, falls es ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen gäbe. Aber
       das hat die CSU, auch in dieser Woche, für undenkbar erklärt.
       
       Zumindest auf der Tesla-Homepage sieht es aus, als ließe sich maximale
       Geschwindigkeit mühelos mit einer sauberen Umwelt verbinden: Penibel wird
       gezählt, wie viel CO2 die Tesla-Fahrzeuge bisher weltweit eingespart haben.
       An diesem Donnerstag, um 10.46 Uhr, summierte sich das globale CO2-Minus
       auf angeblich exakt 3.561.242,56 Tonnen.
       
       Das ist natürlich eine Milchmädchenrechnung. Es entsteht kein zusätzlicher
       Ökostrom, nur weil Tesla-Autos umherfahren. In Wahrheit nutzen die Teslas
       Strom, der aus fossilen Brennstoffen oder aus AKWs gewonnen wurde.
       
       Deutschland ist dafür ein anschauliches Beispiel: 2019 wurden 40 Prozent
       des Stromverbrauchs durch Ökostrom gedeckt. Dies war ein geradezu
       sensationeller Erfolg – und zum Teil den starken Winden im vergangenen Jahr
       zu verdanken. Doch diese Zahl sagt eben auch aus, dass noch immer 60
       Prozent des deutschen Stroms aus fossilen Kraftwerken oder aus den letzten
       Atommeilern stammen. 500.000 Tesla pro Jahr würden absolut nichts daran
       ändern, dass Deutschland viel zu wenig Windräder und Solarpanele hat. Für
       zusätzliche Elektroautos bleibt also nur fossiler Strom.
       
       Zudem ist ein Tesla die patentierte Stromverschwendung auf vier Rädern: Das
       Modell 3, der Vorläufer des künftigen SUV Y, verbraucht auf 100 Kilometern
       20,9 Kilowattstunden, wie der ADAC jüngst getestet hat. Allerdings, das sei
       zugegeben, gibt es Elektroautos, die sogar noch schlimmer sind: Der
       elektrische Audi 55 quattro kommt auf 25,8 Kilowattstunden und der
       elektrische Jaguar auf 27,6 Kilowattstunden pro 100 Kilometer.
       
       Diese Zahlen sind sehr abstrakt, bedeuten aber umgerechnet, dass ein Tesla
       pro Jahr mehr Strom verbraucht als eine dreiköpfige Familie in ihrem
       Privathaushalt. Und selbst das nur, falls der Tesla nicht häufiger bewegt
       wird als ein normales Auto. Davon ist aber nicht unbedingt auszugehen,
       schließlich wird ein Tesla nicht angeschafft, um den Carport zu verzieren.
       Ein Tesla will gefahren werden.
       
       Er ist das perfekte Symbol für unseren Umgang mit Energie: Wir halten sie
       für unerschöpflich. Der Ökostrom soll genauso sprudeln wie bisher das Öl,
       das sogar dann noch mühelos verfügbar ist, wenn in den Fördergebieten ein
       Krieg ausbricht. Öl war nie kostbar, also wird es gedankenfrei
       verschwendet. Ähnlich ignorant wird nun Strom verschleudert, um Autos auf
       240 Stundenkilometer zu bringen. Doch so banal es ist: Ökostrom ist nicht
       Öl. Öl war nie knapp, aber Windkraft ist es. Leider. Den Klimawandel gäbe
       es nicht, wenn es andersherum wäre. Aber diese Scheinwelt existiert nur im
       Tesla-Katalog.
       
       10 Jan 2020
       
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