# taz.de -- Kolumne Pressschlag: Abbau der Kruste
       
       > Der DFB hat in den vergangenen Jahren eine merkwürdige Personalpolitik
       > gepflegt. Jetzt ist Zeit für den Neubeginn – und eine Doppelspitze.
       
 (IMG) Bild: Reinhard Grindel verkörperte wie kein Zweiter die DFB-Maxime „Ihr könnt uns mal!“
       
       Wenn man ein Fest der Intersektionalität durch Aufsummierung
       identitätspolitischer Partikularinteressen feiern möchte, dann wäre eine
       ostdeutsche Frau mit Migrationshintergrund für den DFB keine schlechte
       Lösung. Vielleicht könnte sich unter diesen Voraussetzungen auch die
       ehemalige Frauenfußball-Bundestrainerin [1][Silvia Neid] zur Wahl im
       September stellen, wie es die grüne Parteichefin Annalena Baerbock
       [2][ihren Twitter-Followern] kürzlich zum Nachplappern empfohlen hat.
       
       Der DFB, der in der vergangenen Dekade eine – gelinde gesagt – merkwürdige
       Personalpolitik pflegte, würde mit einer Silvia Neid, der ehemaligen
       Radsport-Präsidentin [3][Sylvia Schenk] oder Ex-Nationalspielerin
       [4][Steffi Jones] den Zeitgeist in seine Flure in der Frankfurter
       Fleckschneise lassen.
       
       Aber wäre dem größten Sportverband mit solchen Erwägungen, die ihre Impulse
       zumeist aus dem Spannungsfeld sozialer Erwünschtheit generieren, wirklich
       gedient? Und – ketzerisch gefragt: Warum sollte es den DFB interessieren,
       wenn in den sozialen und regulären Medien mit einer Luftpumpe ein
       personalpolitischer Testballon von formidabler Größe aufgeblasen wird?
       
       Noch vor einem Jahr hätte man gesagt: Das hätte den DFB nicht gejuckt, im
       Fußballverband galt ja immer die Maxime: Ihr könnt uns mal! Oder anders
       gesagt: Was interessiert es den Mond, wenn ihn ein Pinscher anheult.
       [5][Reinhard Grindel] war ein Funktionär, der dieses Selbstverständnis mit
       jeder Pore seines Körpers lebte.
       
       ## Umbau in der Fleckschneise
       
       Wer ihn je sah, wenn er seiner Meinung nach kritischen Geistern oder
       einfachen Zuträgern übers Maul fuhr, sie auflaufen ließ oder klein machte,
       kann verstehen, warum er jetzt, da er seine Hausmacht im DFB verloren hat,
       selber aufpassen muss, nicht wie ein Hund vom Hof gejagt zu werden. Die
       Petitesse um die Annahme einer Uhr und die angebliche Verheimlichung von
       Einkünften aus einer Aufsichtsratstätigkeit werden zu Belegen ultimativer
       Funktionärsverruchtheit hochgejazzt, dabei waren seine Präsidiumskollegen
       wohl eher die Anmaßungen und das fehlende Feingespür von Grindel leid. Hier
       werden nun offensichtlich alte Rechnungen beglichen.
       
       Würde der DFB [6][die neuerliche Krise] dazu nutzen, seinen Führungsstil,
       ja seine gesamte Corporate Identity zu hinterfragen, was zwingend notwendig
       wäre, dann müsste eine Person den Laden übernehmen, bei der von
       untergeordneter Bedeutung ist, welchem Geschlecht sie angehört. Im Fokus
       stünde, ob sie durch ihre Hartnäckigkeit und ihren unbändigen
       Gestaltungswillen verkrustete Strukturen in diesem Moloch von einem Verband
       aufbrechen kann.
       
       Doch damit nicht genug: Könnte sie ernsthaft ein Transparenzversprechen
       einlösen, die Verbandskommunikation von rechts auf links drehen, die Fans
       wieder auf ihre Seite bringen, das Geheim- und Männerbündische hinterfragen
       – und könnte sie, last, but not least, den Amateur- mit dem Kommerzfußball
       versöhnen?
       
       Das sind Mammutaufgaben. Andere würden sagen: Hier geht es um die Quadratur
       des Kreises. Die Aufgaben eines künftigen Präsidenten sind derart fordernd
       und vielfältig, dass es einen Menschenfänger und Verwaltungsprofi bräuchte,
       um diesen Verband in die Postmoderne zu führen. Aber wenn das
       offensichtlich so schwierig ist, warum sollte der DFB dann nicht eine
       arbeitsteilige Doppelspitze unter Beachtung der Geschlechterparität
       installieren. Das wäre ein kluger Schachzug, und zwar nicht nur unter
       symbolpolitischen Gesichtspunkten.
       
       Es müsste dann aber anders laufen als in der Fifa. Da hat Gianni Infantino
       in Fatma Samoura eine Generalsekretärin berufen, die über den Status einer
       Alibi-Funktionärin nicht hinauskommt.
       
       5 Apr 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Sylvia-Neid-und-Frauenfussball-EM-2017/!5438329
 (DIR) [2] https://twitter.com/ABaerbock/status/1113064548716539905
 (DIR) [3] /Sylvia-Schenk-ueber-die-Fifa/!5517923
 (DIR) [4] /DFB-trennt-sich-von-Steffi-Jones/!5491058
 (DIR) [5] /Ruecktritt-von-DFB-Praesident-Grindel/!5582263
 (DIR) [6] /Claudia-Roth-ueber-Grindel-Affaere/!5583464
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Völker
       
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