# taz.de -- Das junge Frankreich: Man spricht Englisch
       
       > Franzosen können keine Fremdsprachen? Weit gefehlt. Überall parliert man
       > inzwischen national entgrenzt. Das bringt auch ökonomische Vorteile.
       
 (IMG) Bild: Fridays-for-Future-Demo in Paris
       
       Die Frau posiert vor dem Wasserfall, die Arme in die Luft gereckt, den
       Hintern rausgestreckt. Ihr Schleier ist länger als ihr Hochzeitskleid, ein
       Mini-Dress, die Blitzlichter gehen, der Bräutigam steht gönnerhaft im
       Schatten daneben. Ein reiches russisches Pärchen macht Hochzeitsfotos in
       Nizza. Der kleine Hügel über der Stadt, Colline du Château, ist in Wahrheit
       Mount Russia, so viel Publikum aus dem Osten ist dort unterwegs.
       
       Kitschige Heirat an der Côte d’Azur oder eben einfach ein Sommertrip; die
       Zone zwischen Zentrum und Meer ist ohnehin fest in den Händen jeglicher
       Auswärtiger, Frankreich beginnt dahinter. Viele Franzosen haben sich aus
       dieser Welt zurückgezogen. Aber gewisse Milieus sind jetzt dabei. Als ich
       irgendwann in Nizza mit einem Typen per Anhalter fahre, der sich
       lustigerweise als Hockeyspieler in der ersten französischen Liga entpuppt,
       fragt er, ob das nicht nervig sei, dass all die Franzosen kein Englisch
       könnten. Ich denke bewusst darüber nach und sage: Nein, das hat sich
       geändert.
       
       Einen Monat verbringe ich in Frankreich, und mir fällt auf, dass bei diesen
       gebildeten Städtern unter 40 Jahren heute kaum einer darunter ist, der
       nicht gutes Englisch spricht. Das war vor zehn Jahren noch völlig anders,
       selbst im Backpacker-Milieu. Es sind privilegierte Schichten, es sagt
       nichts über die Jugend auf dem Dorf oder die einfache Mittelschicht. „Die
       Jugend in Frankreich ist in der Welt herumgekommen“, sagt einer meiner
       Gastgeber, ein junger Informatiker, als wir auf das Thema kommen. „Wir
       gehen jetzt auch backpacken, wir haben nicht mehr dieselbe Haltung wie
       unsere Eltern.“
       
       Und im Süden des Landes bringt es gewiss auch ökonomische Vorteile.
       Ebendieser Gastgeber in Montpellier geht jetzt seine erste Wohnung kaufen.
       Etwas naiv frage ich, wann er denn umzieht. Nein, sagt er, die vermiete er
       natürlich an Touristen. Klar tut er das.
       
       Jene, die die globale Sprache nicht sprechen, sind – zufällig oder nicht –
       zwei arabischstämmige Typen, mit denen ich in Paris in der Metro quatsche.
       Es sind auch die Verkäufer in den rumänischen oder arabischen Supermärkten
       in dem etwas heruntergekommenen Viertel in Nizza, wo ich wohne, und es sind
       die beiden Gastgeber in Hochhaussiedlungen, bei denen ich übernachte, in
       Lyon und in Montpellier.
       
       Geteilte Gesellschaft. Die, die sich in den Herzkammern bewegen, parlieren
       national entgrenzt. Ein Kellner antwortet auf mein Französisch drei Mal mit
       Englisch. Beim dritten Mal sagt er: „Sorry, ich bin das so gewohnt.“
       
       17 Nov 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alina Schwermer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Navigationshilfe​
 (DIR) Reiseland Frankreich
 (DIR) Deutsch als Fremdsprache
 (DIR) Steuer
 (DIR) Deutsche Einheit
 (DIR) Backpacker
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kommentar Macrons Ökosteuer auf Flüge: Zu kleine Schritte
       
       Die französische Regierung plant die Einführung einer Ökosteuer auf
       Flugtickets. Doch die Preise werden nur sehr moderat steigen – leider.
       
 (DIR) Kolumne Navigationshilfe: Wir fahren in den Osten
       
       Als „Wessi“ hat sie viel zu wenig Zeit im Osten verbracht, stellt unsere
       Autorin plötzlich erstaunt fest. Aber warum eigentlich?
       
 (DIR) Kolumne Navigationshilfe: Dummes Backpacker-Bashing
       
       Über Backpacker spotten geht immer. Sie können es keinem Recht machen und
       werden kritisiert. Warum eigentlich fragt unsere Autorin.