# taz.de -- CDU-Landtagswahlkampf in Sachsen: Billiger Psychotrick kurz vor der Wahl
       
       > Für persönliche Videobotschaften hat Michael Kretschmer 200 Namen
       > eingesprochen. Es wäre besser, er würde beim persönlichen Gespräch
       > bleiben.
       
 (IMG) Bild: Kretschmer mitten im Wahlkampf
       
       Die persönliche Ansprache – eigentlich ein all-time Klassiker aus der
       Marketing-Mottenkiste – aber gut, wenn man ehrlich ist, er wirkt ja auch.
       Der Moment, wenn sich die Chefin endlich den eigenen Vornamen merkt und mit
       „Guten Morgen, Jasmin!“ begrüßt. Das verspricht Relevanz und suggeriert
       Nähe.
       
       Das weiß wohl auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), der
       sich kurz vor der Landtagswahl ein besonderes Wahlkampfmanöver ausgedacht
       hat. Seit Montag kann man sich auf der [1][Homepage der sächsischen CDU]
       eine persönliche Videobotschaft vom Ministerpräsidenten erstellen lassen.
       Mehr als 200 Namen hat er extra dafür eingesprochen.
       
       Konkret heißt das: Man gibt seinen Vornamen in ein Feld ein, seine
       Mailadresse und den Vornamen der Person, an die man das Video versenden
       möchte. Kurz darauf ist die personalisierte Videobotschaft fertig. Die
       Empfänger*in erhält eine Email oder Whatsapp-Nachricht mit der
       Betreffzeile: Deine persönliche Videobotschaft von Michael Kretschmer!
       
       Wer darauf klickt, sieht folgendes: Michael Kretschmer, Ministerpräsident
       von Sachsen (CDU), er, himself, steht mit Sakko, Hemd und Krawatte vor
       einer Bücherwand. Im Regal steht – nach genauem Hinsehen – auch eine kleine
       Spielzeuggiraffe.
       
       Dann spricht er, je nach dem welchen Namen man zuvor eingegeben hat, zu
       Stefan, Brigitte oder Maximilian. Zum Beispiel so: „Hallo Günther,
       vielleicht überrascht es dich, so kurz vor der Wahl von mir persönlich zu
       hören. Julia hat mich gebeten dich zu erinnern. Am 1. September ist
       Sachsenwahl.“ Es folgt das übliche Wahlkampfgeblubbere: Heimat, Sachsen,
       CDU, zur Wahl gehen – die Gesten wirken wie frisch gecoacht.
       
       Zugegeben, es ist irgendwie schon ein bisschen lustig, aber vor allem ein
       bisschen unheimlich, den eigenen Namen aus dem Mund von Kretschmer zu
       hören. Doch kommen in diesen Genuss gar nicht alle. Eingesprochen wurden
       nämlich die Vornamen der Kandidat*innen der sächsischen CDU sowie die
       jeweils hundert häufigsten Männer- und Frauennamen seit 1950. Eine komische
       Auslese. Durchforstet haben die CDUler dafür Namensstatistiken aus der
       Bundesrepublik und der DDR.
       
       ## Alte Zeiten konservieren
       
       Die gesamte Liste möchte der Pressesprecher auf Nachfrage dann lieber doch
       nicht rausrücken, aber ein schneller Selbsttest zeigt: Namen wie Thomas
       oder Kevin kommen vor, Mohamed oder Ayse nicht. Ost-Klischeenamen wie Mandy
       und Cindy fehlen, Annegret Kramp-Karrenbauer wäre vermutlich auch
       enttäuscht. Man kann offenbar Glück oder Pech haben.
       
       Nun könnte sich die CDU bei der Aktion schon fragen, was es bei
       potentiellen Wähler*innen auslöst, sich nicht wieder zu finden, also nicht
       angesprochen zu werden. Man kann der CDU aufgrund der gewählten
       statistischen Herangehensweise zwar keinen Vorwurf daraus machen, bestimmte
       Milieus nicht zu berücksichtigen.
       
       Wer aber die seit 1950 häufigsten Namen zum Maßstab macht, beruft sich eben
       auf den jeweiligen Zeitgeist der Mehrheitsgesellschaft, Deutsche mit
       Migrationshintergrund haben dann eher schlechte Karten. Nun passt es
       vielleicht auch einfach zu einer konservativen Partei, die guten alten
       Zeiten konservieren zu wollen. Vielfalt im Jetzt anzuerkennen, war ja noch
       nie die Stärke der CDU. Fraglich bleibt nur, ob der gewünschte Effekt,
       nämlich Wähler*innen per Videobotschaft zu gewinnen, erfolgreich sein wird.
       
       Denn so nett die persönliche Grußbotschaft daherkommt, ist sie nicht mehr
       als ein billiger oder verzweifelter Psychotrick kurz vor der Wahl. Nach
       fast 30 Jahren an der Regierung bröckelt die Macht der sächsischen CDU, sie
       liefert sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der AfD. Anstatt sich PR-Aktionen
       auszudenken, und Nähe zu suggerieren, wo keine ist, könnte Kretschmer
       einfach beim persönlichen Gespräch bleiben. Ganz Old School.
       
       Die Schlusssätze wurden geändert. In der ursprünglichen Version konnte der
       Eindruck entstehen, die Autorin werfe Kretschmer vor, er würde nie
       Gespräche mit Menschen führen.
       
       21 Aug 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://sachsenwahl2019.de/?token=aHR0cHM6Ly9jZG4uaW1wb3NzaWJsZS5pby9hYWFmYjY0NS05OTM0LTQ0M2EtYjQ0Mi05YmM3Mzk4YzM0N2QvZmFsbGJhY2tfaGFsbG8vYWxleGFuZGVyLm1wNA==
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jasmin Kalarickal
       
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