# taz.de -- Kommentar Eigenbedarf vorm BGH: Mehr als eine Immobilie
       
       > Eine 80-jährige Frau soll aus ihrer Wohnung ziehen weil eine junge
       > Familie die Immobilie gekauft hat. Der BGH prüft jetzt genau.
       
 (IMG) Bild: Der Achte Zivilsenat beim Bundesgerichtshof urteilt über Mieter-Kündigungen bei Eigenbedarf
       
       In der aktuellen Wohnungsmisere kaufen plötzlich auch Menschen eine
       Wohnung, für die das früher jenseits aller denkbaren Lebensentwürfe lag.
       Menschen wie du und ich quasi. Was soll unsereins auch machen, wenn in
       Berlin, Hamburg, Frankfurt nicht nur keine bezahlbare, sondern überhaupt
       keine geeignete Mietwohnung am Markt ist. Doch eine Immobilie kaufen ist
       das eine. Eine Immobilie mit einem darin lebenden Menschen für den
       Eigenbedarf zu erwerben etwas ganz anderes. Das legt auch ein Fall nahe,
       über den [1][am Mittwoch der Bundesgerichtshof zu entscheiden hatte].
       
       2015 war eine Berliner Dreizimmerwohnung verkauft worden, in der seit 45
       Jahren eine inzwischen über 80-jährige Frau mit ihren erwachsenen Söhnen
       lebt. Der Käufer kündigte unmittelbar Eigenbedarf an, er wollte mit seiner
       Familie einziehen und die Wohnung mit der bereits erworbenen Nachbarwohnung
       verbinden. Nachdem er mit seiner Klage auf Eigenbedarf in erster Instanz
       noch recht bekam, sah das Landgericht einen Härtefall und verfügte, dass
       das Mietverhältnis mit der älteren Frau auf unbestimmte Zeit fortzuführen
       sei.
       
       Interessant war die Begründung: Das Gericht sah zum einen die lange
       Mietdauer, den schwierigen Wohnungsmarkt, das Alter und die attestierte
       Demenz der Frau als hinreichend. Es wertete aber auch als maßgeblich, dass
       die Umstände dem Käufer schon zum Zeitpunkt des Erwerbs bekannt waren, er
       also mit einem Härtefall rechnen musste und die Wohnung dennoch für den
       Eigenbedarf gekauft hatte.
       
       Das ist die Misere: die individuelle Not des einen – der Käufer wohnt mit
       Frau und zwei kleinen Kindern in zwei Zimmern – und die Not der Mieterin
       gegeneinander zu rechnen. Aber in der Tat war es ja der Käufer, der diese
       Situation wissentlich heraufbeschwor.
       
       Der BGH verwies den Fall nun zur weiteren Klärung der Härtefallgründe ans
       Berufungsgericht zurück. Rechtlich wird es also auf eine noch genauere
       Prüfung des Einzelfalls hinauslaufen. Als moralische Richtschnur aber
       könnte dienen: Eine Wohnung mit einem Menschen darin ist mehr als eine
       Immobilie.
       
       23 May 2019
       
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 (DIR) Manuela Heim
       
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