# taz.de -- Türkei kauft russisches Abwehrsystem: Die Angst der USA vor Spionage
       
       > Trotz US-Sanktionsdrohungen hat die Türkei das russische System S-400
       > angeschafft. Damit verabschiedet sie sich praktisch aus der
       > Nato-Luftabwehr.
       
 (IMG) Bild: Das Flugabwehrsystem S-400 System bei einer Parade auf dem Roten Platz
       
       Istanbul taz | Allen Drohungen, Verhandlungen und Gesprächen zum Trotz hat
       die Türkei tatsächlich den [1][Kauf des modernsten russischen
       Raketenabwehrsystems S-400 durchgezogen]. Auch im Angesicht
       US-amerikanischer Sanktionsdrohungen machte Präsident Recep Tayyip Erdoğan
       keinen Rückzieher in letzter Minute, sondern setzt die mit seinem
       russischen Partner Wladimir Putin getroffene Vereinbarung um.
       
       Seit Freitag landen riesige russische Transportmaschinen auf dem
       Luftwaffenstützpunkt Mürted bei Ankara und laden die verschiedenen
       Komponenten des russischen Waffensystems aus. Das fünfte, sechste und
       siebte Transportflugzeug aus Russland kam am Sonntag in Mürted an, übrigens
       auf genau jenem Luftwaffenstützpunkt, von dem vor drei Jahren der
       Putschversuch gegen Erdoğan ausging.
       
       Noch gibt es keine öffentliche Reaktion vonseiten der US-Regierung. Nach
       der Landung der ersten russischen Maschinen telefonierte der amtierende
       US-Verteidigungsminister Mark Esper mit seinem türkischen Amtskollegen
       Hulusi Akar, der angeblich noch einmal bekräftigte, dass die Türkei die
       russischen Waffen zu Verteidigungszwecken benötige und beabsichtige, das
       System im September in Betrieb zu nehmen.
       
       Die russischen Luftabwehrraketen S-400 sind das Gegenstück zu den
       US-amerikanischen Patriot-Luftabwehrraketen, die sonst innerhalb der Nato
       genutzt werden. Sie können aus mehr als 100 Kilometer Entfernung
       anfliegende Raketen, Flugzeuge, Drohnen oder was sich sonst in der Luft
       bewegt, abschießen und sollen dabei sehr effektiv sein. Innerhalb der Nato
       kann das S-400-System nicht vernetzt werden – mit dem Einsatz des
       russischen Abwehrsystems klinkt sich die Türkei also praktisch aus dem
       Nato-Luftabwehrsystem aus.
       
       Am Rande des G20-Gipfels in Japan vor zwei Wochen hatte Erdoğan
       US-Präsident Donald Trump gegenüber den Kauf des russischen Systems mit dem
       Argument verteidigt, die Obama-Administration hätte sich seinerzeit
       geweigert, Patriot-Systeme an die Türkei zu verkaufen. Jetzt sei es zu
       spät, noch einmal alles umzuwerfen.
       
       ## Erste praktische Konsequenzen
       
       Trump schien das zu akzeptieren und sagte, man werde in Washington darüber
       nachdenken, wie man jetzt reagiere. Kongress, Pentagon und Außenministerium
       haben jedoch bereits klargemacht, dass die Türkei mit Sanktionen rechnen
       muss, wenn sie tatsächlich das russische System kauft. Die ersten
       praktischen Konsequenzen der großen Abneigung aus den USA betreffen den
       neuesten US-amerikanischen Tarnkappenbomber F-35, an dessen Produktion
       türkische Rüstungsunternehmen beteiligt sind und von denen die Türkei 100
       Stück kaufen will.
       
       Da das S-400-System genau für den Abschuss solcher Flugzeuge gemacht ist,
       wollen die USA jetzt keine ihrer modernsten Maschinen mehr an die Türkei
       liefern, weil sie befürchten, die Russen könnten die Elektronik der F-35
       durch das Radarsystem der S-400 ausspionieren. Die Ausbildung türkischer
       Piloten an F-35-Bombern in den USA wurde bereits gestoppt.
       
       Als nächster Schritt könnte der Verkauf der gesamten US-amerikanischen
       Militärtechnik an die Türkei auf Eis gelegt werden. Das hätte zur Folge,
       dass die Türkei entsprechend mehr in Russland kauft und sich so sukzessive
       immer mehr aus der Nato verabschieden würde.
       
       Während türkische Nationalisten diesen Schritt in den sozialen Medien als
       „Befreiung vom Joch Amerikas“ feiern, machen sich andere ernsthafte Sorgen.
       Politische Beobachter wie Marc Pierini, Ex-EU-Botschafter in der Türkei,
       befürchtet, dass die Türkei am Ende aus dem westlichen Bündnis ausscheren
       und ganz in den russischen Einflussbereich geraten könnte. Das, schrieb er,
       „würde den gesamten Nahen Osten verändern und die Stellung des Westens in
       der Region empfindlich schwächen“.
       
       14 Jul 2019
       
       ## LINKS
       
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