# taz.de -- Deniz Yücel im Frankfurter Literaturhaus: Von der Freiheit in Haft
       
       > Der Journalist spricht mehr als ein Jahr nach seiner Freilassung über
       > seine Zeit in türkischem Knast. Sein Buch soll im Oktober erscheinen.
       
 (IMG) Bild: Deniz Yücel vor einer Anhörung am Berliner Amtsgericht Tiergarten
       
       Frankfurt taz | Kurz nach sieben, wolkenloser Himmel. An den großen, weißen
       Säulen des Gebäudeeingangs staut sich die Luft, es ist über 30 Grad heiß.
       [1][Deniz Yücel], weißes T-Shirt und blaue Jeans, kommt lächelnd um die
       Ecke gelaufen, schnellen Schrittes. In der linken Hand eine Zigarette, an
       der er oft und tief zieht, in der rechten ein Kleiderbügel mit Hemd und
       Sakko. Yücel ist alleine, in Freiheit.
       
       Im Literaturhaus am Frankfurter Mainufer meldete sich Deniz Yücel mehr als
       ein Jahr seiner Entlassung im Februar 2018 aus türkischer Haft am Mittwoch
       wieder zu Wort. Gemeinsam mit der langjährigen taz-Redakteurin Doris Akrap
       und moderiert von Martin Wiesmann, sonst bei der Bank JP Morgan tätig,
       sprach Yücel über seine Haft. Titel der Veranstaltung: „Freiheit ist etwas,
       was man tut.“
       
       Und Yücel tat genau das, frei sein. Auch in türkischer Haft, etwa durch das
       Schreiben. „Jedes Mal, wenn ich einen Text da rausgeschmuggelt habe, war
       das ein Stück Genugtuung und meine persönliche Freiheit“, beschreibt Yücel
       seinen alltäglichen Widerstand gegen die Kontrolle durch das
       Gefängnispersonal.
       
       Seine Inhaftierung, eines zu unbequem gewordenen Journalisten, habe ihn zum
       Schweigen bringen sollen – „und das lasse ich nicht zu“, habe er sich
       vorgenommen.
       
       ## „Wie so ein Kriegsveteran“
       
       So schaffte es Yücel immer wieder kleine Artikel oder fast schon ganze
       Buchmanuskripte in die Freiheit zu befördern. „Die Pedanterie dieses Jungen
       ist manchmal schwer auszuhalten“, kommentiert Doris Akrap flapsig und legt
       ihre Hand auf einen dicken Stapel weißer, loser Zettel. 496 Seiten sind es.
       
       Die Zettel, auf denen Yücel aus der Haft Ideen und Anweisungen zur
       Veröffentlichung seiner früherer Texte in Buchform an Akrap übermittelt
       hat. Handgeschriebene 496 Seiten mit Anmerkungen vom Klappentext bis zur
       Textauswahl.
       
       „Ich wusste wenigstens, der Mann ist beschäftigt damit“, sagt Akrap. Yücel
       streckt seine Hand hoch und zeigt die Schwielen vom Schreiben, die er bis
       heute habe. „Wie so ein Kriegsveteran“, kommentiert er unter lautem
       Beifall.
       
       ## Nicht alle Briefe erreichten Yücel im Gefängnis
       
       Und der Kampf wollte auch organisiert sein. „Ich habe da so
       Strategiepapiere geschrieben“, erzählt Yücel. „Was tun? Ran an das
       Kapital“, so sein Vorschlag. Während diplomatische Gespräche seine Haftzeit
       nicht verkürzen konnten und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan –
       den Yücel gerne „Gangsterboss“ nennt – ihn öffentlich als „Terroristen“
       bezeichnete, sei es das Ziel gewesen, „die Kosten meiner Haft in die Höhe
       treiben“, so Yücel.
       
       Als „Einöde aus Stahl, Beton und Stacheldraht“ beschreibt Yücel den
       Haftalltag, während er einen Stapel bunter Zettelchen aus der Sakkotasche
       hervorholt. Es sind die kleinen Briefe, die seine Ehefrau Dilek
       Mayatürk-Yücel ihm schickte, um „etwas Farbe in den Knastalltag“ zu
       bringen. Deniz Yücel blättert durch, blickt lächelnd zu seiner Ehefrau.
       
       „Hier steht etwa ‚Ich bin in dich verliebt‘ und daneben ist der Stempel der
       Briefstempelkommission“, sagt er und hält einen kleinen pinken Zettel hoch.
       Die vielen Briefe und Postkarten von Unterstützer*innen und Freund*innen
       hätten ihn lange Zeit nicht erreicht, lediglich die Briefe seiner
       Schwiegermutter und später die seiner Ehefrau hätten die Kontrolle im
       Gefängnis überstanden.
       
       ## Folterungen in Haft
       
       Dennoch, das betont Yücel immer wieder, sei die Solidarität in Deutschland,
       die vielen Lesungen und Autokorsos, sehr wichtig für ihn gewesen.
       
       Im Oktober soll Deniz Yücels Buch „Agentterrorist“ erscheinen, eine
       Rückschau auf die Haft in der Türkei und eine Analyse des Zustands der
       türkischen Demokratie. Im Mai veröffentlichte die Welt Yücels
       Verteidigungsschrift, [2][in der er erstmals Folterungen in Haft öffentlich
       machte.]
       
       6 Jun 2019
       
       ## LINKS
       
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