# taz.de -- Neuer Bericht des UN-Klimarats: Wärmer ohne Weg zurück
       
       > Ein neuer Bericht des UN-Klimarats zeigt: Eisflächen schmelzen schneller,
       > Meere erwärmen sich rasant. Einiges wird nicht mehr zu bremsen sein.
       
 (IMG) Bild: Mit der Erwärmung der Erde ziehen sich auch die Eismassen in der Aktis zurück
       
       Berlin taz | Die Klimakrise ist nach einem neuen Bericht des
       UN-Weltklimarats IPCC keine Frage der Zukunft, sondern bereits jetzt in den
       Meeren und an den Polen greifbar, sichtbar und messbar. Die meisten
       Gletscher und Eisschilde der Erde schmelzen derzeit immer schneller, der
       Meeresspiegel steigt an den meisten Orten im Rekordtempo, die Weltmeere
       erwärmen sich, verändern ihre chemische Zusammensetzung und bieten Tieren
       und Pflanzen schlechtere Lebensbedingungen.
       
       Die Ozeane und Eisflächen der Erde, die zusammen 81 Prozent der Oberfläche
       ausmachen, verändern sich grundlegend und viele dieser Entwicklungen sind
       bereits heute nicht mehr umzukehren. Das sind die zentralen Aussagen des
       „[1][Sonderberichts Ozean und Kryosphäre]“, den der IPCC am Mittwoch
       präsentiert hat.
       
       Der Report fasst den Stand der Wissenschaft über den Zustand der Meere und
       Eisgebiete zusammen: Demnach haben sich die Meere an der Oberfläche
       gegenüber der vorindustriellen Zeit bereits um etwa ein Grad Celsius
       erwärmt. Die Berggletscher, das See-Eis der Arktis und der grönländische
       Eispanzer haben begonnen, stark zu schmelzen. Wegen der Schmelze und der
       Erwärmung ist der weltweite mittlere Meeresspiegel zwischen 1902 und 2015
       um 16 Zentimeter gestiegen und klettert in den letzten Jahren 2,5-mal so
       schnell wie vorher. 680 Millionen Menschen in tief gelegenen Küstenregionen
       sind vom Anstieg betroffen, etwa ebenso viele Menschen spüren das Schmelzen
       der Gletscher in den Hochgebirgen.
       
       Der Report des Klimarats wurde von der UNO angefordert. Er folgt auf zwei
       andere Sonderberichte, die im Sommer 2019 zu [2][Landnutzung] und im
       Oktober 2018 zum [3][1,5-Grad-Ziel] von den Wissenschaftlern
       zusammengestellt wurden. Der Tenor aller Berichte: Der Klimawandel
       schreitet schneller voran als gedacht, nur eine drastische und schnelle
       Reduktion der globalen CO2-Emissionen verhindert die schlimmsten Folgen.
       
       Wie die anderen Berichte wurde auch dieser Text zu Ozeanen und Eisflächen
       von den Regierungen der UN-Staaten als Arbeitsgrundlage akzeptiert. In
       zähen Verhandlungen hatten die Autorinnen und Autoren seit Ende letzter
       Woche in Monaco an dem Text gearbeitet, zum Schluss in einer 30-stündigen
       Marathonsitzung.
       
       ## Jahrelange Kleinarbeit
       
       Was die etwa 100 Autorinnen und Autoren in jahrelanger Kleinarbeit
       zusammengetragen haben, ist deutlich: Der Rückgang der Eisflächen führe
       „vornehmlich zu negativen Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit,
       Wasserreserven, Wasserqualität, das Auskommen und die Gesundheit, auf
       Infrastruktur, den Verkehr, Tourismus und Erholung“. Besonders betroffen
       sind die etwa 4 Millionen Arktisbewohner, die zum Teil indigenen Völkern
       angehören.
       
       In den Ozeanen warnen sie vor dem „tödlichen Trio“, wie es unter Forschern
       heißt: Die Kombination aus Erwärmung (die Zahl von Hitzewellen im Meer
       nimmt zu), Versauerung (durch die Aufnahme etwa eines Drittels des
       menschengemachten Kohlendioxids) und Sauerstoffmangel (durch weniger
       Durchmischung des Wassers) gefährde Tiere und Pflanzen: Fischbestände
       verändern sich und wandern in Richtung der Pole, Korallen sterben in der
       Hitze, auch die Bestände von Seegras und Seetang geraten in Gefahr, wenn
       die Temperaturen weiter steigen.
       
       Vor allem warnen die Forscher, dass Prozesse begonnen haben, die in den
       nächsten Jahrzehnten und Jahrhunderten nicht mehr zu bremsen sind. „Über
       das 21. Jahrhundert zeigen die Projektionen, dass sich der Ozean in nie
       dagewesene Zustände verwandeln wird mit höheren Temperaturen, weniger
       Durchmischung, weiterer Versauerung, Rückgang des Sauerstoffs und
       veränderter Primärproduktion.“ Hitzewellen und extreme Wetterereignisse wie
       El Niño würden zunehmen, der Golfstrom im Nordatlantik werde sich nach den
       Voraussagen abschwächen.
       
       Mit großer Sorge blicken die Forscher in die Polargebiete. Die Arktis hat
       sich im Schnitt bereits um 3 bis 5 Grad erwärmt. Die Eisfläche im Sommer
       ist so gering wie seit 1.000 Jahren nicht mehr, in jedem Jahrzehnt verliert
       die Eisdecke etwa 10 Prozent. Die Permafrostböden in Nordamerika und
       Sibirien tauen langsam auf. Die Gefahr: Sie könnten große Mengen
       zusätzlicher Treibhausgase wie CO2 und Methan freisetzen. In ihnen
       schlummern nach IPCC-Berechnungen 1.500 Milliarden Tonnen Kohlenstoff –
       zweimal so viel, wie bisher in der Atmosphäre gelagert ist.
       
       ## Reiche können sich leichter anpassen
       
       Die Anpassung an steigende Meeresspiegel und an das Schmelzen des
       arktischen Eises gelingt vor allem den Reichen, weniger den Armen, warnt
       der Klimarat. Kleine Inselstaaten oder indigene Gemeinschaften seien
       deutlich weniger angepasst als große Superstädte. Insgesamt bilde die
       Entwicklung eine „Herausforderung für Regierungen bei der Anpassung auf
       lokaler und globaler Ebene“, manche Gemeinschaften kämen dabei „an die
       Grenzen“. Sprich. Es wird darüber nachgedacht, Orte aufzugeben. Es zeige
       sich: „Menschen mit der größten Verwundbarkeit sind oft jene mit der
       geringsten Möglichkeit, auf die Situation zu reagieren.“
       
       „Der Bericht zeigt sehr deutlich, dass die Staatengemeinschaft so nicht
       weitermachen kann“, sagt Mojib Latif, Ozeanexperte am
       Geomar-Helmholtz-Forschungszentrum an der Universität Kiel. „Im Moment sind
       wir auf einem Kurs von drei bis vier Grad Celsius globale Erwärmung. Das
       wäre eine katastrophale Erwärmung und würde die Lebensbedingungen auf der
       Erde dramatisch verschlechtern, insbesondere auch was die
       Nahrungsmittelversorgung angeht.“
       
       Für Ben Marzeion, Professor für Klimageografie an der Universität Bremen
       und einer der Autoren des Berichts, verdeutlicht er, „dass wir heutzutage
       nur einen kleinen Vorgeschmack bekommen von dem, was auf uns zukommt“.
       Besonders bedrückend empfindet er die Aussagen zum Meeresspiegel: „Ein
       Anstieg von mehr als einem Meter im 21. Jahrhundert wird im Bericht nicht
       mehr ausgeschlossen.“ Entscheidend sei hier die Antarktis, deren Reaktion
       auf starke Erwärmung noch nicht verstanden sei.
       
       25 Sep 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.ipcc.ch/report/srocc/
 (DIR) [2] https://www.ipcc.ch/report/srccl/
 (DIR) [3] https://www.de-ipcc.de/256.php
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Pötter
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Erderwärmung
 (DIR) IPCC
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Polarstern
 (DIR) Meere
 (DIR) Klimapaket
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Eisberg
 (DIR) Schwerpunkt Angela Merkel
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Landwirtschaft
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Studie zu Atlantik-Strömung: Sie schwächelt
       
       Die Atlantik-Strömung, zu der auch der Golfstrom gehört, steht einer Studie
       zufolge möglicherweise vor dem Zusammenbruch. Sie sei so schwach wie nie
       zuvor.
       
 (DIR) Katja Matthes über Klima und Gendering: „Als Frau muss man robust sein“
       
       Katja Matthes wird die erste Chefin des Geomar-Helmholtz-Zentrums für
       Ozeanforschung. Ein Gespräch über Klima und männliches Dominanzverhalten.
       
 (DIR) Klimaworkshop für Kinder: Eiswürfel im Museum
       
       Ein Workshop in Berlin erklärt Kindern den Klimawandel. Warum es so
       dramatische Folgen hat, wenn Gletscher und Eisberge schmelzen.
       
 (DIR) Klimaforscherin über Polarexpedition: „Das Eis ist weniger dick“
       
       Die Physikerin Dorothea Bauch war mit der „Polarstern“ in der Arktis. Im
       Interview erzählt sie vom Alltag auf dem Forschungsschiff.
       
 (DIR) Klimawandel heizt Meere auf: Ozeane so warm wie nie zuvor
       
       WissenschaftlerInnen schlagen mit neuen Daten Alarm. Immer wärmere Meere
       lösen Wirbelstürme und extremes Wetter aus.
       
 (DIR) Debatte um den Klimawandel: Nicht viel mehr als Visionen
       
       Die Erderwärmung schreitet schneller voran als berechnet. Eigentlich müsste
       die Menschheit verzweifeln, doch die Verdrängung funktioniert bestens.
       
 (DIR) Klimawandel in Bremen: Aus der Baum
       
       Mehr als 6.000 Bremer Bäume gelten infolge der trockenen Sommer als
       Notfall-Patienten, die verkümmern. Gewachsen ist stattdessen die
       Unfallgefahr.
       
 (DIR) Studie zum Meeresspiegelanstieg: „Ein halber Meter entscheidet“
       
       Neue Daten legen nahe, dass der steigende Meeresspiegel mehr Menschen
       bedroht. Gefahr droht aber weniger in Norddeutschland als in Asien.
       
 (DIR) Massive Bewegung in der Antarktis: Riesiger Eisberg bricht ab
       
       Am Südpol hat sich ein Brocken von der Größe Londons vom ewigen Eis gelöst.
       Mit dem Klimawandel hat das nichts zu tun, sagen Wissenschaftler.
       
 (DIR) Vor dem New Yorker Klimagipfel: Merkel will mit Klimapaket punkten
       
       Beim Gipfel in New York will Angela Merkel ihr Klimapaket präsentieren.
       Doch ein UN-Report zeigt, dass die Beschlüsse bei Weitem nicht reichen.
       
 (DIR) Klimawandelleugner in Deutschland: Halb wahr, ganz falsch
       
       In Deutschland haben die Leugner der Erderhitzung kaum Einfluss. Dennoch
       wird gern mit Fake News gegen den Konsens gestänkert.
       
 (DIR) Anstehende Berichte des Weltklimarats: Warnsirene im Dauereinsatz
       
       Der Weltklimarat IPCC schildert nüchtern die Dramatik der Erderhitzung. Das
       nächste Horrorszenario kommt am 25. September zu Ozeanen und Eisflächen.
       
 (DIR) Neue Analyse des Weltklimarats: Ohne Agrarwende kein Klimaschutz
       
       Laut einem Bericht ist die Erderhitzung nur mit naturnaher Landwirtschaft
       zu stoppen. Bisher trägt der Agrarsektor zu stark zum Klimawandel bei.