# taz.de -- Grips Theater feiert Jubiläum: 50 Jahre befreiendes Lachen
       
       > Viele Kinder haben hier gelernt, dass sie stark sind und Erwachsene nicht
       > immer recht haben: Das Grips Theater hat seine revolutionäre Kraft
       > behalten.
       
 (IMG) Bild: Autoritäten aus der Fassung lachen: Szenenbild aus „Die Lücke im Bauzaun“ (2019)
       
       Bei einer Festrede zum Fünzigsten sollte man besser nicht über sich selbst
       sprechen, sondern über den Jubilar. Trotzdem ist es nicht ganz abwegig, die
       taz und das Grips Theater (für Familie, Freunde und Bekannte einfach nur:
       „das Grips“) auch mal gedanklich nebeneinanderzustellen, schließlich sind
       beide demselben Nährboden entsprossen. Wobei das Grips nicht wie die
       „tägliche linke, radikale Zeitung“ Kind der 68er-Bewegung war, sondern ein
       Teil davon, von Beginn an. Und während die taz alles Radikale weitgehend
       abgestreift hat, kam das Grips nie so sehr in diese Verlegenheit,
       vielleicht weil Radikalität im Sinne einer konsequenten Ermutigung der
       Schwachen eigentlich immer aktuell bleibt.
       
       Dabei galt das 1969 aus Volker Ludwigs linkem „Reichskabarett“ erwachsene
       „emanzipatorische“ Theater, wie es bald genannt wurde, der politischen
       Reaktion lange als antiautoritäres Nervengift, das die Frontstadt zu
       zersetzen drohte. Im Jubiläumsband erinnert sich Ludwig an die
       Hetzkampagnen von CDU und Springer. Dessen Morgenpost schrieb damals:
       „Zuschüsse für GRIPS bedeuten, dass wir uns einen Haufen Psychopathen
       heranzüchten, arme Typen, die eines Tages an sich zerbrechen werden. Vorher
       werden sie noch anderes zerbrochen haben.“
       
       Aus heutiger Sicht, zig Kinder-, Jugend- und Erwachsenenstücke, Preise,
       Tourneen und weltweite Nachinszenierungen später, klingt das so drollig wie
       realitätsfern, aber damals machte es der 1974 in ein ehemaliges Kino am
       Hansaplatz gezogenen Bühne das Leben verdammt schwer: In den CDU-regierten
       Bezirken der Halbstadt war den Schulen der Besuch von Grips-Aufführungen
       jahrelang untersagt, die dringend benötigten Zuschüsse standen unter
       Dauerbeschuss von rechts.
       
       ## Frische Utopien
       
       Ein Songtext wie das „Gartenlied“ (siehe oben) von 1973 klang in
       konservativen Ohren wie die Fanfare zum Angriff auf Grunewalder oder
       Frohnauer Bastionen, obwohl „Eines Tages (!) reißen wir die Zäune von den
       großen Gärten ein“ ja auch nur die aufmüpfige Version von „I have a dream“
       war. Dass man Kinder durch darstellendes Spiel und ohrwurmträchtige Songs
       zu proletarischen Kampfmaschinen formen konnte oder sollte, daran haben die
       Gripsler sowieso nie geglaubt. Und heute, „Fridays for Future“ und
       „Deutsche Wohnen enteignen“ lassen grüßen, kommt die Gärten-für-alle-Utopie
       irgendwie auch wieder sehr frisch daher.
       
       Ein weiteres Schicksal teilt das Grips mit der taz: Wer es nicht so genau
       kennt, hat immer noch ein Klischee parat. Bei uns ist es der vor
       Jahrzehnten abgeschaffte Einheitslohn, beim Grips die Reduzierung auf den
       Song „Wir werden immer größer“ und „Linie 1“. Nichts gegen beides, nur ist
       das Grips-Universum unbeschreiblich reicher an Inhalten und künstlerischen,
       musikalischen Formen. Wenn heute eine Autorin aus dem Lesebühnen-Kosmos wie
       Kirsten Fuchs mit dem „Nacktschnecken-Game“ ein witzig-surreales Stück über
       Sex und Erwachsenwerden im digitalen Zeitalter liefert – mittlerweile ihr
       drittes für das Grips –, zeigt das, dass dieses Theater nie stehen oder
       stecken geblieben ist.
       
       Gleichzeitig gibt es große personelle Kontinuitäten in der Grips-Familie –
       man denke an Dietrich Lehmann, der von Anfang an dabei ist und nicht nur
       als Schauspieler seine Figuren markant geprägt, sondern auch viele Male
       Regie geführt hat. Philipp Harpain, seit 2017 Ludwigs Nachfolger an der
       Spitze des Hauses, ist auch ein Eigengewächs: Er leitete jahrelang die
       theaterpädagogische Abteilung, die für die Grips-Arbeit extrem wichtig ist.
       Und, auch darauf muss man als tazler hinweisen, die Bühne hat seit 1976 ein
       einzigartiges Mitbestimmungsmodell: Das „Gremium“, in dem alle Gruppen des
       Hauses über Spielplan und Besetzungen diskutieren und gemeinsam
       entscheiden. Möge es weiterhin so weise Entscheidungen treffen.
       
       Seine ersten 50 Jahre feiert das Grips Theater mit zwei Festwochen, Motto:
       „On the Child’s Side“. Am 6. Juni ging es mit „Die Lücke im Bauzaun“ los,
       heute (Sa., 8. Juni, 18 Uhr) zeigt die Manufaktur des Lachens aus Athen „O
       Mormolis“ in der Akademie der Künste. Es folgen Gastspiele aus Ägypten und
       Indien, eine Jubiläumsgala, ein Internationales Symposium zu Kinderrechten
       im Theater und am 15. Juni das Hansaplatzfest. Krönender Abschluss am 18.
       und 19. Juni: der südkoreanische Mega-Erfolg „Seoul Line 1“. Das ganze
       Programm findet sich [1][hier].
       
       [2][Hier] geht es zum Interview mit Volker Ludwig und Vassilis Koukalani.
       
       8 Jun 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.grips-theater.de/assets/Uploads/Neuigkeiten/369/Downloads/GRIPSSZHJubilaeumWEB.pdf
 (DIR) [2] /50-Jahre-Grips-Theater/!5599591
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Claudius Prößer
       
       ## TAGS
       
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