# taz.de -- Prekär: der Arbeitsmarkt in Berlin: Rider dieser Welt, vereinigt euch!
       
       > Es gibt wieder mehr Jobs in Berlin – leider vor allem solche, die keine
       > soziale Absicherung und kaum Rente bieten. Ein Kommentar.
       
 (IMG) Bild: Sattel eines Berliner Fahrradkuriers
       
       Sagen wir mal so: An dem reaktionären Spruch „Wer Arbeit sucht, der findet
       auch welche“ ist derzeit etwas dran. „VerkäuferIn auf 400-Euro-Basis
       gesucht“: Zettel wie dieser hängen momentan in vielen Geschäften der Stadt.
       Berufe ganz neuer Art entstehen in der sogenannten Start-up-Szene: Da gibt
       es die „Juicer“, die leer gefahrene E-Roller einsammeln, deren Batterien
       aufladen und die Gefährte dann wieder auf die Gehwege stellen, oder die
       „Rider“, Fahrradkuriere, die warmes Essen möglichst schnell zur hungrigen
       Kundschaft fahren – alles selbstständig und auf eigene Rechnung, versteht
       sich. Was vielen Jobs der schönen neuen Arbeitswelt noch gemeinsam ist: Die
       Arbeit ist unsicher, der Verdienst reicht kaum zum Leben und schon gar
       nicht für eine auskömmliche Rente.
       
       Und Berlin ist bei solchen prekären Beschäftigungsverhältnissen mal wieder
       Vorreiter. Das besagt das „Betriebspanel Berlin 2018“, die Auswertung einer
       repräsentativen Befragung deutscher Unternehmen, die Arbeitssenatorin Elke
       Breitenbach (Linke) am Montag vorgestellt hat. Darin steht: Die Zahl der
       Betriebe wächst in Berlin überdurchschnittlich, ebenso die der
       Arbeitsstellen. Aber eben auch: Immer mehr Arbeitsplätze sind Teilzeit (20
       Prozent), ohne Sozialversicherung (7 Prozent) oder befristet (13 Prozent).
       Passend dazu sind auch nur noch 18 Prozent der Berliner Betriebe
       tarifgebunden (bundesweit 27) – und nur 46 Prozent der Beschäftigten
       profitieren davon (Bund 54 Prozent).
       
       Scheinselbstständige Mikrojobber wie „Juicer“ kommen da noch hinzu, mit
       ihnen hat sich das Betriebspanel gar nicht befasst. Dennoch erwähnte
       Breitenbach diesen neuen Job als „eine der absurdesten und prekärsten
       Sachen, die sich gerade entwickeln“.
       
       Was ist zu tun? Natürlich könnte die Politik einiges besser regeln,
       Breitenbach hat darauf hingewiesen. Die Bundesregierung könnte die
       Möglichkeit zur sachgrundlosen Befristung abschaffen. Sie könnte
       erleichtern, Tarifverträge für ganze Branchen als verbindlich zu erklären.
       Oder die Vorgaben zum Arbeitsschutz verschärfen: etwa beim Homeoffice,
       einem anderen Trend, der weithin unreguliert wuchert, und Arbeitnehmer in
       ständige Erreichbarkeit und immer größeren Stress treibt.
       
       ## Nicht auf die Politik warten
       
       Auf die Politik hoffen und warten sollten die „modernen Arbeitssklaven“
       aber lieber nicht, sondern besser gemeinsam für mehr Rechte kämpfen. So wie
       die „Rider“, die am Donnerstag in Berlin tagten, um sich über ihre
       Erfahrungen etwa mit der Gründung von Betriebsräten auszutauschen und
       Strategien zur Verbesserung ihrer „Arbeit 4.0“ zu entwickeln.
       
       Und auch die KonsumentInnen können etwas tun: zum Beispiel nicht jeden
       früher gelaufenen Kilometer jetzt mit dem E-Roller fahren – auch wenn es
       spaßig ist. Dann gibt es vielleicht bald ein paar Juicer-Jobs weniger in
       der Stadt. Aber wäre das so schlimm?
       
       24 Aug 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Memarnia
       
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