# taz.de -- Protest gegen Lucke: Danke für die Störung, Hamburg
       
       > Dass der AfD-Mitgründer seinen Lehrstuhl wieder aufnehmen darf, sollte
       > keine Selbstverständlichkeit sein. Die Proteste sind ein wichtiges
       > Zeichen.
       
 (IMG) Bild: War was? Lucke will am 16. Oktober seine Antrittsvorlesung an der Uni Hamburg halten
       
       Die einzigen Waffen, die uns in einer Demokratie zustehen sollten, sind
       unsere Stimmen. Und mit Stimmen meine ich beide Varianten: das Kreuzchen
       auf unserem Wahlzettel, und das, was wir zu sagen haben. Dass unsere
       Stimmen mal lauter, mal aggressiver, mal verstörender klingen werden, lässt
       sich nicht vermeiden. Ja, es ist sogar notwendig.
       
       Gerade in einer Zeit wie dieser, in der Rechtsextreme zu anderen Waffen
       greifen, um etwa wie kürzlich an Jom Kippur in Halle Jagd auf Menschen zu
       machen, die in Synagogen beten, in Döner-Imbissen arbeiten oder einfach nur
       die Straße entlang spazieren.
       
       Nun dürfte es wenig bringen, bewaffnete Terroristen anzuschreien. Sie
       sollten ja ein Fall für die Sicherheitsbehörden sein, die theoretisch
       längst alle Möglichkeiten besitzen, rechte Gefährder ausfindig zu machen,
       bevor diese morden – wenn denn Interesse daran bestünde. Wo wir hingegen
       unsere lautstarken Zwischenrufe strategisch nutzen können, sind die Orte,
       an denen jene Politiker sprechen, die den ideologischen Boden für solche
       Taten bereiten.
       
       So etwa letzte Woche an der Uni Hamburg, als AfD-Mitbegründer Bernd Lucke
       nach fünf Jahren Beurlaubung seine erste Vorlesung in Makroökonomie halten
       wollte. Zwischenrufe wie „Nazischweine raus aus der Uni“ und „Ganz Hamburg
       hasst die AfD“ hinderten ihn daran. Einige Journalist_innen, [1][auch in
       diesem Blatt], verurteilten diesen Protest. Unis seien Orte des Diskurses,
       dazu gehörten auch „unterschiedliche Meinungen“. Und Lucke sei schließlich
       nicht Höcke, also kein eindeutiger „Nazi“, zudem sei er aus der AfD
       ausgetreten.
       
       ## Abstecher in den Rechtsextremismus
       
       Aber gerade dieses Augezudrücken ist Teil des Problems. Lucke hat wegen
       innerparteilicher Machtkämpfe die rechtsextreme Partei verlassen, die er
       selbst mitgegründet hat. Ihn nun als geläuterten armen Mann darzustellen,
       der doch nur seiner Arbeit nachgehen will, verharmlost nicht nur die
       menschenfeindliche Politik der AfD, von der sich Lucke nie deutlich genug
       distanziert hat. Sie normalisiert sie.
       
       Warum sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass gescheiterte
       Rechtspopulisten wieder auf ihre Professorenstellen zurückdürfen, auf die
       so viele andere Anwärter_innen ein Leben lang hinarbeiten, ohne einen
       Abstecher in rechtsextremistische Kreise zu machen? Gegen diese
       Selbstverständlichkeit haben die Hamburger Aktivist_innen und Studierenden
       am vergangenen Mittwoch protestiert. Dafür verdienen sie unseren Dank. Ihre
       Slogans haben uns daran erinnert, wer da eigentlich gerade an sein Pult
       zurückschleicht.
       
       Dass dabei auch das ein oder andere Papierkügelchen flog, kann man als
       infantilen Protest abtun. Oder es feiern, als kleinstmögliche Form der
       physischen Gewalt angesichts der Übergriffe und Morde, die sich seit Jahren
       ins ideologische Umfeld der AfD zurückverfolgen lassen. Am folgenden Tag
       konnte Lucke übrigens seine Vorlesung ganz ungestört halten. Der Protest
       hat schließlich sein Ziel erreicht: die deutsche Normalität stören, wenn
       auch nur für 90 Minuten.
       
       20 Oct 2019
       
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