# taz.de -- Merkels Macht: Sieg auf den vorletzten Metern
       
       > Pünktlich zu ihrem Geburtstag sind der Kanzlerin gleich mehrere Coups
       > gelungen. Zwei enge Verbündete bekleiden bald mächtige Ämter.
       
 (IMG) Bild: So sieht eine glückliche Kanzlerin aus
       
       Berlin taz | Was für ein Tag, dieser 17. Juli 2019. Angela Merkel hat
       Geburtstag. 65 Jahre alt wird sie an diesem Mittwoch, und es ist keineswegs
       übertrieben zu sagen, dass sie ihn dafür nutzt, machtstrategisch noch ein
       paar dicke Pfeiler in den sandigen Berliner Boden zu rammen.
       
       Wer gemeint hat, die Templinerin sei politisch eine lame duck, die zu
       retten versucht, was zu retten ist, hat sich schwer getäuscht. Statt sich
       zurückzuziehen, regelt sie ihre Nachfolge, ihr politisches Vermächtnis. Und
       nach Lage der Dinge darf man sagen: Es gelingt ihr.
       
       Am Morgen im Kanzleramt gibt es Blumen am Kabinettstisch. Die stets ein
       wenig zur Euphorie neigende Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU)
       postet auf Facebook Fotos aus fröhlicher Runde: „Zwei Powerfrauen – Ursula
       von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer. Alles Gute für Euer neues
       Amt!“ Angela Merkel steht, in ein petrolfarbenes Sommersakko gekleidet,
       dabei und lächelt zufrieden.
       
       Interessanterweise hat morgens noch keine der beiden beglückwünschten
       CDU-Politikerinnen ihr „neues Amt“ tatsächlich angetreten. [1][Von der
       Leyen ist am Abend zuvor knapp zur EU-Kommissionspräsidentin gewählt
       worden] – sie wird an diesem Mittwochvormittag erst noch ihre
       Entlassungsurkunde als Bundesverteidigungsministerin entgegennehmen.
       Kramp-Karrenbauer soll anschließend ihre Ernennungsurkunde erhalten. Erst
       am Mittwoch kommender Woche wird sie im Bundestag im Rahmen einer
       Sondersitzung vereidigt.
       
       ## CDU-Frauen im Augenblick des Sieges
       
       Wenig später, gegen elf Uhr, taucht das politische Dreigestirn erneut auf.
       Im Bundespräsidialamt hält Berlins Regierender Bürgermeister als
       Vizevertreter von Frank-Walter Steinmeier eine kurze Abschiedsrede für
       Ursula von der Leyen. Vierzehn Jahre lang war sie Bundesministerin, es
       fallen die Worte „treue Dienste“, „Dank“ und „Anerkennung“.
       
       Von der Leyen, altrosafarbenes Jackett, sitzt mit durchgedrücktem Rücken
       auf einem Stuhl links vom Pult. Kramp-Karrenbauer und Merkel haben die
       60-Jährige in die Mitte genommen; die schaut hinüber zu Müller und lächelt
       wie eine Einserabiturientin bei der Zeugnisausgabe. Angela Merkel nickt ein
       ums andere Mal, als könne sie jedes lobende Wort nur bekräftigen. [2][Da
       ist kein Zittern bei der Kanzlerin] – nur zufriedene Gelassenheit.
       
       Dieses Bild, diese drei CDU-Frauen im Augenblick ihres Sieges am Ende eines
       Weges voller Stolperdrähte, dieses Bild wird im Gedächtnis bleiben. Ihren
       Gegnern in den Parlamenten und in der eigenen Partei wird es noch lange als
       Mahnung dienen: Das kommt dabei raus, wenn Frauen ackern, statt zu motzen.
       Dass es so harmonisch bleibt wie an diesem 17. Juli in Bellevue, dass es
       einfach immer weitergeht, bis Merkels Wahl-Nachfolgerin entspannt ins
       Kanzleramt einreitet, ist alles andere als ausgemacht. Und das hat mehrere
       Gründe.
       
       ## Verbündete an Schaltstellen der Macht
       
       Mit Ursula von der Leyen in Brüssel und Annegret Kramp-Karrenbauer im
       Bendlerblock hat Angela Merkel zwei ihrer loyalsten Verbündeten an
       entscheidenden Schaltstellen der Macht installiert. Als Europapolitikerin
       hat sie von der Leyen an die Spitze der Kommission manövriert und mit ihr
       eine voraussichtlich zähe Kraft gegen die Antidemokraten in Europa.
       
       [3][Im Bund findet Kramp-Karrenbauer endlich ihren Platz am Kabinettstisch
       und auf der Regierungsbank]. Wenn sie mal Kanzlerin werden will – was
       Merkels Plan zu sein scheint –, braucht die Frau ohne Bundestagsmandat dort
       Einfluss und Stimme.
       
       Gleich nach Entlassung und Ernennung tauchen die alte und die angehende
       Ministerin im Verteidigungsministerium auf. Beim Abschreiten der
       Ehrenformation hallt das Klacken ihrer Absätze über den Hof des
       Bendlerblocks.
       
       Jemand schreit Befehle wie Schnappschlösser, Waffen klacken, hinter dem
       Zaun gucken Passanten dem Spektakel zu. Von der Leyen schaut routiniert
       ihren Soldaten nach, die im Stechschritt ihr militärisches Zeremoniell
       absolvieren. Hier geht ein Profi. Ab jetzt übernimmt Kramp-Karrenbauer das
       Kommando der Truppe.
       
       ## Probezeit für Kramp-Karrenbauer
       
       Bei der sieht die Sache schon anders aus. Nicht nur dass die 56-Jährige mit
       dem Verteidigungsressort eine ziemlich chaotische Baustelle bei laufendem
       Betrieb übernimmt. Sie ist bislang auch den Beweis schuldig geblieben, dass
       sie ihrem anderen großen Amt – dem Parteivorsitz – gewachsen ist.
       
       Wichtig wird jetzt sein, dass sie zeigt, dass sie einem eigenen politischen
       Kompass folgend tatsächlich führen kann. Nur dann hat sie die Chance, bei
       der nächsten Bundestagswahl als Spitzenkandidatin der Union aufgestellt zu
       werden und – weit wichtiger – tatsächlich gewählt zu werden.
       
       Seit einem guten halben Jahr ist Annegret Kramp-Karrenbauer mittlerweile
       CDU-Vorsitzende. Sie hat um das Amt gekämpft und es knapp gegen ihren
       Mitbewerber Friedrich Merz gewonnen. Seither vergeht kaum ein Tag, an dem
       dessen Anhängerschaft nicht den Versuch unternimmt, ihre Arbeit zu
       unterlaufen.
       
       Hier ein Friedrich Merz, der findet, dass die AfD ruhig ihren
       Bundestagsvizepräsidenten kriegen sollte. Da eine Junge Union, die das
       Konrad-Adenauer-Haus öffentlich kritisiert. Und dort wiederum ein
       Generalsekretär Paul Ziemiak, der bislang wenig sichtbar die Partei
       organisiert.
       
       ## Noch ist sie nicht gescheitert
       
       Hinzu kommen kommunikative Fehlleistungen wie bei dem YouTuber Rezo samt
       anschließendem [4][lauten Nachdenken der Vorsitzenden darüber, wie die
       sozialen Medien zu „regulieren“] seien. Wenn sie es nicht hinkriegt, ab
       sofort ihre beiden Ämter kraftvoll und ordnungsgemäß zu führen, wird sie
       sich in keinem von beiden tatsächlich halten können.
       
       Aber noch ist sie nicht gescheitert. An diesem Julitag in Berlin stehen
       Annegret Kramp-Karrenbauer sowohl die Genugtuung über den Machtzuwachs als
       auch der Respekt vor beiden Aufgaben ins Gesicht geschrieben. Im
       Bendlerblock, gleich nach der Zeremonie mit Ursula von der Leyen, gibt sie
       eine kurze Erklärung ab. Sie sagt, die Bundeswehr habe „höchste politische
       Priorität verdient“.
       
       Priorität haben aber auch gerade die anstehenden Landtagswahlen. In
       Brandenburg und Sachsen werden bald neue Landtage gewählt, in Thüringen
       Ende Oktober. Laufen der CDU-Vorsitzenden die Landesverbände aus dem Ruder
       und kungeln mit der AfD, wäre ihre Autorität nachhaltig untergraben. Es
       wäre der Anfang vom Ende von Merkels machttaktischem Plan. Aber noch ist
       Sommer, und die Kanzlerin hat Geburtstag.
       
       17 Jul 2019
       
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