# taz.de -- Eine kapitalistische Falle: Schneesturm gegen Mietendeckel
       
       > Privilegierte Leute in Berlin sorgen sich. Denn sie können nicht mehr mit
       > Hilfe von hohen Mieten Altersvorsorge betreiben.
       
 (IMG) Bild: Was ist Berlin? Proletarier-Platte oder Erben-Altbau?
       
       Nur eine Gesellschaft, die offen über Kapital spricht, statt dieses zu
       verheimlichen, kann Ressourcen gerecht umverteilen. Aber auch in der Linken
       geben Leute ungern zu, wenn sie Immobilien oder viel Geld besitzen. Reich
       sein will niemand. Die Reichen, das sind die Unsympathischen. Man schämt
       sich. Was Reiche jedoch so unbeliebt macht, ist nicht zuerst ihr Geld,
       sondern ihr Habitus und die Art, wie sie ihren Besitz erhalten: auf dem
       Nacken der Armen und Marginalisierten.
       
       Dieser Tage sind Eigentumswohnungen zum Hot Topic geworden. Twitter stand
       kurz in Flammen, ausgelöst durch die Kritik einer taz-Kollegin am
       [1][Berliner Mietendeckel]. Während sich gefühlt die ganze Welt (zumindest
       meine) auf ein Gesetz für bezahlbaren Wohnraum in Berlin und somit auf eine
       „Geile Zeit“ (wie der Song von Juli) freute, outete sich die Kollegin als
       Gegnerin des Senatsbeschlusses. Viele ihrer Freund_innen lebten in ihren
       Eigentumswohnungen, die später mal zur Altersvorsorge werden sollten,
       führte sie an.
       
       Nun könnte genau dieser Gruppe der Mietendeckel herzlich egal sein,
       schließlich zahlt sie ja keine Miete – und in den nächsten fünf Jahren, in
       denen der Mietendeckel gilt, werden die Anfangdreißigjährigen kaum in Rente
       gehen. Zumal auch mit Mietendeckel die Vermieter_innen keinen Verlust,
       sondern bloß weniger Gewinn machen würden.
       
       Neben viel berechtigter Widerrede gab es für die Kollegin leider auch
       hässliche Drohungen, die man niemandem wünscht, auch keiner Person, die
       statt für gemeinschaftliche Lösungen lieber auf Individuelle setzt.
       
       Das Problem an ihrer Argumentation ist nicht, dass sie eine
       Eigentumswohnung besitzt. Damit befindet sie sich zwar auf der
       privilegierteren Seite des Wohnungsmarktes, doch das sei ihr gegönnt.
       Wohlwollend gehe ich mal davon aus, dass sie dafür keine
       Arbeiter_innenfamilie oder WG rausgekickt hat, sondern dass die Wohnung
       einfach leer stand.
       
       Doch all das ändert nichts an der Tatsache, dass ihre Argumentation in eine
       kapitalistische Falle lockt. Die meisten Leute, die ich kenne, werden sich
       nie eine Eigentumswohnung leisten können. Viele von ihnen haben nicht
       einmal einen richtigen Mietvertrag, sondern wohnen prekär zur Untermiete.
       Diese Leute würden sicher auch gern was für ihre Altersvorsorge tun. Aber
       sie müssen erst mal Schulden abbezahlen.
       
       Die Verlierer_innen des Wohnungsmarkts waren und bleiben immer sie. Nicht
       Leute mit Eigentumswohnungen, die erst Teil des Berliner Schneesturms
       werden und sich dann darüber beschweren, dass man den Leuten nur eine faire
       Miete abzwacken kann.
       
       Zu akzeptieren, dass man ein paar Euro weniger Profit macht, wäre der erste
       Schritt in Richtung solidarische Gesellschaft. Den Rest regelt dann
       [2][Enteignung], inshallah.
       
       Anm. der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, die
       Kollegin habe im Stadtteil Neukölln eine Wohnung gekauft. Das war ein
       Irrtum, den wir in Absprache mit der Autor_in korrigiert haben. Die
       Autor_in sieht die Verdrängung der armen und marginalisierten Bevölkerung
       als eine Problematik, die alle Stadtteile betrifft, Neukölln ist nur das
       sichtbarste Beispiel.
       
       28 Oct 2019
       
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