# taz.de -- Wahl in Kanada: Weiter links
       
       > Die Wähler wollten Trudeau abmahnen, aber zugleich sicherstellen, dass
       > ihr Land auf fortschrittlichem Kurs bleibt und nicht nach rechts
       > abdriftet.
       
 (IMG) Bild: Kanada will weltoffen bleiben
       
       Er wankte, [1][aber er fiel nicht]: Anders als von vielen vorhergesagt hat
       sich Justin Trudeau noch einmal über die Ziellinie gerettet. Der kanadische
       Premierminister kann im Amt bleiben – trotz [2][diverser Skandale],
       offenkundiger charakterlicher Schwächen, einiger Glaubwürdigkeitsprobleme,
       gebrochener Wahlkampfversprechen und geschrumpfter persönlicher
       Zustimmungswerte.
       
       Doch die kanadischen Wähler sind traditionell milde. Über 80 Jahre ist es
       her, dass sie einen mit Mehrheit regierenden Premier nach nur einer
       Amtsperiode in die Opposition geschickt haben. Und so haben sie auch
       Trudeau am Montag [3][eine zweite Chance] gegeben – allerdings mit Warnruf.
       Im Parlament hat er zukünftig keine eigene Mehrheit mehr und ist gezwungen,
       mit kleinen Parteien zu kooperieren.
       
       Die Botschaft der Wähler ist klar: Sie wollten Trudeau abmahnen, aber nicht
       abstrafen. Damit wollten sie sicherstellen, dass ihr Land auf
       fortschrittlichem Kurs bleibt und nicht dem Beispiel anderer Länder nach
       rechts oder rechts außen folgt. Eher das Gegenteil wird zukünftig der Fall
       sein. Alle drei potenziellen Partner Trudeaus im Parlament in Ottawa sind
       im Zweifel weiter links verortet als der Premier.
       
       Die Konservativen unter Oppositionschef Andrew Scheer gewannen in absoluten
       Zahlen zwar die meisten Stimmen, einen Durchbruch aber schafften sie nicht.
       Die neue rechtspopulistische People’s Party, die mit Angst vor Überfremdung
       auf Stimmenfang gegangen war, stieß kaum auf Resonanz. Tatsächlich haben
       zwei Drittel der Kanadier am Montag für Parteien links der Mitte gestimmt.
       
       Auf der Weltbühne wird Kanada damit einstweilen seinem moderaten Kurs treu
       bleiben als Gegenpol zu Populisten à la Trump, Orbán, Bolsonaro & Co. Als
       ein Land, das seine Grenzen für Zuwanderer und Flüchtlinge offenhält, das
       der internationalen Zusammenarbeit verpflichtet ist und das den Klimaschutz
       und Menschenrechte ernst nimmt. In Zeiten wie diesen ist das ein
       ermutigendes Zeichen.
       
       Wie lange sich Trudeaus geschwächte Regierung im Amt halten kann, steht auf
       einem anderen Blatt. In Kanada enden Minderheiten-Konstellationen meist vor
       Ablauf der vollen Legislaturperiode. Gut möglich also, dass die Wähler
       schon in zwei bis drei Jahren wieder an die Wahlurnen müssen oder sogar
       früher. Bis dahin hat Justin Trudeau Zeit, verlorenes [4][Vertrauen
       zurückzugewinnen].
       
       22 Oct 2019
       
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