# taz.de -- Brillanter Abschluss der EM-Quali: Lasst sie doch einfach spielen!
       
       > Die deutsche Nationalelf zeigt gegen Nordirland, wie sehr ihr der
       > Ballbesitzfußball liegt. Das hat viel mit dem Unterschiedspieler Gnabry
       > zu tun.
       
 (IMG) Bild: Feingespür im Fuß: Gnabry nimmt den Ball an wie kaum ein anderer
       
       Hoppla, was war das denn? Ist jetzt wieder alles gut im deutschen
       Nationalmannschaftsfußball? Mit 6:1 hat die Auswahl des DFB ihr letztes
       Qualifikationsspiel zur Fußball-EM im nächsten Jahr gewonnen und dabei vor
       allem eines gezeigt: Sie können spielen. Da lief der Ball teilweise, dass
       es eine wahre Freude war.
       
       Da wurden Räume gefunden, wo niemand welche vermutet hätte, weil die
       Nordiren sich weit zurückgezogen hatten. Immer wieder startete ein
       deutscher Spieler und nahm Tempo auf, obwohl das Spiel eigentlich von den
       Gästen gerade, so gut es eben ging, heruntergebremst worden war. 0:1 hatte
       die deutsche Mannschaft nach sieben Minuten zurückgelegen, und nicht wenige
       hatten Angst, dass es schwer werden würde, die Mauer der Mannen aus
       Nordirland zu durchbrechen. Denkste! Wie ein Kinderspiel sah das aus.
       
       Und sogar in den bei Länderspielen traditionell stimmungsfreien Kurven
       wurden gesungen. Olé, olé, olé, olé! 42.000 von 48.000 Plätzen waren
       besetzt in der Frankfurter Kommerz-Arena. Gar nicht mal so schlecht bei
       einem Spiel, in dem es um beinahe nichts mehr geht, gegen einen Gegner, von
       dem niemand etwas erwartet und in dessen Reihen niemand spielt, den man
       kennen müsste.
       
       So mancher verließ das Stadion mit einer weißen Tüte, in der er das eben
       vorgestellte EM-Trikot nach Hause transportiert hat. 90 Euro kostet das
       weiße Etwas mit den zarten Streifen. Wo war sie nochmal die Krise, von der
       vor einer Woche landauf, landab gesprochen wurde? Im Juni 2020 wird die
       deutsche Mannschaft mit drei Heimspielen in München in das EM-Turnier
       starten. Es wird gewiss kein Problem werden, dafür Karten in Deutschland zu
       verkaufen. Die Erwartungen sind massiv gestiegen nach diesem einen guten
       Auftritt am Dienstagabend. So schnell kann es also gehen.
       
       ## Gute Laufwege
       
       Klar, Nordirland ist nun wahrlich nicht die Sahne auf der europäischen
       Fußballtorte. Aber verteidigen können sie normalerweise schon. Und wenn
       stimmt, was Bundestrainer Joachim Löw nach dem Spiel gesagt hat, dann ist
       die deutsche Mannschaft wirklich auf einem sehr guten Weg. Er hat vor allem
       gute Laufwege gesehen. Fünf Tage habe man Zeit gehabt, um endlich einmal
       wieder vernünftig miteinander trainieren zu können, und da seien ebendiese
       Laufwege trainiert worden, mit denen die Deutschen an diesem Abend eine
       Abwehr aufgebrochen haben, die normalerweise keine sechs Gegentreffer
       hinnehmen muss. Löw jedenfalls hat gefallen, was er gesehen hat.
       
       Was ist nicht seit der vermasselten WM und der verkorksten WM-Analyse von
       Löw über die Art des Ballvortrags geredet worden. Man wolle weg vom
       Ballbesitzfußball, mit dem man die Zuschauer in Russland eingeschläfert
       habe, man wolle eher Reaktions- als Aktionsfußball spielen. Das ist mal
       ganz gut gelungen, geht aber eh nicht gegen Gegner, die nicht wirklich
       mitspielen wollen, und ist gegen starke Offensivteams sehr riskant. Vor
       allem die [1][Niederlage gegen die Niederlande] in Hamburg hat gezeigt,
       dass es, auch wenn das deutsche Verteidigerspitzenpersonal nicht gerade im
       Hospital oder in der Reha ist, vielleicht nicht die beste Idee ist, das
       Spiel über die Defensive zu definieren. Am Dienstag konnte man sehen, welch
       gute Kicker sich da im deutschen Mittelfeld tummeln. Lass sie doch einfach
       spielen! Das möchte man dem Bundestrainer da beinahe zurufen.
       
       Bei all der berechtigten Kritik am Spiel der deutschen Nationalmannschaft,
       die in den vergangenen zwei Jahren nicht viel mehr war als eine graue Maus
       in der Weltspitze des Fußballs, ist vor allem auch eines immer bemängelt
       worden: Den Deutschen fehle ein Unterschiedspieler, einer, der den Gegnern
       Respekt einflößt, noch bevor der erste Ball gespielt ist. Nun, nachdem
       [2][Serge Gnabry] gegen Nordirland dreimal getroffen, in 13 Länderspielen
       13 Tore geschossen hat, sieht es fast so aus, als könne man die Suche nach
       diesem Extra-Spieler einstellen. Wie hat er nach dem Spiel gesagt: „Ich bin
       froh, dass ich der Mannschaft helfen konnte.“ Er weiß vielleicht gar nicht,
       wie richtig das ist.
       
       20 Nov 2019
       
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