# taz.de -- Deckelung der Mieten in Berlin: Die SPD will nicht kämpfen
       
       > Der Mietendeckel der Berliner Linkspartei ist ein wirksames Instrument.
       > Er gibt der Allgemeinheit wieder die Macht über die Mietpreise zurück.
       
 (IMG) Bild: Wohneigentum verpflichtet – das soll bald für Berliner VermieterInnen gelten
       
       Die Wohnungsfrage gehört zu den klassischen Kampffeldern
       sozialdemokratischer Gerechtigkeitspolitik. In der Folge der
       Industrialisierung waren es Sozialdemokraten, die das Millionenheer der
       Arbeiter und ihrer Familien zunächst mit selbstorganisiertem,
       genossenschaftlichem und dann kommunalem Wohnungsbau aus den
       Drecksquartieren der schnell gewachsenen Industriestädte heraus geholt und
       im Siedlungsbau menschenwürdig untergebracht haben.
       
       Natürlich gab es neben diesem halböffentlichen Wohnungsbau immer auch einen
       privaten Wohnungsmarkt, auf dem sich die Besserverdienenden in ihren
       segregierten Stadtteilen ausgetobt haben. Aber den sozialdemokratischen
       Wohnungspolitikern ist es stets darum gegangen, den Wohnungsmarkt so zu
       steuern, dass die Privaten zwar Renditen auf ihren Wohnungsbesitz
       erwirtschaften konnten, aber die Mieten für alle anderen durch das hohe
       öffentliche Wohnungsangebot bezahlbar blieben.
       
       Dieses permanent umkämpfte Gleichgewicht zwischen sozialem und privatem
       Wohnungsbau haben Sozialdemokraten – aber nicht nur sie – vor wenigen
       Jahrzehnten willentlich zerstört. Beispiel Berlin: Zusammen mit der
       damaligen PDS verkauften sie rund 150.000 öffentliche Wohnungen an private
       Investoren. Den Mietenmarkt in der Hauptstadt [1][bestimmen deshalb jetzt
       Vonovia, Deutsche Wohnen und Co].
       
       Verstärkt haben die Sozialdemokraten deren Marktmacht noch dadurch, dass
       sie seit Jahren nahezu alle öffentlich verfügbaren Grundstücke zum
       Markt-Höchstpreis verhökern, sodass es für kommunale
       Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften fast keine
       entwicklungsfähigen Grundstücke mehr gibt.
       
       ## Finanzinvestoren geben den Takt vor
       
       Anstatt im Sinne ihrer eigenen Wohnungsbautradition selbst zu bauen,
       lassen die Sozialdemokraten sich heute von Finanzinvestoren und privaten
       Entwicklern den Takt des Wohnungsbaus vorschreiben. Die kleinen und
       größeren Genossenschaften der Stadt ignorieren sie dagegen.
       
       Kein Wunder, dass die durchschnittlichen Bruttokaltmieten in Berlin in den
       letzten drei Jahren von 5,20 Euro auf 11 Euro angestiegen sind. Die alte
       Wohnungsfrage ist, selbstverschuldet, wieder da. Eine vierköpfige Familie
       mit zwei Kindern und einem Einkommen von etwa 2.000 Euro Nettoeinkommen
       kann keine Kaltmieten von 1.000 Euro aufwärts zahlen. Und nun?
       
       Die Linkspartei will mit der Mietpreisbremse die Brocken aufnehmen und mit
       ihrem radikalen Mietendeckel den privaten Wohnungsmarkt austrocknen. Der
       öffentlichen Hand soll dadurch die Definitionsmacht über die Preise am
       Wohnungsmarkt zurückgegeben werden. [2][Ihr Ansatz] ist verblüffend
       einfach.
       
       Für alle Wohnungen der Stadt wird eine Mietobergrenze festgeschrieben. Alle
       Mieter, die mehr bezahlen und bei denen die Miete 30 Prozent des
       Netto-Familieneinkommens übersteigt, können auf Antrag bei den
       Bezirksämtern ihre Mieten reduzieren. Wichtig sind in dem hier erörterten
       Zusammenhang nicht die Details dieser Regelungen, die den ursprünglich
       radikaler gedachten Ansatz noch weiter verwässern.
       
       Wichtig ist: Für viele Finanzinvestoren werden die Renditen wegbrechen und
       so schnell auch nicht wieder steigen. Jeder klar denkende Finanzinvestor
       wird umgehend Konsequenzen ziehen. Er wird Kasse machen, er wird seine
       Häuser und seine Wohnungen verkaufen.
       
       Da es von diesen Investoren viele gibt, werden binnen Kurzem die Preise
       ihrer Häuser und der dazu gehörenden Wohnungsbestände sinken. Die
       öffentliche Hand, der Senat, seine Wohnungsbaugesellschaften und die
       Genossenschaften der Stadt, können dann, vom Senat aus Steuermitteln
       gestützt, diese Bestände zurückkaufen und im Laufe von 10 Jahren einen
       steuerungsfähigen öffentlichen Wohnungsmarkt wiederherstellen. Stabile
       Mieten, nur in der Spitze mit 9,80 Euro, wären dann gesichert.
       
       Vorstellbar ist, dass die Mieten in der Breite im öffentlichen und
       genossenschaftlichen Wohnungsbau sogar wieder sinken, wenn der Senat
       parallel zum Mietendeckel den Neubau von neuen großen Siedlungen am Rand
       der Stadt schnell und möglichst unkompliziert in Angriff nimmt. 20.000 bis
       30.000 neue Wohnungen sind in fünf Jahren machbar.
       
       So weit die strategischen Optionen, die der Mietendeckel eröffnet. SPD und
       Grüne haben [3][den Vorschlag der Linken zuerst schlechtgeredet] und dann
       aufgeweicht. Die SPD fürchtet, dass die Eigentumsgarantie im Grundgesetz
       bei einem zu radikalen Ansatz des Mietendeckels verletzt wird. Das müsse
       vermieden werden, so die Sozialdemokraten.
       
       ## Die private Nutzung von Eigentum einschränken
       
       Klar wird mit dem Vorschlag der Linken die private Nutzung des Eigentums an
       Grund und Boden sowie Wohnungen eingeschränkt, darin besteht genau der Sinn
       des Vorschlages. Der Mietendeckel soll ja die Sozialpflichtigkeit des
       Eigentums an Grund und Boden und an Wohnraum erst wiederherstellen. Für
       dieses Ziel lohnt es sich, um Zustimmung unter allen Bürgern und vor den
       Gerichten, bis hin zu sicherlich notwendigen Gesetzesänderungen, zu
       kämpfen. Die SPD aber will nicht kämpfen.
       
       Auch die Position der Grünen verblüfft: Sie wollen die Interessen der
       kleinen Wohnungseigentümer berücksichtigt sehen und deshalb die Zahl der
       möglichen Antragsteller auf Mietminderung drastisch reduziert haben. Sollen
       etwa Mieter der ganzen Stadt durch ihre überteuerten Mieten die
       Rentenerhöhung der Besitzer von Eigentumswohnungen, einer besonders treuen
       grünen Wählergruppe, dauerhaft mitfinanzieren?
       
       Die Linke hat mit ihrem radikalen Mietendeckelmodell machtbewusst den
       Schlüssel für eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus und in der Landesregierung
       in die Hand genommen. Eine solche Politik ist mehrheitsfähig. Ein
       Regierender Bürgermeister Klaus Lederer und seine Linke ante portas, das
       ist die Subbotschaft des Mietendeckels. Für die SPD ist das gefährlich –
       nicht nur in Berlin.
       
       5 Sep 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Enteignung-von-Wohnungskonzernen/!5620766
 (DIR) [2] https://dielinke.berlin/mietendeckel/
 (DIR) [3] /Berliner-Mietendeckel-im-Senat/!5618069
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Udo Knapp
       
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