# taz.de -- Linke-Politiker über Anschlagsserie: „Wollten sie mich nicht schützen?“
       
       > Warum wurde der Anschlag auf den Linke-Politiker Ferat Koçak nicht
       > verhindert? Im Interview sagt er, was er von den neuesten Erklärungen der
       > Behörden hält.
       
 (IMG) Bild: Das berühmt gewordene Bild aus der Nacht des Anschlags, 1. Februar 2018
       
       taz: Herr Koçak, in [1][der Sitzung des Innenausschusses am Montag] ging es
       erneut um den [2][Brandanschlag, den mutmaßlich rechte Täter 2018] auf ihr
       Auto verübten. Wie viel von dem, was gestern besprochen wurde, war neu für
       Sie? 
       
       Ferat Koçak: Sehr viel. Die Frage ist ja, warum die Sicherheitsbehörden
       mich nicht gewarnt oder den Anschlag verhindert haben, obwohl sie
       nachweislich wussten, dass die Tatverdächtigen mir hinterher spioniert
       haben. Die Antworten, die gestern auf diese Frage gegeben wurde,
       unterscheiden sich deutlich von denen, die es bisher gab.
       
       Inwiefern? 
       
       Bislang hieß es immer, die Polizei hätte nur gewusst, dass der Halter eines
       roten Smarts ein mögliches Anschlagsziel ist, aber nicht, welcher. Jetzt
       sagen sie, sie hätten das schon vor dem Anschlag auf drei Personen
       eingrenzen können, ich war auch darunter. Aber sie hätten gedacht, dass ich
       nicht der Richtige sein kann, weil ich nicht gegen Rechts oder für
       Flüchtlinge aktiv wäre. Ich mein: Hä?
       
       Sie sind Kommunalpolitiker der Linken, haben 2017 für den Bundestag
       kandidiert und engagieren sich in der kurdischen HDP. 
       
       Eben, das liegt doch völlig auf der Hand, dass jemand wie ich ein
       Anschlagziel für diese Täter ist. Sie hätten ein einziges Mal meinen Namen
       googeln können, dann wäre ihnen das klar geworden. In was für einer Welt
       muss man denn leben, dass man nicht versteht, dass jemand wie ich ein
       potenzielles Opfer ist? Wollten sie jemanden wie mich nicht schützen?
       
       Der Verfassungsschutz wusste bereits lange vor dem Anschlag, dass Sie von
       den tatverdächtigen Neonazis ausspioniert werden. 
       
       Ja, und zwar nicht nur aus den abgehörten Gesprächen, von denen wir schon
       etwas länger wissen. Die standen offenbar auch schon 2017 vor meiner
       Haustür – das sagte jedenfalls gestern der Mann vom LKA. Das wusste ich
       bisher aber nicht, auch meine Anwältin wusste das nicht. Ich finde das
       schockierend, dass ich über so etwas nicht einmal im Nachhinein informiert
       wurde.
       
       Die Begründung, warum die Behörden nicht verstanden hätten, dass der von
       Neonazis ausspionierte Ferat Koçak und Ferat Kocak, Halter eines roten
       Smarts, identisch sind, lautet: Ihr Name sei einmal Koçak und einmal Kocak
       geschrieben worden, deshalb habe es da keinen Treffer gegeben. 
       
       Ich schreibe mich doch selbst meistens Kocak, ich benutze das C mit Strich
       gar nicht. Ich habe meinen Namen also schon eingedeutscht, und trotzdem
       stellt er die Behörden offenbar vor unüberwindbare Hindernisse.
       
       Neben dieser Reihe von Pannen wurde im Innenausschuss deutlich, dass der
       Verfassungsschutz aus Gründen des Quellenschutzes nicht wollte, dass die
       Informationen verwendet werden, um Sie zu schützen. Wie fühlt sich das an? 
       
       Nach gestern habe ich noch viel mehr Fragezeichen im Kopf als zuvor. Ich
       frage mich: Was muss denn passieren, damit mein Leben oder das anderer
       Menschen als schützenswert erachtet wird – schützenswerter als die
       Möglichkeit des Verfassungsschutzes, sich Informationen zu beschaffen? Dass
       das Feuer vom Auto nicht auf das Haus übergegangen ist, in dem meine
       Familie und ich geschlafen haben, war schließlich nur Glück.
       
       Ist die Art, wie sich die Sicherheitsbehörden in diesem Fall offenbar
       verhalten haben, aus Ihrer Sicht Ausdruck von Inkompetenz, oder vermuten
       Sie Absicht? 
       
       Eins von beidem ist es auf jeden Fall. Aber um das zu klären, brauchen wir
       [3][den Untersuchungsausschuss im Abgeordnetenhaus], den ich und viele
       andere Betroffene fordern. Denn es ist doch klar: Zu meinem Fall ist
       mittlerweile so viel über [4][das Behördenversagen] bekannt, weil er so
       viel in der Öffentlichkeit steht. Bei den anderen Anschlägen wissen wir ja
       gar nicht, was da vielleicht auch noch überall für Fehler begangen wurden.
       
       Bisher unterstützt nur die Linkspartei Ihre Forderung nach einem
       Untersuchungsausschuss. Rechnen Sie sich dafür trotzdem noch Chancen aus? 
       
       Aus meiner Sicht ist ganz klar: Die Grünen müssen sich jetzt bewegen. Warum
       haben Berlins Parteien Angst, sich mit möglichen rechten Strukturen in den
       Sicherheitsapparaten zu beschäftigen? Das muss ihnen doch ein Anliegen
       sein, dass da so viel wie möglich aufgeklärt wird.
       
       12 Nov 2019
       
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