# taz.de -- Zum Tod von Manfred Bruns: Vom „Sicherheitsrisiko“ zum Helden
       
       > Die Regenbogenwelt verabschiedet sich von einem Vorkämpfer.
       > Ex-Bundesanwalt Manfred Bruns prägte das LGBTI*-Engagement im deutschen
       > Recht.
       
 (IMG) Bild: Manfred Bruns im Jahr 2002
       
       Berlin taz | In den späten achtziger Jahren kam er in die Schwulenbewegung
       – und muss in ihr wie ein Paradiesvogel ex negativo gewirkt haben: Manfred
       Bruns, Jurist und Mitglied der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe, sah eher
       immer aus wie ein Dementi auf alle Vorstellungen des heterosexuellen
       Mainstreams über das Schwule. Gediegen, im Style eher das Gegenteil von den
       Regenbögen der queeren Bewegungen. Und genau das sei, so sagte er einmal,
       „mein Vorteil gewesen, mit meiner Hartnäckigkeit rechnete man nicht“.
       
       Wie zutreffend: Der 1934 in Linz am Rhein geborene Mann setzte der
       bundesdeutschen Rechtsprechung in Sachen LGBTI* zu wie niemand sonst. Seine
       Biografie, so bemerkte er Jüngeren gegenüber gern, doch stets mit einem
       beiläufig bitteren Ton, sei durch die homophobe, nazifundierte Gesetzgebung
       gegen Homosexuelle beschädigt worden.
       
       Als schwuler Mann war er durch den Paragrafen 175 behindert, ein Leben nach
       seinen Möglichkeiten zu leben. 1961 heiratete er eine Frau, von der sich
       nie scheiden ließ, bekam mit ihr drei Kinder; seiner Familie gegenüber
       [1][outete] er sich erst Anfang der Achtziger als homosexuell, schließlich
       auch gegenüber seiner Behörde.
       
       Er erlebte eine typisch homophobe Reaktion seines Vorgesetzten, des
       Generalbundesanwalts Kurt Rebmann: Der zog seinen Beamten von allen
       sogenannten Staatsschutzangelegenheiten ab. Als Schwuler sei der ein
       „Sicherheitsrisiko“, weil erpressbar. Aber ebendies war Bruns durch seine
       Offenheit keineswegs. Niemand hätte ihn nötigen können, irgendein
       Dienstgeheimnis preiszugeben, um zu verhindern, als Homosexueller enttarnt
       und der offenen Aussätzigkeit preisgegeben zu werden.
       
       Vielmehr wurde er, aus der Perspektive seiner Gegner:innen, zur Nervensäge
       in Sachen Bürgerrechte für LGBTI*-Menschen schlechthin, zur juristischen
       Ein-Person-Guerilla wider das heteronormative Paragrafensystem.
       
       Er verzettelte sich indes nie in Identitätsfragen, interessierte sich
       allenfalls höflich für Erörterungen darüber, ob Queeres an sich
       revolutionär oder subversiv sein könnte, und erarbeitete mit Volker Beck
       und Günter Dworek von den Grünen ein Programm zur Umstülpung des deutschen
       Rechts für die Gleichberechtigung Homosexueller: [2][Tilgung des Paragrafen
       175] im Jahre 1994, die Eingetragene Lebenspartnerschaft im Jahr 2000,
       Konzepte für die 2017 eingeführte Ehe für alle, zahllose weitere
       Initiativen zur Verbesserung der Lebenssituation von LGBTI*-Menschen.
       
       Schon in den frühen Morgenstunden forstete er juristische Magazine durch,
       prüfte Urteile und ihre (sehr oft kruden) Begründungen in Sachen LGBTI*.
       Bruns fegte als treibende Kraft auch des Lesben- und Schwulenverbands
       Deutschland seit den frühen Neunzigern die muffige Juristerei und ihr
       antiqueeres Paragrafengestrüpp aus. Er erhielt eine Fülle von Preisen; aus
       der Hand von Bundespräsident Roman Herzog wurde ihm 1994 das
       Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen.
       
       Bruns' Credo, im rheinischen Tonfall geäußert, war vielleicht dieses:
       „Machen wir uns an die Arbeit, andere werden sie nicht erledigen.“ Am
       Dienstag ist er im Alter von 85 Jahren verstorben. Die Regenbogenwelt ehrt
       ihn als Helden und das zu Recht.
       
       23 Oct 2019
       
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