# taz.de -- Rebellenprovinz Idlib: Erdoğans Eiertanz in Syrien
       
       > Syrische Regierungstruppen rücken in Idlib vor. Die Offensive stellt das
       > türkisch-russische Verhältnis vor eine Zerreißprobe.
       
 (IMG) Bild: Türkischer Militärkonvoi (r.) fährt in Richtung Chan Scheichun am Montag
       
       Istanbul taz | Der türkische Präsident gerät mit seiner Syrienpolitik immer
       mehr in Bedrängnis. Nachdem Recep Tayyip Erdoğan bereits mit den USA wegen
       deren Zusammenarbeit mit der kurdischen YPG-Miliz heftig aneinander geraten
       ist, droht nun auch sein Syrien-Deal mit Russland zu platzen.
       
       Der – mutmaßlich syrische – Luftangriff auf einen türkischen Militärkonvoi
       in der nordsyrischen Rebellenprovinz Idlib am Montag und die massive
       Unterstützung Russland für den Vormarsch der Assad-Truppen in Idlib haben
       das im vergangenen September von Erdoğan und Wladimir Putin ausgehandelte
       [1][Idlib-Abkommen] faktisch beendet.
       
       Damals hatte der russische Präsident zugesagt, auf Assad einzuwirken, die
       Provinz Idlib erst einmal nicht anzugreifen. Im Gegenzug wollte Türkei
       dafür sorgen, dass sich die Rebellen aus einer Pufferzone rund um Idlib
       zurückziehen und aus Idlib heraus keine russischen oder syrischen Truppen
       mehr angegriffen werden.
       
       Obwohl die türkischen Armee und ihre syrischen Hilfstruppen diese Zusagen
       nie umgesetzt haben, hielt Putin Assad monatelang zurück. In dieser Zeit
       eskalierte der Konflikt zwischen Ankara und Washington, weil Erdoğan trotz
       massiver Drohungen aus den USA am [2][Kauf russischer Flugabwehrraketen vom
       Typ S-400] festhielt.
       
       Außerdem drohte Erdoğan, die von den USA protegierte Kurdenmiliz YPG
       entlang der türkisch-syrischen Grenze östlich des Euphrats anzugreifen,
       wenn die USA nicht bereit wären, einer 30 Kilometer breiten Pufferzone auf
       syrischer Seite zuzustimmen, aus der die YPG sich zurückziehen sollte.
       
       ## Assad-Offensive kommt nur langsam voran
       
       Um Erdoğan in dieser Situation nicht in den Rücken zu fallen, tolerierte
       Putin zunächst, dass sowohl die Dschihadistenmiliz Hai'at Tahrir al-Scham
       (HTS) als auch von der Türkei unterstützte Kämpfer der syrischen Nationalen
       Befreiungsfront im Süden Idlibs weiter aktiv blieben. Selbst als Assad im
       April doch seinen Angriff auf Idlib startete, hielt Russland sich zunächst
       weitgehend zurück. Entsprechend erfolglos operierten auch die
       Assad–Einheiten. Von April bis Juli machten sie kaum Fortschritte. Dörfer
       die sie eroberten, wurden von den Rebellen teilweise wieder zurückerobert.
       
       Das änderte sich erst, als Erdoğan sich doch mit der Trump-Administration
       auf ein gemeinsames Vorgehen östlich des Euphrats einigte. Putin hatte
       darauf gesetzt, dass der Konflikt zwischen der Türkei und den USA weiter
       eskaliert und die Türkei womöglich sogar die Nato verlässt.
       
       Diese Enttäuschung Putins über die Einigung zwischen Erdoğan und Trump war
       womöglich auch ausschlaggebend für die jüngste Eskalation in Idlib: Putin
       gab nun grünes Licht für eine massive Unterstützung der Assad-Truppen.
       Damit änderte sich das Bild in Idlib.
       
       Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat mittlerweile sogar bestätigt,
       dass auch russische Bodentruppen im Einsatz sind. Der Vormarsch der
       Assad-Truppen gewann deshalb an Schwung: Am Dienstag gelang ihnen mit der
       Eroberung der Stadt Chan Scheichun ihr bislang größter Erfolg.
       
       ## Erdoğan hofft auf eine Verständigung mit Putin
       
       Chan Scheichun, durch die Kämpfe mittlerweile völlig zerstört und von allen
       Einwohnern verlassen, ist das südliche Tor zur Provinz Idlib. Mit der
       Eroberung der Stadt ist Assad einem ersten Ziel näher gekommen: die
       Autobahn M5, die Damaskus mit Aleppo verbindet und von Rebellen blockiert
       wird, wieder benutzen zu können.
       
       Um dieses Ziel zu erreichen, haben Kampfflugzeuge der syrischen Armee –
       einige Beobachter sprechen auch von russischen Kampfflugzeugen – am Montag
       einen türkischen Militärkonvoi angegriffen, der nach Angaben aus Ankara auf
       dem Weg zu einem türkischen Militärstützpunkt in Murak südlich von Chan
       Scheichunwar, um die dortige Besatzung zu verstärken.
       
       Dieser – wie der Kolumnist Sedat Ergin der türkischen Tageszeitung Hürriyet
       schrieb – „beispiellose Angriff“ hat die türkische Regierung empört. Doch
       Erdoğan hofft immer noch auf eine Verständigung mit Putin, weshalb sich die
       türkische Kritik bislang auf Assad konzentriert.
       
       Am 16. September ist ein Gipfeltreffen von Erdoğan, Putin und dem
       iranischen Präsidenten Hassan Ruhani geplant. Sollte es bis dahin keinen
       Kompromiss für Idlib geben, wird die türkisch-russische Zusammenarbeit wohl
       zu Ende gehen, schreibt Ergin.
       
       In einer früheren Version dieses Artikels hieß es fälschlicherweise,
       Erdoğan und Ruhani würden im September mit Assad zu einem Gipfeltreffen
       zusammenkommen. Der Fehler ist korrigiert.
       
       21 Aug 2019
       
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