# taz.de -- Union nach der Europawahl: Die Fehler der anderen
       
       > Die Spitzen von CDU und CSU üben sich in Kritik und Selbstkritik. Vor
       > allem Annegret Kramp-Karrenbauer hat einiges zu sagen.
       
 (IMG) Bild: Die CDU-Chefin am Montag im Konrad-Adenauer-Haus bei mittlerer Stimmungslage
       
       München/Berlin taz |Von einer „Trendwende“ sprechen der EVP-Spitzenkandidat
       Manfred Weber und sein CSU-Parteichef Markus Söder am Montag vor der
       Vorstandssitzung in München. Sechs Abgeordnete, drei Frauen und drei
       Männer, schickt die CSU künftig nach Brüssel – bisher waren es fünf.
       Zumindest dies hat geklappt: Den Abwärtstrend der CSU zu stoppen.
       
       Das andere, für Weber persönlich bedeutendere Ziel dagegen ist nach diesem
       Wochenende zwar immer noch in greifbarer Nähe, aber bestimmt kein
       Selbstläufer geworden: der nächste Karriereschritt des Niederbayern. „Jetzt
       muss er Präsident der EU-Kommission werden“, twittert die Parteizentrale in
       der Früh, und Söder ergänzt: „Wir bekennen uns ausdrücklich zum
       Spitzenkandidaten der CSU.“ Der Stärkste habe den Führungsanspruch.
       
       In Berlin haut am Montagnachmittag Annegret Kramp-Karrenbauer in dieselbe
       Kerbe. Die CDU-Vorsitzende fordert bei der Pressekonferenz in der
       Parteizentrale die Koalitionspartnerin SPD auf, in der kommenden EU-Debatte
       über Personalien für eine abgestimmte deutsche Haltung zu sorgen. Es gehe
       darum, „aus einer Position der Stabilität heraus deutsche Interessen zu
       vertreten“.
       
       Da die CDU in Deutschland und die EVP in Europa stärkste Kraft geworden
       seien, habe man den klaren Anspruch, dass Manfred Weber
       EU-Kommissionspräsident werden müsse, sagt die CDU-Chefin. Auch die
       Sozialdemokraten hätten sich schließlich für das Spitzenkandidatenprinzip
       ausgesprochen. Sie erwarte, dass Kanzlerin Angela Merkel auf dem EU-Gipfel
       am Dienstag keinem Kandidaten zustimme, der nicht zuvor Spitzenkandidat bei
       der Europawahl gewesen sei.
       
       ## Klausur am Wochenende
       
       Kramp-Karrenbauer wirkt bei ihrem Auftritt in Berlin selbstkritisch und
       zugleich entschlossen. Man spürt den hohen Druck, dem sie als Vorsitzende
       innerparteilich und aus dem Bundestag heraus ausgesetzt ist. In den
       vorangegangenen Gremiensitzungen sei offen über das schlechte Wahlergebnis
       zum Europaparlament gesprochen worden, sagt Kramp-Karrenbauer. „Wir sind
       unserem eigenen Anspruch nicht gerecht geworden“, deshalb werde man aus dem
       Ergebnis Schlüsse ziehen.
       
       Veränderungen in den Spitzenpositionen schließt die Vorsitzende aus, sie
       stellt aber einen Fahrplan bis zum Bundesparteitag im Spätherbst 2020 vor.
       Auf die Klausurtagung der Parteiführung am kommenden Wochenende folgen die
       Landtagswahlkämpfe im Osten. Anschließend stehe dann der Prozess für das
       neue CDU-Grundsatzprogramm, für das Wahlprogramm zur Bundestagswahl und –
       natürlich – die Kür eineR KandidatIn an. „Das wird keine leichte Operation,
       sondern eine sehr grundlegende.“
       
       Insgesamt hat die Union deutlich an Stimmen verloren. Bei den unter
       30-Jährigen erreichte sie nur noch 13 Prozent, weit hinter den Grünen mit
       33 Prozent. Bei den Erstwählern betrug der Stimmenanteil der CDU/CSU sogar
       nur elf Prozent. In der Parteizentrale meint man auch schon die
       Verantwortlichen dafür zu kennen.
       
       In einem internen Papier wird analysiert, der kommunikative Umgang sowohl
       mit dem netzpolitischen Thema Upload-Filter als auch mit dem
       klimapolitischen Rant des Youtubers Rezo eine Woche vor der Wahl hätten
       junge WählerInnen vergrätzt. „Die Union kämpfte im Europawahlkampf gegen
       eine für sie ungünstige Themenagenda“, heißt es in der Analyse. „Es ist
       nicht gelungen, die eigenen Themen innere und äußere Sicherheit, Frieden
       und Wohlstand stärker in den Mittelpunkt der Debatten zu stellen.“
       
       Ebenfalls verantwortlich wird die rechtskonservative so genannte
       Werte-Union gemacht, die mantraartig gegen die Parteispitze und die
       Regierungschefin geätzt hatte. Außerdem die Junge Union unter ihrem neuen
       Chef Tilman Kuban. Kuban hatte sich zuletzt für eine Art
       Dampfwalzen-Rhetorik entschieden, die politische MitbewerberInnen schmähen
       und Angela Merkel düpieren sollte.
       
       ## „Ramponiertes Image“
       
       Paul Ziemiak, bis vor kurzem noch selbst JU-Chef und mittlerweile als
       CDU-Generalsekretär verantwortlich für den zurückliegenden Wahlkampf, übt
       aber auch Selbstkritik. Dem Deutschlandfunk sagte er, die CDU habe
       „schmerzlich Kommunikationsdefizite wahrgenommen“. Er verwies aber auch auf
       das „ramponierte Image“ der Großen Koalition in Berlin.
       
       Bei ihrem Statement in Berlin bemüht sich Kramp-Karrenbauer, der
       vernichtenden Selbstkritik die Spitze zu nehmen. „Wenn wir Fehler machen,
       stehen wir dazu; es ist nicht unsere Art, Schuld zuzuschieben“, sagt sie.
       Und weiter: „Es gibt keinen Rechtsruck bei der Jungen Union.“ Als
       Vorsitzende wolle sie aber bald „intensive Debatten mit unseren
       Vereinigungen führen“.
       
       In München hingegen herrscht eher Freude. Für Markus Söder war es die erste
       Wahl, seit seiner Kür zum CSU-Chef. Mit Genugtuung stellt er daher fest:
       „Wir sind die einzige Partei der Bundesregierung, die sich vom negativen
       Trend der GroKo abgekoppelt hat.“ Für die Koalition fordert er jetzt neuen
       Schwung, von der SPD ein klares Bekenntnis zum gemeinsamen Bündnis. „Wer
       ständig in einer Beziehung nur darüber redet, dass er am liebsten ausziehen
       möchte, der wird keine harmonische Ehe in der Zukunft schaffen.“
       
       Gleichzeitig macht der CSU-Chef aber auch keinen Hehl daraus, dass er die
       SPD als politische Wettbewerberin weitgehend abgeschrieben hat. „Das Duell
       ab jetzt ist nicht mehr Schwarz-Rot, es ist eindeutig Schwarz-Grün.“ Wie
       dem gegenwärtigen Höhenflug der Grünen zu begegnen sei, ist dann auch Thema
       in der Vorstandssitzung. Die Richtung hat Söder schon einmal vorgegeben:
       „Wir müssen jünger, moderner, cooler werden, wir müssen den Zeitgeist
       deutlich besser repräsentieren.“ Es dürfe nicht sein, dass die Grünen bei
       den Jung- und Erstwählern erfolgreicher seien als die CSU.
       
       In der Vorstandssitzung kommt man dann überein, dass die CSU vor allem drei
       Lehren aus dem Wahlergebnis zu ziehen habe, berichtet Generalsekretär
       Markus Blume im Anschluss: Zum einen seien Themen wie Klimaschutz zentral
       für die CSU. „Klimaschutz ist konservativ.“ Zum anderen müsse man in der
       digitalen Kommunikation besser werden. So werde man das gedruckte
       Parteiorgan, den Bayernkurier, noch in diesem Jahr einstellen, um die
       freiwerdenden Ressourcen im Netz nutzen zu können. Und schließlich sei
       Haltung entscheidend.
       
       Die Haltung seiner Kollegin in Berlin mutet vor allem selbstkritisch an.
       „Das ganze Leben besteht aus Fehlern, ansonsten kann man es auch sein
       lassen“, sagt Annegret Kramp-Karrenbauer auf die Frage nach ihrer eigenen
       Verantwortung. Nach Aufgeben klingt das nicht.
       
       27 May 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anja Maier
 (DIR) Dominik Baur
       
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