# taz.de -- Tränengas gegen Massenprotest: Dicke Luft in Hongkong
       
       > Die Polizei in Hongkong ist massiv gegen Zehntausende vorgegangen, die
       > das Parlament blockieren. Die Lesung des umstrittenen Gesetzes fiel aus.
       
 (IMG) Bild: Die Polizei in Hongkong soll 5.000 Beamte mobilisiert haben
       
       Berlin taz | Zu Zehntausenden sind am Mittwochmorgen Demonstranten vor den
       Hongkonger Legislativrat geströmt. Obwohl die Polizei nach Medienberichten
       5.000 Beamte mobilisiert hatte, die zunächst auch vereinzelt Pfefferspray
       einsetzten, um die Demonstranten auf Abstand zu halten, musste sie vorerst
       kapitulieren. [1][Noch am Morgen wurde die Parlamentssitzung abgesagt, weil
       die Abgeordneten das blockierte Gebäude im Stadtteil Admiralty schlicht
       nicht erreichen konnten]. Erst am Nachmittag versuchte die Polizei dann mit
       dem massiven Einsatz von Tränengas einige blockierte Straßen zu räumen.
       
       Das umstrittene Auslieferungsgesetz, gegen das am Sonntag bereits nach
       Veranstalterangaben mehr als eine Million Menschen demonstriert hatten,
       sollte eigentlich am Mittwoch vom Parlament in zweiter Lesung beraten
       werden. Die Verabschiedung des Gesetzes, das Auslieferungen auf chinesische
       Festland ermöglichen soll und das viele als Bedrohung für Hongkongs
       Autonomie begreifen, war für den 20. Juni geplant. Im nicht demokratisch
       gewählten Legislativrat haben Pro-Peking-Kräfte eine deutliche Mehrheit.
       
       Viele Demonstranten trugen am Mittwoch schwarze T-Shirts und zur
       Vermummung Atemschutzmasken, wie sie in vielen asiatischen Ländern
       verbreitet sind. Viele Demonstranten waren sehr jung, oft um die 20, und
       damit wahrscheinlich noch nicht bei der letzten großen Massenbewegung 2014
       dabei, als die Regenschirmbewegung vergeblich für eine Direktwahl des
       Hongkonger Regierungschefs durch die Bevölkerung kämpfte. „Die
       Demonstranten sind ganz anders als 2014,“ sagte eine Teilnehmerin. „Sie
       sind nicht jünger und ohne Führung, aber viel besser über verschlüsselte
       Programme ihrer Smartphones vernetzt.“
       
       Die Demonstranten agierten schnell, wohl organisiert und nahmen manche von
       der Polizei aufgestellten Absperrgitter auseinander, um sie an andere
       Stelle als Barrikaden wieder neu und zum eigenen Schutz aufzustellen. Auch
       aus Pflastersteinen wurde eine Barrikade gebaut und Steine wurden zu
       handlichen Wurfgeschossen zerkleinert. Dabei blieb es zunächst aber
       friedlich.
       
       ## Am Nachmittag brach Gewalt aus
       
       Als Parlamentspräsident Andrew Leung Kwan-yuen die Sitzung auf unbekannte
       Zeit verschob hatte, war noch kein Abgeordneter überhaupt in das Gebäude
       gelangt. Das Büro von Regierungschefin Carrie Lam, die noch am Sonntag
       unbeirrt das Festhalten an dem Gesetz verkündet hatte, sagte zwei für
       Mittwoch geplante öffentliche Auftritte ab. Stellung zu den Ereignissen des
       Tages nahm sie vorerst nicht. Das überließt sie Verwaltungschef Matthew
       Cheung. Er forderte in einer Videobotschaft ein Ende der Blockaden.
       
       Nachdem die Polizei erst mal ihr Niederlage anerkannt hatte, machte sich
       zunächst Happening-Atmosphäre breit. Menschen wanderten zwischen den
       Barrikaden hin und her, posierten für Selfies, verteilten Wasserflaschen
       und Regenschirme, die als Schutz vor dem Pfefferspray der Polizei dienen.
       Demonstranten besuchten auch die angrenzenden Einkaufszentren, um sich
       selbst mit Essen und Wasser zu versorgen.
       
       Andere Gebäude, die in der blockierten Zone liegen wie eine Bankfiliale,
       schlossen. Angestellte bekamen frei. In der Lehrergewerkschaft herrschte
       Streit über einen Streikaufruf, manch kleiner Betrieb hatte ohnehin
       geschlossen, damit die Belegschaft demonstrieren konnte. Religiöse Gruppen
       und Berufsverbände forderten von der Politik Bedenkzeit.
       
       Am Nachmittag gegen 15 Uhr brach Gewalt aus. Das Polizeiaufgebot war
       verstärkt worden. Beamte, die jetzt Gasmasken trugen, setzten Tränengas
       ein, um Demonstranten vom Parlamentsgebäude zu vertreiben. Auch
       Schlagstöcke und Pfefferspray wurden benutzt. Widersprüchliche Meldungen
       gab es über Gummigeschose. In manchen Berichten heißt es, Demonstranten
       hätten versucht, das Parlamentsgebäude zu stürmen. Demonstranten, teils mit
       Helmen und Schutzbrillen, bewarfen Polizisten mit Wurfgeschossen. Von einer
       Baustelle wurde Material für Barrikaden geholt. Am Abend standen sich
       Demonstranten und Polizei gegenüber.
       
       Am Mittwoch nahm erstmals die frühere Kolonialmacht Großbritannien
       Stellung. Außenminister Jeremy Hunt forderte Hongkongs Regierung auf, sich
       die „Sorgen“ der Hongkonger Bürger und ihrer „Freunde in der
       internationalen Gemeinschaft“ anzuhören und sich die Zeit zu nehmen, über
       die „umstrittenen Maßnahmen“ nachzudenken.
       
       Mitarbeit: Yeung Pui Wan, Hongkong
       
       12 Jun 2019
       
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