# taz.de -- Filmfestival Viennale: Partisanin im Wald
       
       > Die diesjährige Ausgabe des Filmfestivals Viennale bot Galionsfiguren der
       > österreichischen Frauenbewegung und politisches brasilianisches Kino.
       
 (IMG) Bild: Großes politisches brasilianisches Kino: „Rio, Zona Norte“ (1957) mit Grande Otelo (links)
       
       In einem der Fenster des Café Engländer in Wien hängt zur Erinnerung ein
       Foto, das den im Juli 2017 vor dem Ende seiner Amtszeit unerwartet
       verstorbenen Viennale-Leiter Hans Hurch zeigt, wie er mit verschmitztem
       Lächeln ein ganzes Dutzend offensichtlich benutzter Kaffeetassen vor seinem
       Bauch jongliert. Hurch benutzte das populäre Restaurant nicht nur zur
       geselligen Bewirtung von Gästen des Festivals. Da er direkt gegenüber in
       einer Etagenwohnung lebte und das Kochen nicht zu seinen Leidenschaften
       gehörte, diente ihm das Lokal den Rest des Jahres über als kommunikative
       Privatküche, aus der er Mahlzeiten und Koffein für den täglichen Bedarf
       bezog.
       
       Mit Eric Pleskow, dem langjährigen Präsidenten der Viennale, war am 1.
       Oktober eine andere gewichtige Gestalt der Festivalgeschichte verstorben.
       Die Hurch-Nachfolgerin Eva Sangiorgi gedachte seiner bei der diesjährigen
       Eröffnung der Viennale im Gartenbau-Kino mit warmen Worten und einem
       Audiodokument aus dem Jahr 2012, Pleskows damaliger Eröffnungsrede, die mit
       politischem Witz funkelte.
       
       Politischer Witz bereicherte auch die frauenrechtlerisch aufgeladene Rede
       der noch amtierenden Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein zur aktuellen
       Situation im Lande (nach Ibiza-Video und Neuwahlen), was mit auffallendem
       Applaus bedacht wurde. Sangiorgi selbst betonte die Kontinuität des
       politischen Charakters des Festivals auch im globalen Maßstab und die
       Notwendigkeit einer „résistance“ gegen Ausbeutung und Unterdrückung von
       Chile bis zur Ukraine.
       
       ## Vereinnahmung durch rechts
       
       Widerstand ist ja ein Begriff, der in Deutschland derzeit wegen seiner
       Vereinnahmung durch rechts eher mit Vorsicht verwendet wird. In Österreich,
       wo die rechtsextremen Kräfte um die FPÖ schon seit Jahrzehnten immer wieder
       zur Regierungsverantwortung gelangten, hat er noch einen ungebrocheneren
       Resonanzrahmen.
       
       So bündelt ein uraufgeführter Filmessay der österreichischen Filmemacherin
       Jo Schmeiser unter dem Titel „Widerstandsmomente“ weibliches Aufbegehren
       gegen das NS-Regime in Deutschland und Österreich mit aktuellen
       antirassistischen Projekten und bringt dabei die unterschiedlichsten
       historischen Quellen vom Partisanenlied bis zum Flüsterwitz zusammen. Eine
       in diesen Bezügen vielleicht etwas überzogene, aber denkanregende Arbeit.
       
       Eine andere gefeierte nationale Premiere galt Sabine Derflingers
       Porträtfilm „Die Dohnal“, der einer Galionsfigur der österreichischen
       Frauenbewegung der 1990er Jahre ein Denkmal setzt. Damals hatte es die
       Sozialdemokratin Johanna Dohnal als Frauenministerin mit Geschick und
       Tatkraft in nur fünf Jahren geschafft, die Situation von Frauen im Land
       wesentlich positiv zu bewegen: von der Strafbarkeit der Vergewaltigung in
       der Ehe und den Rechten lediger Mütter bis zur Förderung von Künstlerinnen.
       
       ## Alte Dame des sozialen italienischen Dokumentarfilms
       
       Die Viennale ist traditionell ein Publikumsfestival mit einigen Preisen,
       aber ohne Wettbewerb – und mit einem breiten, von Experimentellem bis zum
       Arthouse-Mainstream reichenden Programm und vielfältigen eigenen und
       angegliederten Spezialreihen. Daran hat sich auch in Eva Sangiorgis zweitem
       Durchgang nichts geändert. So gab es etwa „Monografien“ mit [1][Filmen von
       Angela Schanelec] und dem tunesischen Filmemacher Ala Eddine Slim und eine
       Werkschau der großartigen alten (aber höchst lebendigen) Dame des sozialen
       italienischen Dokumentarfilms, Cecilia Mangini.
       
       Die große Retrospektive mit dem Filmmuseum hatte sich mit „O Partigiano!“
       wieder ein Terrain mit rein männlichen Regie-Positionen – und Perspektiven
       – ausgesucht: Europäische Partisanenfilme der 1940er bis 80er Jahre, die
       den bewaffneten Widerstand gegen den Faschismus als Gründungsmythos der
       unterschiedlichsten Nachkriegsordnungen entdeckten und feierten.
       
       Dabei gab es viele aus dem Archivschlummer geholte Entdeckungen – und
       Überraschungen wie die erst kürzlich wiederentdeckte, von Boris Barnet
       während des Kriegs 1942 in der Sowjetunion gedrehte (und gleich als
       „ideologisch unbedeutend“ weggesperrte) märchenhafte Musikkomödie „Slavnyi
       Malnyi/Lieber Junge“, in der sich eine neckisch agierende Partisanin im
       Wald in einen französischen Piloten verliebt, während nebenan die Deutschen
       ein getarntes Flugfeld betreiben.
       
       ## Abweichung vom Rollenbild
       
       Eine kleine Abweichung von dem in vielen Filmen propagierten Rollenbild der
       Nachwuchs und Heimat schützenden Mutter. Es wäre vielleicht eine Idee wert
       gewesen, zur ergänzenden Akzentuierung Ingrid Strobls Dokumentarfilm „Mir
       zeynen do“ (1992) über die jüdischen Partisaninnen von Białystok in das
       Programm aufzunehmen, auch wenn der aus dem gegebenen Zeitrahmen fällt. Im
       begleitenden Lecture-Programm gibt es auch einen Vortrag von Eva Binder zu
       „Partisan*innen im Sowjetkino“.
       
       Überhaupt soll die gelungene Ergänzung der Partisanen-Retro durch kundige
       Einführungen betont werden, auch weil ähnliches kuratorisches Beiwerk
       leider bei der Viennale-eigenen Länderreihe zum politischen brasilianischen
       Kino der letzten Jahrzehnte („Brazil Burns!“) komplett fehlte.
       
       So wurden mit viel Aufwand herbeigeschaffte Filme lieblos unkommentiert
       abgespult. Gerne hätte man vor der Vorführung etwas mehr über das
       kinematografische, kulturelle und soziale Umfeld eines herausragenden Films
       wie „Rio, Zona Norte“ von Nelson Pereira dos Santos (1957) erfahren, wo ein
       afrobrasilianischer Samba-Komponist vergeblich gegen den Diebstahl seiner
       Urheberrechte kämpft. Ähnlich irritierend, dass bei den Filmen dieses
       Programms (wie auch anderen der Viennale) die Wiederholungstermine
       gestrichen wurden, die dem Publikum durch Tipps und Empfehlungen erst eine
       eigensinnige Aneignung des Festivals ermöglichen.
       
       10 Nov 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Silvia Hallensleben
       
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