# taz.de -- Jogi Löw und die Flatterhaftigkeit: Ein unentschiedenes Spiel
       
       > Beim 2:2 gegen Argentinien präsentiert sich die DFB-Auswahl als Team mit
       > zwei Gesichtern. Gegen Estland am Sonntag wird aber nur eines zu sehen
       > sein.
       
 (IMG) Bild: Noch ist Luft nach oben, nach hinten und zur Seite: Torwart Marc-André ter Stegen kassiert das 2:2
       
       Die Neuerungen bei der deutschen Nationalmannschaft reißen nicht ab, und
       fast scheint es so, als könne die Veränderung nicht schnell genug gehen.
       Nicht nur, dass die DFB-Auswahl beim überraschend munteren 2:2 gegen
       Argentinien in Dortmund am Mittwochabend erstmals ohne einen Weltmeister
       antrat, so ertönt neuerdings bei Torerfolgen nicht mehr das nervige
       „Schwarz und Weiß“ von Oliver Pocher, sondern der knackige Techno-Hit
       [1][„Kernkraft 400“] von Zombie Nation.
       
       Nach dem durch dreizehn Absagen auf deutscher Seite entwerteten Länderspiel
       vor 45.197 Zuschauern – für Dortmunder Verhältnisse eine karge Kulisse,
       weil ganze Tribünenbereiche verschlossen blieben – traf es den tapferen
       Julian Brandt, der im Sommer zum BVB gewechselt ist. Doch als der gebürtige
       Bremer nach „den vielen guten Sachen aus der ersten Halbzeit“ auch die
       Versäumnisse im zweiten Durchgang ansprach – da habe in der
       zusammengewürfelten Mannschaft „die Chemie nicht mehr so gut gepasst“ –
       mischten sich Pfiffe in Brandts Ausführungen.
       
       Joachim Löw hingegen zog ein überwiegend positives Fazit nach einem „sehr
       dynamischen Spiel, mit sehr starker Physis, sehr viel Tempo“. An den
       grundverschiedenen Halbzeiten gab es ja auch für Löw nichts zu rütteln. So
       gut der Ball erobert, das Tempo erhöht und der Weg zum Tor gesucht wurde,
       so schlecht reagierte das Team auf die Veränderung beim Gegner. Löws Elf
       verließ der Mut, die Ballverluste häuften sich. Auch wenn die Dynamik eines
       Lukas Klostermann erstmals wirklich im Nationaldress zum Vorschein kam, die
       Robustheit eines Emre Can gefiel und der Spielwitz eines Kai Havertz jede
       Mannschaft bereichert: Konstanz, Balance und Stabilität über die gesamte
       Spielzeit fehlen bei der DFB-Auswahl, seit der Prozess der Erneuerung
       konsequent durchgezogen wird. Trotzdem sprach Löw der Mannschaft ein
       Kompliment aus, „mit welchem Herz sie gespielt hat“.
       
       ## Alle loben Serge Gnabry
       
       Noch ist Löws Mannschaft, egal in welcher Besetzung, unreif, ja fast
       flattrig, wenn sie einen Vorsprung verwalten soll. Nicht einmal Joshua
       Kimmich, von Löw nicht aufgrund der Zahl seiner Länderspiele („schaue ich
       nicht drauf“), sondern seiner Ausstrahlung zum Kapitän ernannt, ist davor
       gefeit. Dass die Argentinier durch die eingewechselten Lucas Alario (66.)
       und Lucas Ocampos (88.) ausglichen, als der deutsche Kontrollverlust bis in
       die letzte Stadionecke zu spüren war, verhinderte auch der 24-jährige
       Münchner nicht mehr.
       
       Dafür bescheinigte Kimmich seinem Kollegen Serge Gnabry „absolute
       Weltklasse“. Seine Leistungen wecken inzwischen größte Hoffnungen, die
       Quote von zehn Toren in elf Länderspielen wirkt beeindruckend. Wahnwitzig
       Durchsetzungsvermögen und Können, wie der Irrwisch per Außenrist das 1:0
       erzielte (15.), um dann auch Havertz das 2:0 aufzulegen (22.). Klar, dass
       Löw mit Komplimenten für den 24-Jährigen nicht sparte. „Er ist ein
       wahnsinniges Tempo und unglaubliche Wege gegangen. Er ist überall
       aufgetaucht und war ständig brandgefährlich.“ Seine Auswechslung war einzig
       der Vorsorge geschuldet, denn ein gesunder Gnabry wird womöglich den
       nächsten Gegner ganz allein aufmischen.
       
       Estland wird im [2][EM-Qualifikationsspiel] am Sonntag (20.45 Uhr) nur auf
       Schadensbegrenzung aus sein. Von einem Sieg in Tallinn geht Löw nach dem
       lockeren 8:0 im Hinspiel selbstverständlich aus. Der in Dortmund noch
       geschonte Marco Reus und İlkay Gündoğan sollen im Baltikum wieder
       mitwirken. Und es braucht dort auch keine Dreierkette. Wobei Löw mit
       Notlösung Robin Koch als einer von vier Debütanten – dazu Luca Waldschmidt,
       Suat Serdar und Nadiem Amiri – ganz zufrieden war. Der 23-jährige
       Freiburger spielte am Ende zwar im Abwehrzentrum nicht so stabil, wie der
       Bundestrainer das gesehen hatte, aber es hat definitiv deutlich schlechtere
       Anfänge einer Nationalmannschaftskarriere gegeben. Der blondierte Sohn
       Harry Koch, Legende mit Lockenkopf aus besseren Tagen des 1. FC
       Kaiserslautern, im Nationaltrikot – auch das ist eine Neuerung bei der
       Nationalmannschaft in Zeiten der rasanten Transformation.
       
       10 Oct 2019
       
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