# taz.de -- Kommentar Proteste in Hongkong: Ein taktischer Rückzug
       
       > Dass Hongkongs Regierungschefin das Auslieferungsgesetz verschoben hat,
       > ist nur ein Etappensieg. Die Demonstranten müssen weiter kämpfen.
       
 (IMG) Bild: Hongkongs Demonstranten dürfen sich jetzt nicht entmutigen lassen
       
       Hongkongs Regierungschefin [1][Carrie Lam] wird es nicht leicht gefallen
       sein, die Verabschiedung des umstrittenen Auslieferungsgesetzes auf
       unbestimmte Zeit zu verschieben. Bisher hatte sie das Gesetz stur und
       wahrheitswidrig als alternativlos dargestellt. Bei ihrer Pressekonferenz am
       Samstag, bei der sie die Kehrtwende verkündete, räumte sie nur
       Kommunikationsfehler ein, nicht aber, dass das Gesetz, das den Weg für
       Auslieferungen an Chinas politische Justiz freigemacht hätte, ein
       politischer Fehler war. Somit ist ihr Schritt nur ein taktischer Rückzug
       und der Versuch, Zeit zu kaufen. Dabei ist es natürlich richtig, [2][den
       Konflikt in Hongkong] erstmal zu beruhigen.
       
       Doch so begrüßenswert Lams Kursänderung ist, so berechtigt sind [3][die
       Forderungen der für diesen Sonntag geplanten Demonstration]: die
       vollständige Rücknahme des Gesetzes und Lams Rücktritt. Lams Bestehen
       darauf, inhaltlich eigentlich richtig gehandelt zu haben, macht sie
       untragbar. Die Zahl der Teilnehmer wird Aufschluss darüber geben, ob Lams
       Kehrtwende dem Protest den Wind aus den Segeln genommen hat oder ob dieser
       Teilerfolg der bisherigen Proteste die Menschen beflügelt, jetzt erst recht
       auf die Straße zu gehen.
       
       Lams Rückzug dürfte mit der Regierung in Peking abgesprochen sein,
       zumindest stimmte Peking zu und unterstützt Lam dabei auch öffentlich.
       Peking hat momentan kein Interesse daran, dass der Konflikt in Hongkong
       eskaliert und Pekings Einmischung in der Stadt thematisiert, der Autonomie
       versprochen wurde. Chinas Regime hat im [4][derzeitigen Handelskonflikt mit
       US-Präsident Donald Trump] viel zu verlieren und will nicht, dass der
       Konflikt in Hongkong dem US-Präsidenten neue Vorwände und Munition gibt.
       
       Deshalb war [5][Pekings Regime] unter Xi Jinping zu diesem taktischen
       Rückzug bereit. Das dürfte in Peking aber nicht so schnell vergessen
       werden, sondern nur verdeutlichen, dass Peking ein veritables
       Hongkong-Problem hat. Chinas Regime glaubte, sich die Kronkolonie einfach
       schrittweise einverleiben und ihr das eigene System überstülpen zu können –
       mit Druck, harschen Gesetzen und notfalls ein paar Entführungen wie der
       kritischer Buchhändler und Verleger. Hongkongs Bürger sind aufgewacht und
       bestehen zumindest auf Einhaltung der ihnen gemachten Versprechen.
       
       16 Jun 2019
       
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