# taz.de -- Gärtnerinnen über Klimawandel: „Herbstfärbung schon Anfang August“
       
       > Hille Ahlers und Cordula Hamann von der Arbeitsgemeinschaft
       > selbstverwalteter Gartenbaubetriebe schildern, wie sie den Klimawandel
       > erleben.
       
 (IMG) Bild: Müssen sich ans veränderte Klima anpassen: Korbblütler samt Schmetterling
       
       taz: Frau Hamann und Frau Ahlers, Sie haben 1986 die
       Bundesarbeitsgemeinschaft selbstverwalteter Gartenbaubetriebe, kurz Baseg,
       mitbegründet. Gab es damals in der Branche bereits Diskussionen über das
       Klima? 
       
       Cordula Hamann: Klar ging es damals in der Diskussion um ökologische Themen
       vor allem um das Waldsterben und die AKWs. Klimawandel als Begriff gab es
       damals aber noch nicht. Das was jetzt passiert, ist wirklich eine
       Katastrophe und als Gärtner*innen sind wir so nah dran an dieser
       Klimakatastrophe, dass man sich dazu verhalten muss und das tun wir in der
       Baseg am 20. September.
       
       Wie kam es zu der Idee, am Klimastreik teilzunehmen? 
       
       Hille Ahlers: Jemand von der Baseg hat einen Entwurf rumgeschickt. Da wir
       basisdemokratisch funktionieren, konnte jeder noch etwas verändern, anfangs
       fehlte etwa die Forderung nach dem Atomausstieg. Für mich persönlich war
       klar, dass ich streike.
       
       Hamann: Bei der Baseg gibt es einen klaren, politischen Hintergrund. Wir
       haben damals beim Irakkrieg auch einen Steuerstreik gemacht. Ich habe heute
       Morgen überlegt, dass ich es mir eigentlich nicht vorstellen kann, wie man
       Gärtner*in oder Gartenplaner*in sein kann, ohne ein ökologisches
       Bewusstsein zu haben.
       
       Und wie wird gestreikt? 
       
       Hamann: Unterschiedlich. Es gibt die Überlegung, bei örtlichen Demos
       mitzumachen. Einige wollen stattdessen Müll aufsammeln oder Bäume pflanzen.
       
       Inwiefern sind die Veränderungen für Sie als Gärtner*innen sichtbar? 
       
       Ahlers: Wenn man sich ein bisschen auskennt mit Pflanzen und mit offenen
       Augen durch die Gegend läuft, sieht man viel. Hainbuchen und Birken,
       heimische Gehölze, die hier immer standen, sehen jetzt katastrophal aus.
       Felsenbirnen, die eigentlich sehr resistent sind, trocknen dahin. In der
       Stadt sieht man auch vieles, was gefällt wurde, weil es umsturzgefährdet
       war.
       
       Hamann: Rot- und Blutbuchen leiden in den letzten zwei Jahren ganz extrem.
       Einige Pflanzen hatten Anfang August schon die Herbstfärbung, die sie
       normalerweise erst Anfang Oktober bekommen.
       
       Geht es kultivierter Natur genauso schlecht wie derzeit dem Regenwald? 
       
       Hamann: Bis auf wenige Flächen haben wir auf der Erde nur noch
       Kulturlandschaften. Unangetastete Natur gibt es fast nicht mehr. Das ist
       so, weil auf dieser Welt Menschen leben, die in den Lebensraum eingreifen,
       das ist per se ja auch noch nicht das Schlimmste. Brandrodung in einem
       begrenzten Rahmen kann mit der Asche und dem Regen ja sogar einen positiven
       Effekt auf die Fruchtbarkeit des Bodens haben. Aber gezüchtete Pflanzen,
       die es in unseren Gärten seit 100, 150 Jahren gibt, wachsen bald nicht
       mehr, weil sie mit der Trockenheit und der Hitze nicht mehr zurecht kommen.
       Gärtnereien vermehren und verkaufen diese deshalb teilweise gar nicht mehr
       – das hat mit dem Klima zu tun.
       
       Besteht die Gefahr, dass einige Pflanzen aussterben? 
       
       Ahlers: Aussterben ist vielleicht zu viel gesagt, aber reduziert bestimmt.
       Es wird immer mehr in Richtung trockenheitsresistenter Gärten gehen.
       
       Hamann: Und es geht dahin, dass einiges auch in Baumschulen und
       Staudengärtnereien aus dem Sortiment genommen wird, das schränkt die
       Vielfalt ein.
       
       Könnte man heimische Pflanzen resistent züchten? 
       
       Hamann: Buchen etwa werden über Aussaat vermehrt. Bei bestimmten Exemplaren
       merkt man dann vielleicht, dass sie mit Trockenheit gut zurecht kommen,
       also bestimmte Eigenschaften entwickelt haben. Diese Pflanzen versucht man
       dann zu vermehren. Wenn dadurch eine neue Pflanze entsteht, die resistenter
       ist, würde die dann auch einen neuen Sortennamen bekommen.
       
       Ahlers: Auch die Natur verändert sich ständig. Wenn wir nichts machen
       würden, würde sie sich selbst anpassen, was aber die Pflanzenwelt verändert
       und natürlich auch Auswirkungen auf die Tierwelt und auf die Menschen hat.
       
       Gibt es bei Ihren Kund*innen, für die Sie Gärten konzipieren, eine
       Aufmerksamkeit für das Thema? 
       
       Ahlers: Da hat sich auf jeden Fall etwas verändert. Da wir von Beginn an
       ökologisch arbeiten, hatten wir das in unserem Klientel zwar schon immer,
       es gibt aber immer mehr Leute, die sagen, dass sie etwas tun und etwa einen
       insektenfreundlichen Garten haben wollen. Schön wäre, wenn Stadtgrün auch
       mitziehen würde, der Rembertikreisel etwa könnte eine komplette Blumenwiese
       sein. Die zu pflegen ist außerdem viel leichter als ständig zu mähen. Da
       ist zwar schon ein bisschen was passiert, ich denke aber, es könnten noch
       viel mehr Flächen ökologisch umgestaltet werden.
       
       Hamann: Es gibt Städte, die dabei als Vorbild dienen könnten. Die Stadt
       Andernach zum Beispiel hat als Stadtbegrünung Gemüse angebaut und alle
       dürfen ernten.
       
       Anders als im Wald gibt es im Garten die Möglichkeit zu gießen. 
       
       Ahlers: Bewässerungssysteme nehmen zu, schon letztes Jahr kamen Firmen, die
       Pumpen gebaut haben nicht mehr hinterher. Viele Kund*innen wollen auch
       Beregnungsanlagen. Da stellt sich auch die Frage, wie wir mit unseren
       Wasserressourcen umgehen und ob man einen Rasen ständig wässern muss, damit
       er grün bleibt. Ich finde Rasen kann mal braun werden, der erholt sich
       relativ schnell wieder. Gerade Staudenpflanzung kann man aber anpassen und
       die Stauden dahin erziehen, dass sie tiefer wurzeln und sie so weniger
       Wasser brauchen. Dabei ist es wichtig, gerade nicht so viel zu gießen. Wenn
       man jeden Abend gießt, führt das dazu, dass Pflanzen nur oben wurzeln, weil
       sie dort genug Wasser haben, wenn der Boden immer feucht ist. Wenn dann mal
       das Gießen wegfällt, werden sie sofort trocken. Wird stattdessen von Anfang
       an nur alle vier bis fünf Tage gegossen, wurzeln die Pflanzen tiefer und
       versorgen sich selbst mit Feuchtigkeit.
       
       Wie überzeugt man Leute, Brennnesseln im Garten wachsen zu lassen? 
       
       Ahlers: Es muss ja nicht im Schaubeet, sondern kann hinten beim Kompost
       sein. Die Falter, die auf Brennnesseln angewiesen sind gibt es sonst
       irgendwann nicht mehr, wenn wir die alle ausreißen. Außerdem finde ich
       Brennnesseln wunderschön.
       
       20 Sep 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Teresa Wolny
       
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