# taz.de -- Neue Wohnflächenstatistik: Wir wohnen zu groß
       
       > Viele Menschen leben im Alter in zu großen Buden. Jetzt sind neue
       > Kulturtechniken gefragt, um mit Fremden oder Bekannten zusammenleben zu
       > können.
       
 (IMG) Bild: Wie soll man das Zusammenwohnen organisieren? Braucht jeder sein eigenes Klopapier?
       
       Allerorten wird über die [1][Wohnungsnot geklagt], aber in Wirklichkeit
       sind wir Flächenfresser: Die Wohnfläche pro Einwohner ist gestiegen, um 1,7
       Quadratmeter pro Kopf, und liegt nun im Bundesdurchschnitt bei 46,7
       Quadratmetern, [2][meldet das Statistische Bundesamt am Montag.] Wir wohnen
       gern groß. Und bleiben lieber unter uns, wenn die Kinder ausgezogen sind
       oder der Partner nicht mehr da ist. Dabei wäre es an der Zeit, wieder ein
       paar Kulturtechniken zu entwickeln für das Zusammenleben mit Bekannten oder
       Fremden in einer Wohnung. Das spart Geld, ist sozialer und ökologischer.
       
       Ledige, Geschiedene, Verwitwete leben in Einpersonenhaushalten, die im
       Schnitt 66 Quadratmeter verbrauchen, man braucht schließlich Küche und Bad
       für sich allein. Das ist ein hoher Flächenverbrauch, monierte unlängst das
       [3][Umweltbundesamt.] Millionen von RentnerInnen geistern durch viel zu
       große Eigenheime, Jahre nachdem die Kinder schon lange ausgezogen sind und
       der Partner verstorben ist. Eine [4][Tauschbörse] der landeseigenen
       Wohnungsbaugesellschaften in Berlin ermöglicht MieterInnen in zu großen
       Wohnungen den Wechsel in kleinere, in der Regel auch billigere Bleiben. Die
       Resonanz ist mager.
       
       Doch solch Beharrungsvermögen kann sich nicht jeder leisten. Für viele
       Menschen kann es zur wirtschaftlichen Überlebensfrage werden, sich mit
       Fremden eine Wohnung zu teilen. Denn die Mietpreise pro Quadratmeter
       steigen. In Berlin ist die rechnerische Wohnfläche pro Kopf zuletzt auch
       gesunken.
       
       ## Die große K-Frage um Küche und Klo
       
       Dabei gibt es mehrere Varianten der Mitwohnerschaft. Beliebt für Eltern mit
       leeren Kinderzimmern ist das „Modell Goethe-Institut“. Man vermietet nur
       kurzfristig, etwa an ausländische KursteilnehmerInnen. Oder an Feriengäste
       über Airbnb. Der ständige Wechsel der Besucher kann aber nerven.
       
       Bei längerfristigen Untermietverhältnissen stellt sich erst recht die
       K-Frage: Küche und Klo. Wie gemeinsam nutzen? In einer großen Wohnung lässt
       sich dies vielleicht durch ein zweites Minibadezimmer lösen. Sonst hilft
       strengste Disziplin. In manchen Gemeinschaftswohnungen in London
       beispielsweise, wo junge Berufstätige für 900 Pfund ein kleines Zimmer
       mieten, gilt die Regel, dass man nach jeder Kocherei die Küche blitzblank
       hinterlässt und im Bad keine persönlichen Kosmetikartikel herumliegen hat,
       die Kulturtasche wird jedes Mal wieder aufs Zimmer geschleppt. Aber soll
       man das als Hauptmieterin dann auch so machen oder das Privileg für sich
       beanspruchen, Duschgel und Haarbürste weiterhin im Bad herumliegen zu
       lassen ?
       
       Damit ist man bei der Hierarchiefrage. Bei Untervermietverhältnissen gab es
       in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts klare Regeln: Kochplatte
       auf dem Zimmer, Badbenutzung war erlaubt, Herren- oder Damenbesuch aber
       nicht. Zimmerwirtinnen und Untermieter sorgten in den
       „Kommissar“-TV-Serien“ damals für allerlei Abgründiges.
       
       So was ist heute undenkbar. Aber was tun, wenn jeden Tag vor der
       Eingangstür fremde Schuhpaare stehen und lärmende FreundInnen, Bekannte der
       Mitmieterin in der Küche den Begriff der Gastfreundschaft aktualisieren?
       Der Kochraum wird solcherart auf das Ökologischste genutzt. Introvertierte
       Hauptmieter in späteren Jahren aber kommen hier an ihre Grenzen.
       
       Die Frage lautet: Wie flexibel kann man überhaupt noch sein? Erst recht im
       Alter, wenn die Wohnung als Schutzraum, als Intimsphäre empfunden wird, als
       eine Erweiterung des eigenen Körpers, an den man niemanden Fremden
       heranlassen will. Nur ist das leider eine Illusion. Wenn wir irgendwann den
       Weg zum Klo alleine nicht mehr schaffen und Hilfe brauchen, wird sowieso
       alles anders.
       
       30 Jul 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Fehlender-Wohnraum-in-Grossstaedten/!5609116
 (DIR) [2] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2019/07/PD19_285_31231.html
 (DIR) [3] https://www.umweltbundesamt.de/daten/private-haushalte-konsum/wohnen/wohnflaeche
 (DIR) [4] https://inberlinwohnen.de/wohnungstausch/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Dribbusch
       
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